Streiks bei Amazon weiten sich aus

Verdi will "langen Atem" beweisen

3. Juni 2014
von Börsenblatt
An vier deutschen Versandzentren Amazons wurde heute wieder gestreikt: Hunderte Mitarbeiter traten am Dienstag an den Standorten Rheinberg (NRW) und Graben in den Ausstand. Für Bad Hersfeld und Leipzig war es der fünfte Streiktag. Seit April letzten Jahres kämpft Verdi für einen Tarifvertrag. Die Streiks, von denen Amazon stets behauptet, sie hätten keinerlei Einfluss für die Kunden, haben sich ausgedehnt.

In Bad Hersfeld folgten am heutigen Dienstag dem Streik-Aufruf nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi 450, in Graben bei Augsburg mehr als 400 Mitarbeiter. Nach Angaben von Verdi-Aktivisten sollen alleine in Deutschland mehr als 1.000 Amazon-Mitarbeiter bei Verdi aktiv für den angestrebten Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels kämpfen und gut vernetzt sein.

Verdi rechnet damit, dass der Konflikt „noch für längere Zeit weiter schwelen werde", so der Leiter des Fachbereichs Handel bei Verdi Bayern, Hubert Thiermeyer. Dass sich die Auseinandersetzungen erneut bis in das Weihnachtsgeschäft hinziehen werden, sei „nicht unwahrscheinlich", so Thiermeyer. Es brauche einen langen Atem, um im Kampf um übliche deutsche Standards bei einem amerikanischen multinationalen Konzern voran zu kommen. Sollte Amazon die Hoffnung haben, dass den Beschäftigten dieser lange Atem schon irgendwann ausgehen werde, dann täusche sich das Unternehmen gewaltig.

"Die willkürliche und einseitige Festlegung von Löhnen und Arbeitsbedingungen und die Vielzahl befristeter Arbeitsverträge durch den Arbeitgeber stellt die Beschäftigten weitgehend rechtlos", sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger gegenüber der „ZEIT", die einen großen Artikel zum Arbeitskampf veröffentlichte.

Wachse und kämpfe: Ausdehnung der Verdi-Aktionen ins Ausland

Im März hatten Amazon-Mitarbeiter aus Deutschland den Streik französischer Kollegen mit einer Delegation unterstützt und dies in einem Film festgehalten. Die Delegation von Amazon-Beschäftigten aus Bad Hersfeld beteiligte sich im 140 Kilometer nördlich von Lyon gelegenen Versandzentrum bei Chalon-sur-Saône auch an Solidaritätsaktionen, bei denen neben Verdi auch die britische Gewerkschaft GMB und die polnische Gewerkschaft Solidarnosc ihre Kollegen der französischen Gewerkschaft CGT zum Durchhalten aufgefordert haben. Die französische Gewerkschaft fordert für die Amazon-Mitarbeiter laut Verdi Lohnerhöhungen, ein 13. Monatsgehalt sowie „transparente Entlohnungskriterien". Innerhalb weniger Monate legten die Angestellten dreimal die Arbeit nieder um zu demonstrieren.

Auch in den USA kam es zu Solidaritätsbekundungen und Besuchen – durch diese Form der Vernetzung versucht Verdi, Druck auf Amazon auszuüben. Die ausgefeilte Logistik ermöglicht es dem Unternehmen, Lieferverzögerungen (sofern nicht hausgemacht und willentlich herbeigeführt wie aktuell im Streit mit der Bonnier-Gruppe) durch den Versand der bestellten Produkte aus anderen Versandzentren zu kompensieren.

Die Streikenden behaupten, dass die flächendeckenden Streiks Verzögerungen bei der Auslieferung zur Folge hätten – zehntausende Päckchen sollen liegen geblieben, LKWs mit massiven Verzögerungen abgefahren sein. Amazon bestreitet dies traditionell.