E-Book-Eindruck-Codes müssen separat besteuert werden

Neue Steuerregeln für Bundle-Angebote setzen Verlage unter Zeitdruck

18. Juni 2014
von Börsenblatt
Das Bundesfinanzministerium hat neue Regeln zur Besteuerung von Bundle-Produkten festgezurrt, die viele Verlage unter Druck setzen dürften. Bis zum 1. Juli müssen sie klären, zu welchen Anteilen gedruckte und digitale Angebotsteile (E-Book-Codes) besteuert werden – mit sieben bzw. 19 Prozent Umsatzsteuer. Für das Geschäftsmodell "E-Book inside" ein Problem. Eine Analyse, ergänzt um Einschätzungen von Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang.
Der Koalitionsvertrag enthält zwar das Versprechen, dass sich die Bundesregierung für die Angleichung der E-Book-Umsatzbesteuerung an das Niveau der ermäßigten Besteuerung von gedruckten Büchern einsetzen will – aber im nationalen Rahmen sieht die Exekutive derzeit Handlungsbedarf bei der Besteuerung sogenannter Bundle-Angebote, die mit einem Buch zugleich den Zugang zu einem E-Book-Download anbieten.

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat deshalb eine neue Regelung zur Besteuerung von Bundle-Angeboten getroffen, die ab 1. Juli 2014 für alle Verlage bindend ist. Demnach muss die Besteuerung von Büchern, mit denen zugleich ein Zugang zu einer E-Book-Version vertrieben wird, gesplittet vorgenommen werden. Nach Auffassung des Ministeriums müssen die Teile eines Bundle-Angebots als eigenständige Leistungen betrachtet werden, auf die der jeweils geltende Umsatzsteuersatz angewandt wird.

Wird also beispielsweise ein Buch mit einem eingedruckten Zugangscode für die E-Book-Version angeboten, so ist das Buch mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent zu belegen, der Zugang zum elektronischen Verlagserzeugnis hingegen mit dem allgemeinen Steuersatz von 19 Prozent.

Diese in zwei Wochen faktisch in Kraft tretende Praxis (ab da endet auch die Frist für die Nichtbeanstandung) unterscheidet sich grundsätzlich von den Besteuerungsregeln für sogenannte Kombiprodukte: also Bücher, denen eine CD, eine CD-ROM, eine DVD oder ein Spielzeug beigelegt wird. Hier richtet sich die Anwendung des Umsatzsteuersatzes nach dem „charakterprägenden“ Bestandteil der Produktkombination:

  • Für ein Buch, dem Zusatztexte in digitaler Form auf einer CD beigefügt sind (Kombiprodukt), käme demnach der ermäßigte Umsatzsteuersatz zur Anwendung.
  • Wird ein Buch hingegen nach dem Modell „E-Book inside“ – also mit eingedrucktem E-Book-Code für den identischen Text – vertrieben (Bundle-Angebot), so müssten beide Leistungen als „eigenständig“ betrachtet werden und gesplittet besteuert werden – und zwar über alle Handelsstufen hinweg bis zum Endverbraucher.

Die neue Regelung stellt vor allem Verlage, die das Geschäftsmodell "E-Book inside" mit erheblichem Aufwand eingeführt haben, vor Probleme – schon wegen des großen Zeitdrucks.

Eine weitere Nuss, die es zu knacken gilt, ist die wertmäßige Bezifferung des Anteils, der als eigenständige elektronische Leistung zu betrachten ist. Wie viel ist der E-Book-Zugang wert? Dies dürfte überall dort ein Problem sein, wo der E-Book-Download "kostenlos" mitgeliefert wird, und die jeweiligen Leistungen nicht als Einzelprodukte (nur Buch, nur E-Book) erhältlich sind.

Das Bundesfinanzministerium gibt dazu nur den Hinweis, dass der "Gesamtverkaufspreis" nach einer bestimmten Vorschrift des Umsatzsteuer-Änderungsgesetzes (Abschnitt 10.1 Absatz 11 UStAE) oder nach einer anderen, sachgerechten Methode aufzuteilen sei.

Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang hat die positiven wie negativen Auswirkungen des BMF-Schreibens analysiert und in folgender Übersicht zusammengestellt:

Positive Effekte

  • Das BMF-Schreiben sorgt für Rechtssicherheit bei der Bundle-Problematik, die in der Vergangenheit für große Unklarheit gesorgt hatte und bei Steuerprüfungen zunehmend Gegenstand von Auseinandersetzungen geworden war.
  • Durch die zugleich getroffene Nichtbeanstandungsregelung wird klargestellt, dass jeglicher abweichende umsatzsteuerliche Umgang mit Bundles in der Vergangenheit nicht zu negativen steuerlichen Konsequenzen führen kann.
  • Die Anerkennung des Preisbestimmungsrechts des Verlags ist insbesondere in den Fällen hilfreich, in denen E-Books im Bundle mit dem gedruckten Buch deutlich günstiger angeboten werden als im Alleinverkauf. Das wird an folgendem hypothetischen Beispiel deutlich:
    gebundener Ladenpreis des gedruckten Buchs: 10 Euro (inkl. 7 % Mehrwertsteuer)
    gebundener Preis des E-Books: 10 Euro (inkl. 19 % Mehrwertsteuer)
    Preis des Bundles: 10 Euro für das gedruckte Buch, 2 Euro für den E-Book-Zugangscode (= 12 Euro)
    Umsatzbesteuerung des Bundles: 7 % aus 10 Euro plus 19% aus 2 Euro (statt 7% aus 6 Euro und 19% aus 6 Euro bei Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen)

    Durch diese Berechnungsmethode der Umsatzsteuer ergeben sich für bestimmte Verlage erhebliche wirtschaftliche Chancen, z.B. bei Abonnements von Fachzeitschriften, die im Bundle mit Zugangsrechten zum E-Journal vertrieben werden. Zu beachten ist allerdings, dass nach dem Wortlaut des BMF-Briefs die Berechnung nur dann zulässig ist, wenn es ein „gesondertes Entgelt“ für den elektronischen Bundlebestandteil gibt, was in der Praxis bislang eher selten ist. Es ist unklar, wie die Fälle behandelt werden sollen, in denen der Kunde für das Bundle einen Einheitspreis zahlt.

Negative Effekte

  • Ab dem 1. Juli 2014 dürfen ALLE gedruckten Bücher mit E-Book-Zugangscode nur noch mit gesplittetem Umsatzsteuersatz gehandelt werden.
  • Für den häufigen Fall, dass bei Bundle-Angeboten das E-Book kostenlos abgegeben wird, herrscht keine Klarheit, welcher Anteil des Kaufpreises mit 19 % zu versteuern ist. Verlage und Handel laufen hier ein erhebliches Risiko, dass die von ihnen gewählte Berechnungsmethode bei Steuerprüfungen auf Widerspruch stößt und ihnen dadurch Umsatzsteuernachforderungen drohen.
  • Die mit der Nichtbeanstandungsregelung für die Marktteilnehmer gewährte Phase der Rechtssicherheit ist viel zu kurz. Schon jetzt sind viele tausend Buch-Bundles ohne Barcode mit gesplittetem Umsatzsteuersatz im Markt. Bis die Verlage ihre Herstellungsprozesse und Buchhaltungsabläufe auf die Neuregelung umstellen können, werden viele weitere Titel hinzutreten. Hinsichtlich all dieser Produkte macht das BMF-Schreiben branchen- und deutschlandweit Verlage und Händler ab dem 1. Juli 2014 zu Steuersündern, ohne dass diesen ein angemessener Anpassungszeitraum für die Umstellung zur Verfügung stand.
  • Viele Verlage haben bei ihren Geschäftsmodellen auf Bundles mit E-Book-Zugangscodes gesetzt, die mit dem reduzierten Umsatzsteuersatz durchkalkuliert sind und mit erheblichen Investitionen in den Markt gebracht wurden. Diesen Verlagen und ihren Handelspartnern entsteht durch die Neuregelung ein unabsehbar hoher Schaden, ohne dass sie für dessen Abwendung eine ausreichende Frist hätten.
  • Nach der politischen Entscheidung der Bundesregierung für eine Einführung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf elektronische Verlagserzeugnisse durch die EU, um deren Details in Brüssel bereits gerungen wird, ist es kaum verständlich, dass bis zu deren Umsetzung in zunächst europäisches und sodann deutsches Recht eine administrativ hoch aufwändige nationale Regelung zur Gestaltung des auslaufenden Rechtszustands getroffen wird. Sinnvoll wäre gewesen, den bisherigen Rechtszustand bei Kombiprodukten bis zur Einführung der reduzierten Mehrwertsteuer für elektronische Verlagserzeugnisse für Bundles gelten zu lassen, womit auch der Markt gerechnet hatte.