Umfrage: Verzichten immer mehr Verlage auf hartes DRM?

Ade, Adobe?

3. März 2015
von Börsenblatt
Nicht nur Pottermore, Bastei Lübbe oder Hanser tun es: Auch der Verlag Hoffmann und Campe verzichtet seit Neuestem auf einen harten Kopierschutz (DRM) für seine E-Books – Voraussetzung ist, dass die Autoren dem Verlag im Einzelfall grünes Licht für das digitale "Wasserzeichen" geben. Im Buchhandel dürfte die Nachricht positiv aufgenommen werden. In einer Börsenblatt-Blitzumfrage wollten wir von Auslieferungen wissen, ob sie eine Trendumkehr erkennen können.

Hintergrund

Die derzeitige Lage ist schon paradox: Während Onlinehändler geschlossener Systeme wie Amazon und Apple auch E-Books von Verlagen, die keinen Kopierschutz einsetzen, ein hartes DRM verpassen, das im goldenen Käfig des Kindles oder von iTunes aber unsichtbar bleibt, müssen sich die Nutzer "offener" Systeme (etwa Besitzer von Android-Tablets, Sony-Readern, PocketBooks oder Tolinos) mit dem Kopierschutz von Adobe herumplagen. Buchhändler, die ohnehin über niedrige Margen im E-Book-Geschäft stöhnen, investieren viel Zeit in die Beratung und den technischen Support ihrer Kunden, verdient wird kaum etwas. Buchhändlern wie Christoph Paris (RavensBuch) René Kohl (kohlibri) und Susanne Martin (Schiller Buchhandlung) kritisieren die Gängelung zahlungsbereiter Kunden durch das harte DRM seit langem.

Verlage wie O'Reilly und Hanser leben es seit Längerem vor – und auch Macmillan verabschiedete sich vergangenes Jahr vom harten Kopierschutz.

65 Prozent der rund 2.200 deutschen Verlage bieten nach aktuellem Stand E-Books an, das geht aus der jüngsten E-Book-Studie des Börsenvereins hervor. Wie viele Verlage auf einen harten Kopierschutz verzichten, ist unklar. Anfang 2013 hatte lesen.net versucht, mit einer sogenannten "Weißen Liste" eine Übersicht über die Verlage zu bieten, die auf ein hartes DRM verzichten – bereits die Leserkommentare zeigten, dass diese Liste längst nicht vollständig ist.

Joachim Bachmann, Brockhaus/Commission Verlagsauslieferung (60 Verlage):

"Rund 90 Prozent der von uns betreuten Verlage haben bereits in der Vergangenheit, mit dem Start ihres digitalen Verlagsprogramms, auf das harte DRM verzichtet. Ihr Ziel war, den Kunden den Einkauf so einfach wie möglich zu gestalten, ohne aufwendige Registrierung bei Adobe. Vielmehr wurde an die Ehrlichkeit der Käufer appelliert, den gekauften digitalen Content nicht weiter zu verbreiten."

 

Mike Röttgen, Vertriebsleiter VVA – arvato (ca. 80 Verlage / Imprints):

"Grundsätzlich spüren wir auch, dass das Thema in den Verlagen diskutiert wird. Dass hartes DRM als nicht kundenfreundlich eingestuft wird, wird durchaus von den Verlagen so wahrgenommen. Und die Diskussion um den Adobe Contentserver 5 (ACS5), der nicht abwärtskompatibel mit dem ACS4 ist, hat die Diskussion extrem angefacht und die Überlegungen, ob hartes DRM noch sinnvoll und zeitgemäß ist. Die grundsätzliche Diskussion ging dann aber weiter, obwohl Adobe einen Rückzieher gemacht hat. Wir als Dienstleister müssen eben grundsätzlich dazu in der Lage sein und das sind wir mit unserer Auslieferungsplattform BIC media."

Verena Becker, Umbreit:

"Alle Verlage, die derzeit den Service unserer digitalen Verlagsauslieferung nutzen, haben sich von Anfang an gegen ein hartes DRM und für das digitale Wasserzeichen entschieden. Hartes DRM ist nicht anwenderfreundlich. Der überwiegende Teil aller Supportanfragen bei E-Books bezieht sich auf das DRM. Daher begrüßen wir es sehr, dass sich unsere Verlagskunden von Anfang an dagegen entschieden haben und in anderen Verlagshäusern nun offensichtlich ein Umdenkungsprozess beginnt."

Philip Roeder, Leitung Kundenservice, Leitung KN digital Vertrieb (50 Verlage / Imprints):

"Tatsächlich experimentieren alle Publikumsverlage mit dem Einsatz von Watermarks (Wasserzeichen), insbesondere bei neu ins Leben gerufenen E-Book-only-Angeboten. Dabei orientieren sich die Verlage an den Kundenwünschen, aber auch die Kosten für das harte DRM werden zunehmend kritisch gesehen. Ansätze zum Verzicht sind insofern bei Verlagen und Händlern durchaus erkennbar.

Die Anzahl der mit weichem Schutz oder frei von DRM ausgelieferten Produkten spiegelt diesen Trend allerdings noch nicht wieder: Einerseits schreiben ältere Verlagsverträge, insbesondere jene mit internationalen Agenturen, oftmals hartes DRM vor, andererseits ist für den Konsumenten oft gar nicht transparent, ob und wie die von ihm erworbenen Produkte innerhalb der geschlossenen Ökosysteme der großen E-Book-Anbieter geschützt sind."