Glückwunsch

Zum 80. Geburtstag: Elf Fragen an Dieter Wallenfels

7. Juli 2014
von Börsenblatt
Dieter Wallenfels, Preisbindungstreuhänder der Verlage und Seniorpartner in der Wies­badener Kanzlei Fuhrmann Wallenfels, wird heute, am 7. Juli, 80 Jahre alt. Welchen Prozess würde er für die Branche gerne noch führen? Das verrät er in einem ganz besonderen Fragebogen, den ihm boersenblatt.net zum Geburtstag geschickt hat.

Sind Buchhändler und Verleger für einen Juristen eine sehr spezielle Klientel?

Wallenfels: Ja, in vielerlei Hinsicht und nicht ungefährlich für Anwälte, weil sie wegen ihrer Sympathie für diesen Berufsstand leicht in Gefahr geraten, die Distanz zu verlieren, die der Anwalt zur optimalen Vertretung der Interessen seiner Mandanten halten sollte.

Welchen Prozess würden Sie für die Branche gern noch führen?

Wallenfels: Einen Rechtsstreit, der Amazon, Google & Co. beim Versuch, den Buchmarkt zu dominieren, in die Schranken weist und zu dem Ergebnis kommt, dass Regelungen, die dies bewirken, Wettbewerb nicht verhindern, sondern im Gegenteil überhaupt erst gewährleisten.

Und was war der wichtigste Prozess, den Sie bislang für die Branche geführt haben?

Wallenfels: Von der wirtschaftlichen Bedeutung her gesehen, war es vielleicht der erste nach Inkrafttreten des Buchpreisbindungsgesetzes entschiedene Grundsatzprozess. Dabei ging es um die Frage, ob die öffentliche Hand, hier das Land Berlin, bei Einhaltung selbst gesetzter Zahlungsziele Skonto verlangen kann. Der Bundesgerichtshof entschied, dass die gebundenen Ladenpreise sofort zu entrichtende Preise, also Barzahlungspreise sind. Das hat dem Buchhandel schmerzhafte Margenkürzungen erspart. Wichtig war auch die Feststellung in diesem Prozess, dass das Land Berlin, wohl nicht Normadressat des Gesetzes, zu Recht verklagt wurde, weil das Gesetz nicht nur die Buchhändler verpflichtet, sondern auch deren Kunden: Die begehen nämlich eine unerlaubte Handlung, wenn sie im Wissen um die Buchpreisbindung Buchhändler zu einem Verstoß veranlassen wollen.

Hätten Sie sich manchmal gewünscht, auf dem Platz des Richters zu sitzen?

Wallenfels: Ja, natürlich, weil man nicht ohne Weiteres erwarten kann, dass ein Richter mit den Besonderheiten des Buchmarktes mit einer so einzigartigen Ware vertraut ist. Im Großen und Ganzen aber kann der Buchhandel mit der Rechtsprechung zur Buchpreisbindung sehr zufrieden sein, übrigens auch mit der des Europäischen Gerichtshofes, der den Nationalstaaten bei der Buchpreisbindung weitere Freiräume zubilligt, als sie der deutsche Gesetzgeber bisher genutzt hat. Die Franzosen sind da mutiger.

Das EU-Recht macht Preisbindungsfragen hochkomplex. Wäre der Buchmarkt ohne Brüssel ein Paradies für Preisbindungstreuhänder?

Wallenfels: Ein Paradies wohl nicht, weil auf regulierten Märkten immer Marktteilnehmer versuchen werden, bis an die Grenze der Legalität oder auch darüber hinaus zu gehen. Ich denke an die zahlreichen Versuche der jüngsten Zeit, durch Gutschein-Aktionen, Gewinnspiele oder Provisionsversprechen Kunden an sich zu ziehen und Marktvorteile zu gewinnen. Glücklicherweise konnte dieser Preiswettbewerb durch die Hintertür, der vor allem im Online-Handel stattfand, mit gerichtlicher Hilfe unterbunden werden.

Was war, was ist die größte Gefahr fürs Buch und den festen Ladenpreis?

Wallenfels: Das Bundeskartellamt hat einmal formuliert, die Preisbindung werde der Branche als Paket angeboten, das Privilegien mit Beschränkungen verbindet. Die Preisbindung kennt kein "sowohl als auch". Wenn diese Einsicht schwindet, könnte das eintreten, wovor Bundestagspräsident Lammert mehrfach gewarnt hat: dass die Buchbranche von einem bei Büchern im Vergleich zu anderen Artikeln höheren Sympathiebonus profitiere, dieser sich aber aufbrauchen lasse, wenn die Branche sich allein von ökonomischen Kalkülen leiten lasse.

Über das Buch hinausgedacht: Für welche Produkte müsste man die Preisbindung unbedingt einführen?

Wallenfels: Sensible Güter wie Arzneimittel sind ja bereits gesetzlich preisgebunden, sogar grenzüberschreitend. Ich finde es aber zum Beispiel schade, dass buchnahe Produkte wie Kalender und Hörbücher nicht der Preisbindung unterliegen.

Hand aufs Herz: Haben Sie jemals ein Mängelexemplar gekauft - ob echt oder unecht?

Wallenfels: Ja, klar: für mich persönlich, wenn es echte Mängelexemplare waren, und als Beweismittel, wenn es galt, gegen den verbilligten Verkauf "gemängelter" Bücher oder solcher vorzugehen, die gar keine Mängel haben.

Was macht ein Preisbindungstreuhänder, wenn er mal nicht mit der Preisbindung beschäftigt ist?

Wallenfels: Ich bin ja als Anwalt noch in anderen Rechtsgebieten tätig, im Medienrecht allgemein oder im komplizierten Erbrecht zum Beispiel, und genieße privates Leben mit Familie und Freunden, pflege eine Schwäche für gutes Essen und die exzellenten Weine der jungen deutschen Winzergeneration, liebe Arbeit im Garten und Ferien in unserem Bauernhaus in einem Bergdorf auf dem Peleponnes.

Können Sie ein Buch lesen, ohne an die Arbeit zu denken - und: Was lesen Sie gerade?

Wallenfels: Ja, ohne Probleme. Lektüre derzeit parallel Dagmar von Gersdorff "Goethes Enkel", Volker Weidermann "Ostende", Jojo Moyes "Weit weg und ganz nah."

Bleibt an Ihrem Geburtstag Zeit zum Lesen - zumindest der Zeitung?

Wallenfels: Da ich in dieser Zeit in Südtirol im Urlaub bin, eher keine Zeitung, aber vielleicht ein Dolomiten-Wanderführer.