Interview zum Wettbewerb "Arena Digital"

"Den Markenkern zeigen"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Wie lässt sich Digitales sichtbar machen? Dazu hat das Forum Zukunft des Börsenvereins einen Wettbewerb ausgelobt. Messebauerin Andrea Walburg (imb:Troschke) sitzt in der Jury – und hofft auf Konzepte, die ohne Monitor auskommen.

Das Forum Zukunft des Börsenvereins sucht über einen Wettbewerb innovative Prototypen zur "Sichtbarmachung digitaler Inhalte". Mit welcher Erwartungs­haltung werden Sie die Beiträge als Jurymitglied sichten?
Walburg: Ich bin gespannt auf die Jury­arbeit, weil ich an neuen Ideen und anderen Denkansätzen immer sehr interessiert bin. Vor allem, wenn es den Wettbewerbsbeiträgen gelingt, Kommunikationskanäle gekonnt zu vernetzen, ohne dabei die Bindung zur Marke oder zum Produkt zu vernachlässigen.

Webdesign, Messebau, künstlerische Beiträge: Was für Ideen würden Sie sich denn wünschen?
Walburg: Da möchte ich mich ungern festlegen – eben, weil es darum geht, Scheuklappen abzulegen und ganz neue Ideen zu ent­wickeln. Aber so viel sei verraten: Auf jeden Fall würde ich mir Konzepte jenseits einer reinen Produkt­präsentation wünschen. Für mich geht es bei diesem Wettbewerb jedenfalls nicht um neue Systeme für Messestände.

Warum ist die Inszenierung von Bildschirmprodukten eigentlich so schwierig?
Walburg: Weil zum Beispiel gerade eine Messe vom persönlichen Kontakt lebt und das Über­tragen von Informationen in medialer Weise nur als Impuls eingesetzt werden kann. Das klingt zunächst wie ein Widerspruch – bringt aber genau die Herausforderung der Zukunft mit sich. Wir müssen lernen, digitale Inhalte zu filtern und messegerecht zu kommunizieren.

Als Messebauerin begleiten Sie auch die Frankfurter Buchmesse. Sind Sie zufrieden mit den digitalen Präsenta­tionen, die dort zu sehen sind?
Walburg: Die Frage ist doch: In welchem Umfang brauchen wir überhaupt digitale Präsentationen bei der Buchmesse? Messeauftritte, denen es gelingt, das Allein­stellungs-merkmal eines Unternehmens darzustellen, ohne ein Produkt zu zeigen, finde ich extrem spannend. Natürlich liegt darin viel Grund­lagenarbeit, weil man die Positionierung im Markt herausarbeiten und strategisch adressieren muss. Ich glaube, da ist noch ganz viel zu tun. Das wird vor allem die Art der Messekommunikation in den nächsten Jahren stark verändern.

Das heißt, es geht gar nicht darum, Monitore aufzustellen?
Walburg: Genau so ist es. Stellen Sie sich vor, man würde den Verlagen sagen: Präsentiert euch auf der Buchmesse – aber bitte ohne ein einziges Buch. Dann müsste sich jeder Verlag sehr genau fragen, wofür er eigentlich steht, welche Botschaft er seinen Lesern vermitteln will – ­unabhängig vom einzelnen, konkreten Produkt. Ein solches Gedankenspiel macht deutlich, worum es in Zukunft gehen wird.

Gibt es ein Benchmark-Beispiel, bei dem Sie sagen: toll gemacht vom Verlag?
Walburg: Es gibt einige Aussteller, die beim Messeauftritt neue Wege gehen, um ihren Markenkern darzustellen. Kein & Aber hat das sehr schön umgesetzt und Axel Springer hat die Kampagne "Die Welt gehört denen, die neu denken" authentisch mit einem neuen Denk­ansatz präsentiert. Wir sprechen hier von einem tiefgreifenden Kulturwandel, der noch einige Jahre brauchen wird. Viele Verlage sind perfekt im Netz­werken, aber bei der strategischen Planung sind noch Hausaufgaben zu machen.

Sie selbst setzen mit Ihrem Unternehmen Hauptversammlungen von Firmen ebenso in Szene wie Messeauftritte - und formulieren das Ziel, "emotionale Erlebnisräume" zu schaffen. Wie kommen die Emotionen ins Spiel - und beim Betrachter auch an?
Walburg: Man kann schon mit kleinen Dingen Effekte erzielen um den Betrachter von der Sach- auf die Gefühlsebene zu bringen. Oftmals fehlen kleine Geschichten zu einem Produkt, die es dann in einem anderen Licht erscheinen lassen. Dabei können Materialien, Farben und der richtige Einsatz von Licht durchaus förderlich sein. Selbstverständlich polarisiert man immer mit Inszenierungen. Deswegen ist die detaillierte Zielgruppenbetrachtung auch so extrem wichtig.

Erlebniswelten sind auch ein Stichwort, das im Buchhandel immer wieder fällt. Sind Buchhandlungen so, wie sie heute aussehen, für Sie "emotionale Erlebnisräume"? Oder lässt sich da was besser machen?
Walburg: Teils, teils. Da ist ein Umbruch spürbar. Einige gehen bereits neue Wege, die ich für absolut zukunftsfähig halte. Ein Vorzeigebeispiel ist für mich zum Beispiel der Concept Store des Gestalten Verlags im Berliner Bikini-Haus. Das ist ein Laden, der perfekt zu Berlin, zur dortigen Designszene passt – kurzum: der seine Zielgruppe ernst nimmt und ihr etwas bietet, das sie im Netz nicht findet. Das muss der Ansatz für alle Buchhandlungen sein, ob klein oder groß, ob auf dem Land oder in der Stadt. Ich bin mir sicher, dass es für viele ein anstrengender Weg werden wird. Aber sie werden ihn beschreiten müssen.

Werfen Sie für uns einen Blick über den Tellerrand: Sind andere Branchen schon weiter, wenn es darum geht, neben den physischen auch digitale Produkte auf Messen, Konferenzen oder im stationären Handel zu präsentieren?
Walburg: Das Thema treibt alle Branchen um und meines Erachtens hat noch keiner die richtige Lösung gefunden. Digitale Produkte werden auch digital vertrieben und digital konsumiert. Die Frage ist doch daher, wie kommuniziert man die Inhalte des Produktes, bzw. das, was es kann, an die jeweilige Zielgruppe und macht das Produkt begehrenswert - und das in immer kürzer werdenden Lebenszyklen von Produkten? Und hiermit schließt sich wieder der Kreis zu Ihrer ersten Frage. Deswegen wird der Wettbewerb ja so spannend.

 

Der Wettbewerb


Wie können Buchhandlungen und Verlage Erlebniswelten für digitalen Content schaffen? Antworten sucht das Forum Zukunft des Börsenvereins im Ideenlabor »Arena digital« auf der Crowd-
sourcing-Plattform jovoto (https://arenaforbooks.jovoto.com/). Gefragt: innovative Prototypen von Designern, Messebauern, Gestaltern und anderen Kreativen (Laufzeit: 16. Juli bis 24. August).

Eine Jury wählt die besten Ideen aus. Sie werden auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober präsentiert. Zur Jury gehören:

  • der Berliner Designer Werner Aisslinger,
  • Peter Haag, Verleger von Kein & Aber,
  • Tobias Schmid, Leiter E-Commerce der  Osianderschen Buchhandlung, Tübingen,
  • Matthias Wagner K, Direktor des Frankfurter Museums für Angewandte Kunst
  • Andrea Walburg, Inhaberin und Geschäftsführerin imb:Troschke, Messearchitektur & Messemanagement, Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt

Die "Sichtbarkeit des Digitalen" ist das Jahresthema 2014 des Forum Zukunft. Es wird auf mehreren Ebenen bespielt, von einer Session auf der re:publica im Juni bis zu Workshops auf der E-Publish Berlin und im Literaturarchiv in Marbach. "Arena Digital" ist das zentrale Projekt.