Börsenvereins-Wettbewerb "Arena Digital"

"Der Labor-Charakter überzeugt"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Das Forum Zukunft des Börsenvereins sammelt auf der Crowdsourcing-Plattform Jovoto derzeit frische Ideen, um das Digitale sichtbar zu machen. Zur Halbzeit lagen 80 Wettbewerbsbeiträge aus 20 Ländern vor. Was halten Sie von den Vorschlägen - und vom Wettbewerb? boersenblatt.net hat bei Buchhändlern und Verlegern nachgefragt.

Nichts ist unmöglich, zumindest in Dietmar Daths neuem Roman "Feldevaye" (Suhrkamp): Die künftige Menschheit zapft ihr Super-Internet quasitelepathisch über Hirnchips an und sendet sich den Inhalt ganzer Bücher direkt in die grauen Zellen.

Ganz so weit sind wir noch nicht: Obwohl die Digitalisierung rasante Transformationsprozesse in der Branche antreibt, harrt ein Grundproblem noch immer der Lösung: Wie lassen sich digitale Angebote im physischen Raum präsentieren; im Handel, auf Messen, bei Konferenzen und Lesungen? Das Ganze möglichst günstig, technisch leicht einsetzbar und dezent – Buchhandlungen, die als bessere Elektronikfachmärkte daherkommen, wünscht sich wohl keiner.

Wirklich innovative Lösungsansätze sind rar – quer durch alle Branchen. Genau hier setzt der vom Forum Zukunft im Börsenverein gestartete Wettbewerb „Arena digital“ an. Industriedesigner, Innenarchitekten, Messebauer und andere Kreative sind aufgerufen, zukunftsweisende analoge Erlebniswelten für digitale Inhalte zu entwerfen. Zur Halbzeit des Wettbewerbs sind bereits mehr als 80 Einreichungen aus 20 Ländern auf der Crowdsourcing-Plattform Jovoto eingegangen – vom haptischen "Platzhalter" fürs Elektro-Buch bis zu komplexen, interaktiven Präsentationen (mehr dazu hier).

Wie kommt der Wettbewerb in der Branche an? Vier Einschätzungen.

Steffen Meier, Readbox

"Die Herausforderungen, vor die der digitale Wandel gerade das klassische Sortiment stellt, sind immens; sie reichen von der Partizipation am Markt über geeignete Technologien bis zur adäquaten Präsentation. Insofern finde ich jede Initiative gut, die diesen Wandel begleitet.

Die sprichwörtliche Buchhandlung an der Ecke kann solche Projekte kaum allein stemmen – wir müssen das als Branche gemeinsam angehen. Was mich nach der ersten Durchsicht der bislang eingereichten Ideen begeistert hat, ist die enorme Kreativität der Teilnehmer: Sie hat schon jetzt den Projektrahmen gesprengt – aber in eine unerwartet sympathische Richtung. Das geht bis zur Frage, wie digitale Produkte der Zukunft aussehen können – und bietet auch für uns jede Menge spannenden Input."

Simone Dalbert, Buchhandlung Schöningh, Würzburg

"Als Buchhändlerin bin ich sehr gespannt auf die Ergebnisse von "Arena digital". Die Möglichkeiten, die wir momentan zur physischen Präsentation digitaler Inhalte haben (Plakate, Downloadkarten, Postkarten...) sind leider noch sehr begrenzt. Ich wünsche mir, dass eine Idee gefunden wird, die auch im kleinen, unabhängigen Sortiment anwendbar ist.

E-Books sind für uns noch kein großer Umsatzbringer, die finanziellen Möglichkeiten, um für sie zu werben, sind eingeschränkt und der kleine Sortimenter kann sich oft nicht die Lösung leisten, die vielleicht für große Ketten umsetzbar wäre. Aber natürlich wollen auch wir E-Books sichtbar machen, zeigen, dass es sie überhaupt bei uns gibt! Noch immer denken viele Kunden beim E-Book-Kauf nur an Online-Shops - und viel zu selten an den Händler vor Ort.

Leider sind bei den bereits eingegangen Ideen sehr viele nicht für den Buchhandel anwendbar. Viele Einreichungen wollen das E-Book erlebbar machen, es geht um das Leseerlebnis, nicht um die Präsentation. Manche der Ideen sind wohl nur auf Messen zu realisieren, aber nicht im stationären Handel. Einige Beiträge haben aus meiner Sicht durchaus Potenzial.

Vielen steht das harte DRM im Weg, das leider immer noch die meisten E-Books mitbringen und Buchhändler wie Leser unnötig ärgert. Hier hoffen wir auf ein Umdenken - dann findet sich vielleicht auch ein Weg, digitale Arenen in Buchhandlungen zu errichten."

Armin Gmeiner, Gmeiner Verlag

"Als Verlag, der bereits einen relativ großen Anteil an E-Books im Programm hat, müssen wir uns natürlich Gedanken darüber machen, wie wir digitale Produkte sichtbar und erlebbar machen wollen.

Bislang gibt es dafür erst bescheidene Erfahrungswerte, wir stehen wohl an einem ähnlichen Umbruch wie nach der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg. Die größte Herausforderung ist aus meiner Sicht, ob wir es schaffen, geeignete Präsentationsmöglichkeiten für den stationären Buchhandel zu finden – er wird auf lange Sicht nur existieren können, wenn er auch das digitale Inhalte so phantasievoll in Szene setzen kann wie er es seit jeher mit gedruckten Büchern tut. Ich finde es toll, dass bei "Arena digital" ohne Scheuklappen in alle Richtungen gedacht wird. Wir werden überrascht sein, was noch alles kommt."

Marlies Hebler, Bookwire 

"Mich überzeugt der Labor-Charakter des Unternehmens. Man wird das Dilemma, dass bestimmte Inhalte einzig im digitalen Raum existieren und nicht mehr haptisch erlebbar sind, nicht mit einer einzigen zündenden Idee auflösen können – das ist ja ein Thema, das den gesamten Handel weltweit treibt.

Im klassischen Buchhandel schwingt dabei wohl noch die Befürchtung vor einer Überfrachtung mit Displays und Geräten mit. In ihrer Gesamtheit erzeugen die Wettbewerbsbeiträge aus meiner Sicht eine enorme Dynamik; gerade der Umstand, dass unterschiedlichste Ansätze und Herangehensweisen ein Forum bekommen, macht „Arena digital“ relevant.

Eigentlich sollte man den Wettbewerb in eine längerfristig angelegte „Werkstatt“ überführen. Toll finde ich den Ansatz, über den eigenen Tellerrand zu blicken und auch Branchefremde zum Mittun zu animieren. Mein Favorit? Das Bookshelf 2.0 – sehr schlank, sehr überzeugend!"

Diskutieren Sie mit: Hier auf boersenblatt.net und auf Jovoto, wo die eingereichten Konzepte schon lebhaft kommentiert werden.