Longlist zum Deutschen Buchpreis 2014

Stimmt die Jurywahl?

3. März 2015
von Holger Heimann
Jahr für Jahr löst die Jurywahl der 20 besten deutschsprachigen Romane Debatten aus. Welches Buch fehlt? Und welcher Roman gehört im Gegenzug nicht auf die Liste? Die mit der Präsentation der Longlist einsetzende Diskussion ist wie selbstverständlich mit dem Deutschen Buchpreis verbunden, geschadet hat sie ihm bislang nicht.

Doch noch nie gab es größere Zweifel an der Auswahl als in diesem Jahr, da die Auszeichnung zum zehnten Mal vergeben wird – zumindest im Feuilleton. Eine ganze Reihe von  Autoren und Büchern vermissen die Kritiker von „FAZ“ bis „taz“. Und manch ein Buchhändler tut das auch.

Sabeth Vilmar vom Berliner Georg Büchner Buchladen am Kollwitzplatz gehört zu denen, die mit den Nominierten nicht einverstanden sind. Und sie hat keine Mühe, die ihrer Ansicht nach fehlenden Autoren aufzuzählen: Robert Seethaler, Judith Hermann, Michael Kleeberg, Sherko Fatah, Regina Scheer. Allesamt Schriftsteller, deren Bücher in der aktuellen Saison erschienen sind, die zumindest zum Teil (Seethaler, Kleeberg) begeistert besprochen wurden. Die Jury hingegen hat die Frühjahrstitel alles in allem als stärker eingeschätzt als die neuen Bücher des Herbstes, auch und gerade solche, die bislang weniger beachtet wurden. Das jedoch stört Vilmar nicht, schließlich sei es ein Preis, der die Produktion eines gesamten Jahres bewerte. Dennoch sagt sie: „Ich schließe mich der Kritik an. Wir hier im Buchladen sind erstaunt, wir hätten anders entschieden. Zum Teil wurden doch sehr ausgefallene Titel nominiert“, beklagt sie. Schon im vergangenen Jahr war die Buchhändlerin mit der Auswahl unzufrieden: „In meinen Augen ist es ein Publikumspreis. Das wird manchmal vergessen. Es geht doch darum, die Bücher auch verkaufen zu können.“ Vilmar plädiert deshalb für mehr Buchhändler in der Jury (in diesem Jahr sind es neben fünf Kritikern zwei Sortimenter) und hofft dadurch auf eine Auswahl, die sich den Kunden besser vermitteln lasse.

 

 

Michael Lemling von der Buchhandlung Lehmkuhl in München ist ganz anderer Ansicht: „Ich habe mich maßlos geärgert über die Kritik.“ Man könne immer fragen, warum ein Titel nominiert worden sei und ein anderer dagegen nicht. Aber es sei vermessen, aufzuzählen, was man selbst vielleicht vermisst. Manch ein Verleger, sagt Lemling amüsiert, ist immer der Meinung, dass sämtliche Titel aus seinem Programm nominiert werden müssten. Der Münchner Buchhändler sieht das gelassener: „Es fehlen immer Romane auf der Auswahlliste. Es ließe sich Jahr für Jahr noch eine zweite Longlist erstellen. Ich sehe kein Versagen der Jury.“ Lemling sagt aber auch, dass er noch nicht genug gelesen hat. Das will er nachholen, während er gespannt auf die Shortlist wartet, die am 10. September bekannt gegeben wird.

 

Der Kölner Buchhändler Klaus Bittner, der wie Lemling vor Jahren selbst Mitglied der jährlich wechselnden Jury war und sich an das immense Lesepensum erinnert, sagt bestimmt: „Man muss diese Entscheidung respektieren. Vorbehaltlos.“ Wenn Bittner über die Erfindung des Deutschen Buchpreises vor zehn Jahren nachdenkt, gerät er ins Schwärmen. Die Auszeichnung für den besten Roman habe die deutschsprachige Literatur in den Fokus gerückt und aufgewertet. Ablesen lasse sich das im Ausland an der Zunahme von Übersetzungen aus dem Deutschen, aber auch an einer neuen „unglaublich lebendigen Literaturszene“ hierzulande. Wer in diesem Jahr den Preis für den besten deutschsprachigen Roman gewinnt und damit zu einem der Magneten der Messe und meistbeachteten Autoren des Jahres wird, ist am 6. Oktober zu erfahren.