Interview

"Mich interessieren Projekte, die im Print komplett denkunmöglich sind"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Christiane Frohmann (Frohmann Verlag) spricht im Interview mit boersenblatt.net über die Aufbruchstimmung unter E-Book-only-Verlegern und das Bohren dicker Visibility-Bretter. Einen Artikel über Digitalverlage und weitere Themen lesen Sie im Spezial E-Books & Neue Medien, das am 4. September als Börsenblatt 36 erscheint.

Im "Freitag" schrieben Sie kürzlich von regelrechter „Aufbruchstimmung" unter E-Book-Verlegern – gilt das auch für den Frohmann Verlag?Das mit der Aufbruchstimmung stammt ursprünglich von Zoë Beck – das Zitat wurde weggekürzt – aber wir fühlen das tatsächlich alle. Ökonomisch ist das Ganze immer noch nicht unbedingt ein Traum, was aber auch daran liegt, dass ich bei Frohmann sehr spezielle Themen bearbeite. Würde ich Genre-Literatur machen... Ich glaube, ich wüsste, wie man mit E-Books Geld verdient. Aber es ist eine ästhetische, fast schon politische Entscheidung, sich den neuen Literaturen im und um das Netz und einer neuen Art der Kulturwissenschaft zu widmen. Wobei ich eine über den Verlag hinausgehende Mischkalkulation betreibe. Also nicht: Katzenkalender produzieren, damit man sich die anspruchsvolle Literatur leisten kann. Ich finanziere den Verlag im Moment durch Vorträge und Beratungs-Dienstleistungen rund ums E-Book. Letztlich habe ich in den zurückliegenden vier Jahren vor allem sehr viel Zeit damit verbracht, das Feld zu bestellen, zu erklären: Was sind überhaupt E-Books? Was lässt sich mit ihnen machen? Anfangs konnte man gar nicht gesehen werden außerhalb der Filterblase. Das beginnt zum Glück, sich zu ändern.

Es besteht ein auffälliges Missverhältnis zwischen der allgemeinen Berichterstattung über die jungen elektrischen Verlage, ihrer Wahrnehmung als Phänomen – und der Wahrnehmung einzelner Projekte...Das war zu Beginn schmerzlich für uns, dann haben wir uns alle ein Stück weit mit diesen Meta-Interviews arrangiert. Das Problem ist, dass man über dem diskursiven Hype Gefahr läuft, seine eigentliche Arbeit zu vernachlässigen. Neulich sagte mir ein befreundeter Autor: Hey, Christiane – jetzt hör doch mal auf, immer nur drüber zu reden! Mach' doch mal wieder was Visionäres! Er hat recht: Eigentlich interessieren mich Projekte, die im Print komplett denkunmöglich sind. Tatsächlich habe ich aber lange kein E-Book mehr gemacht, von dem man das behaupten könnte. Jetzt geht es darum, das Mischungsverhältnis neu zu justieren. Man darf nicht vergessen, warum man mal angetreten ist.

Wo sehen Sie Ihren Verlag in fünf Jahren?
Der Verlag ist kein Startup, das Investoren anlocken soll, daher auch der Name. Wenn es sich totlaufen sollte, werde ich den Stecker ziehen. Ich bin aber relativ guter Hoffnung, dass ich mit der Zeit das Verlegen wirtschaftlich kriege; dass meine Arbeit und die der zuarbeitenden Dienstleister sich trägt. Ein Bombengeschäft wird es niemals werden, dafür müsste ich mein Programm komplett ändern. Aber ich bin überzeugt, dass es zwischen klassischem Verlegen und Self-Publishing einen Platz gibt, ja, geben muss. Wir kleinen Digitalverleger füllen heute eine ähnliche Rolle aus wie die jungen Print-Independents, die sich um 2000 aus der Deckung wagten. In fünf Jahren werden wir noch ein bisschen professioneller sein, in jenen Bereichen, in den wir alle Neuland betreten haben. Hoffentlich werden wir dann auch kommerziell erfolgreich sein. Die Backlist wird ja zukünftig größer sein, was wirtschaftlich wichtig ist: Sie ist das, was uns ernähren kann. Bei E-Book-Verlagen ist die Backlist eigentlich mehr eine List, denn unsere Titel verschwinden ja nicht aus den Shops. Und sonst? Ich hoffe, dass es sich immer noch genau so gut anfühlen wird wie jetzt.

Interview: Nils Kahlefendt

 

Die Autorin und E-Book-Theoretikerin Christiane Frohmann gründete 2011 den E-Book-Verlag eriginals berlin, 2012 den Frohmann Verlag. Sie ist Mitbegründerin des E-Book-Network Berlin (2013) und eine der Gründerinnen und Kuratorinnen der Electric Book Fair.