Weckruf an die Verlage auf der Frankfurter Buchmesse

The Beauty and the e-Book

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Neben schönen gedruckten Büchern, die etwa die Stiftung Buchkunst präsentierte, ging es auf der Frankfurter Buchmesse auch um preiswürdige, schöne E-Books: Erstmals vergeben wurde, wie berichtet, der Deutsche eBook Award − gedacht auch als Weckruf an die Verlage. 

Wenn Sie diese Zeilen lesen, sitzt Andreas Konrad Huber bereits wieder in seiner Klasse am Karl-von-Closen-Gymnasium im niederbayrischen Eggenfelden. Am Buchmesse-Mittwoch hatte er von seinem Direktor schulfrei bekommen − um in Frankfurt den Deutschen eBook Award abzuholen, den ersten deutschsprachigen Preis für Buchkunst im digitalen Raum. In Sachen Zukunftsplanung bleibt der 17jährige erstaunlich gelassen: "Ich mach' in zwei Jahren erst mal Abi", schmunzelt er. "Und dann: schaumermal."

Ausgezeichnet wurde Huber in der Kategorie "Enhanced e-Books" für sein Buch "Physik 7", das einzige Lehrbuch, das es auf die Shortlist geschafft hatte. Ein halbes Jahr hat er daran gearbeitet; nach "Physik 8" ist es bereits das zweite Werk, das er − learning by doing − mit iAuthor erstellt hat. Nach Meinung der Jury hat Huber damit die Möglichkeiten des zugrunde liegenden Mediums am weitesten ausgereizt; alle Effekte und dynamischen Visualisierungen, von Bildergalerien, Videos bis zu interaktiven Widgets konsequent in den Dienst der didaktischen Vermittlung gestellt. "Ich würde jedem Schulbuchverlag in Deutschland ans Herz legen, sich diesen Titel sehr genau anzuschauen", meinte Juror Fabian Kern. "Was hier ein Selfpublisher vorgelegt hat, legt die Latte im Bereich didaktischer Inhalte schon sehr, sehr hoch."

Fast symptomatisch, dass auch in der zweiten Kategorie (e-Book Apps) kein klassischer Verlag, sondern eine aus dem TV-Bereich kommende Produktionsfirma die Nase vorn hatte: Mit "Carl Lutz – Der vergessene Held" hat DOCMINE (Zürich/München) dem Schweizer Diplomaten Carl Robert Lutz, der im II. Weltkrieg 62.000 Juden vor dem Tod in der Gaskammer rettete, ein multimediales Denkmal gesetzt: Visual Storytelling in schlichter, effektiver Eleganz.

Der vom Blogger und Buchwissenschaftler Robert Goldschmidt initiierte Deutsche eBook Award, für den insgesamt 62 Projekte eingereicht wurden, ist eine jener Initiativen, die eigentlich in der Luft liegen − aber jemanden brauchen, der sich ihrer annimmt. "Man kann endlos reden, durch alle Instanzen gehen – oder ein Signal setzen", sagt Juror Steffen Meier vom AKEP. "Genau darum ging's! Es wäre schön, wenn der Preis auch als Weckruf an die Verlage verstanden würde, nicht nur Printprodukte zu digitalisieren, sondern neue Wege zu wagen." Das Publikumsinteresse an der Premiere war enorm, gut möglich, dass sich der Preis im kommenden Jahr an prominenterer Stelle präsentiert – mit weiteren Partnern. Erste Gespräche, etwa mit der Stiftung Buchkunst, soll es bereits gegeben haben.

Um Weckrufe, die Anregung zum Diskurs über vorbildliche Buchgestaltung im marktwirtschaftlichen Kontext ging es auch am Stand der Stiftung Buchkunst. "Wir wollen zeigen, was das physische Buch in Zeiten des digitalen Wandels kann", so Karin Schmidt-Friderichs, Vorsitzende der Stiftung. Auf traditionell großer Bühne in Halle 4.1. gab es neben Freihandausstellungen der "Schönsten" aus aller Welt und aus Deutschland messetäglich Diskussionsrunden mit Verlegern und Buchgestaltern. Jury-Mitglieder wie Alexandra Stender (Suhrkamp) oder Andreas Platthaus (F.A.Z.) ließen das Publikum hinter den sonst streng geheimen Kulissen der Preisvergabe Mäuschen spielen − auch angesichts der "Schönsten" kann man schließlich streiten, dass die Fetzen fliegen. Streitbar sicher auch die Idee eines neuen Publikumspreises: Beim "The Beauty and the Book Award", dessen Sieger am Samstag gekürt wurde, waren mehr als 200.000 Online-Votings abgegeben worden. "Die Genres mit starker Netz-Community sind sehr weit gekommen", sagt Katharina Hesse, Geschäftsführerin der Stiftung. "Aber schließlich bestimmen wir nicht allein, was schön ist."

Angehende Illustratoren und junge Gestalter sollten sich schon jetzt den Leipziger Buchmesse-Donnerstag im kommenden März vormerken: Dort wird die Stiftung erstmals einen "Mappentag" organisieren; beim Speed-Dating mit Herstellungsleitern bekommen die jungen Kreativen Feedback von den Profis. Und, so Katharina Hesse, "möglicher Weise sogar Arbeit".