Interview mit Fachanwalt Dominik Höch

"Es wird Volontäre geben, die den Mindestlohn einklagen"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Medienrechtler Dominik Höch beschäftigt sich mit dem Thema Mindestlohn. Insbesondere bei der Vergütung von Praktikanten und Volontären sieht er zum Jahresbeginn ein steigendes Risiko an Klagen. Im Interview gibt er Tipps für den Branchennachwuchs und Unternehmen.

2015 wird der Mindestlohn eingeführt, auch für längere Praktika: Was wird anders?Mit Einführung des Mindestlohns dürfte die Sitte, lange und unbezahlte Praktika an Bewerber mit bereits abgeschlossener Ausbildung oder Studienabschluss zu vergeben, tot sein. Um mit einem gefährlichen Gerücht aufzuräumen: Da das Gesetz lediglich Ausnahmen bei Schul- und kurzen Orientierungspraktika vorsieht, kann es nach meiner Ansicht auch nicht über Einzelverträge möglich sein, weniger oder sogar nichts zu zahlen.

Streit gibt es um die Frage, ob Volontariate vom Mindestlohn ebenfalls ausgenommen sind oder nicht …Das wird eine interessante Frage. Denn Volontariate sind von Gesetzes wegen nicht definiert. Die Antwort aus dem BMAS (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) auf die Nachfrage aus dem Verlegerausschuss gibt keine rechtsverbindliche Antwort. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob der Mindestlohn gilt oder nicht. Das BMAS geht davon aus, dass es sich um eine Ausbildung handelt. Man kann die Position vertreten, dass ein Volontariat eher eine „Training on the job"-Tätigkeit als einer längere Praktikantentätigkeit ist. Vermutlich werden die Arbeitsgerichte diese Frage zu klären haben. Erfahrungsgemäß schauen die sich aber nicht die Bezeichnung an, die über dem Vertrag steht, sondern den konkreten, individuellen Tätigkeitscharakter.

Laufen Unternehmen, die Volontariate unter dem Mindestlohn vergüten, Gefahr, verklagt zu werden?Für Unternehmen, die Praktikantenstellen streichen und stattdessen in „Volontariate" umbenennen, ist das eine sehr reale Gefahr: Solange der Tatbestand nicht verjährt ist, besteht nämlich die Chance auf Mindestbezahlung zu klagen. Diese Frist beträgt immerhin drei Jahre.

Inwiefern kann ein klagender Volontär auf Erfolg hoffen?Hier kommt ins Spiel, was die Kernpunkte eines Volontariats sind: Eine auf Ausbildung angelegte Tätigkeit. Dazu gehören etwa theoretische Einheiten (etwa der Besuch von Journalistenschulen oder entsprechenden Bildungseinrichtungen). Ich kann nicht einen Praktikanten zum Volontär machen und ihn ohne weitere Betreuung einfach nur Arbeiten verrichten lassen, die seinem Kenntnisstand angemessen sind. Man schaut also: Gibt es einen Ausbilder und einen Ansprechpartner für alle Volontäre? Ich kann mir gut vorstellen, dass es Fälle geben wird, bei denen Klagen von Volontären auf Mindestlohn, in manchen Fällen sogar auf branchenüblichen Lohn durchgehen.

Nehmen wir an, ich bin ein Volontär, der von seinem Arbeitgeber ausgebeutet wird und ich möchte mich gerichtlich wehren. Wie gehe ich vor?Der Volontär muss beweisen, dass er den Mindestlohn verdient. Sie tragen als Kläger vor: Es gab keinen Ausbildungsverantwortlichen oder keinen Ansprechpartner, der sich mir vorgestellt hat. In diesem Fall muss das Unternehmen beweisen, bzw. offenlegen, ob es entsprechende Ausbildungspläne und –verantwortliche gab und ob Sie als Volontär dort eingebunden waren. Vor allem die Art der Tätigkeit wird nun geprüft, dabei kommt es auf typisierte Abläufe an. Es ist hilfreich, wenn Sie Ihren Berufsalltag für eine oder zwei Wochen protokollieren: Wie sieht eine typische Woche aus? Welche Ausbildungselemente gibt es – wie verlaufen typische Ausbildungsgespräche? Welche Unterschiede gibt es zwischen Ihrer Arbeit und der Ihrer Kollegen? Gibt es theoretische Schulungen? Unterweisungen? Wer gibt Ihnen Weisungen?. Dann geht es auch um Fragen des Überbaus: Wie sah Ihre Einführung aus? Wurden Ihnen Unterweisungen und Fortbildungen angeboten? Welcher Art? Von wem bezahlt? Wie sind Sie im Unternehmen eingebunden? Hatten untypische Tätigkeiten die Überhand wie Hol- und Bringdienste oder Kaffee kochen?

Was raten Sie Unternehmen zum Jahresbeginn?Ich würde davon abraten, Dinge anders zu bezeichnen, als sie sind: Möglichkeiten in einen Beruf hinein zu schnuppern und Erfahrung zu sammeln: Das ist ein Praktikum. Will ich die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Bewerbers mit einem Ausbildungskonzept, das verschiedene Stationen im Unternehmen vorsieht und Einblick in verschiedene Abteilungen und Unternehmensteile gewährt in nachvollziehbarer Zeit verbessern, damit er einen Beruf ergreifen kann, der in den meisten Fällen ungeschützt ist, etwa bei Journalisten, dann kann ich es Volontariat nennen. Dieses Verhältnis hat einen klaren Ausbildungscharakter. Wer sagen kann: Die Ausbildung bei uns hat Hand und Fuß, kann unbesorgt sein, denn darauf wird es letztlich auch im Fall einer Auseinandersetzung ankommen.

Nach Ihrer Erfahrung: Wie hoch schätzen Sie das Klagerisiko in der Praxis ein?
Es wird sicher keinen Massenklagemarkt geben. Aber das Bewusstsein um Ausbeutung von Praktikanten und über den Missbrauch von Bezeichnungen ist stärker geworden – und genau darauf reagiert diese neue Regelung ja letztlich. Aber wo sich wenige schwarze Schafe finden, die es darauf ankommen lassen, wird es auf der anderen Seite weitere Praktikanten oder Volontäre geben, die sich rechtlich fragwürdiges Verhalten nicht gefallen lassen wollen.

Dominik Höch ist Fachanwalt für Urheber- & Medienrecht und Partner bei Höch Kadelbach Rechtsanwälte.