Kommentar

Suhrkamp ist (fast) am Ziel

24. Oktober 2014
von Börsenblatt
War der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Oktober jetzt das letzte Wort? Bedeutet dies nun, dass Hans Barlach mit seiner Strategie gescheitert ist, den Insolvenzplan des Suhrkamp Verlags mit juristischen Mitteln zu Fall zu bringen?

Während der gesamten Auseinandersetzung hat man sich daran gewöhnen müssen, dass keine der Gerichtsentscheidungen „endgültig“ ist. Immer gab es noch einen „Vorbehalt“, gab es ein prozessrechtliches Hintertürchen, das weitere Beschwerdemöglichkeiten eröffnete. Doch nun scheint die „Vorläufigkeit“ ein Ende zu haben und der Weg zur Umwandlung des Suhrkamp Verlags von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft definitiv frei zu sein. Noch kann der Wechsel der Rechtsform nicht vollzogen werden, weil erst ein Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg abgewartet werden muss, mit dem das Insolvenzverfahren aufgehoben wird. Im ersten Quartal 2015, so der Verlag, könnte es dann so weit sein.

Wenn jetzt nicht noch ein findiger Anwalt eine Ritze findet, durch die er eine Beschwerde stecken kann, dann dürfte Hans Barlachs Köcher leer sein – bis auf einen Pfeil, der noch auf dem Bogen des Bundesverfassungsgerichts gespannt ist, aber womöglich erst abgeschossen wird, wenn Suhrkamp längst zur Aktiengesellschaft geworden ist. Eilbedürftigkeit hatten die Karlsruher Richter der Verfassungsbeschwerde von Barlachs Medienholding ohnehin nicht bescheinigt. Und so wird vermutlich noch einige Zeit ins Land gehen, bis das höchste deutsche Gericht feststellt, ob dem Minderheitsgesellschafter von Suhrkamp ein faires Verfahren verwehrt wurde, und ob seine Eigentumsrechte wegen des erleichterten Insolvenzverfahrens unangemessen beschnitten wurden.

Dass bei Suhrkamp in Berlin jetzt die Sektkorken knallen, könnte durchaus sein. Aber vielleicht stellt sich auch nur ein Zustand ein, den sich alle, Mitarbeiter wie Geschäftsführung, seit langem wünschen: Normalität. Die Erleichterung darüber, dass sich der manchmal bedrohlich dunkle Schatten der Insolvenz nun verzieht, dürfte groß sein. Vor allem Ulla Unseld-Berkéwicz und ihre Mitgeschäftsführer Jonathan Landgrebe und Thomas Sparr können sich bestätigt sehen: Sie sind ihrem Ziel näher gekommen, das Unternehmen aus eigener Kraft zu sanieren und den Verlag aus ihrer Sicht so aufzustellen, dass ein Minderheitsgesellschafter die operative Arbeit des Verlags nicht blockieren kann. Neben der Beschwerde gegen den Insolvenzplan sind nun auch alle anderen Verfahren, der Gesellschafterstreit und die Klage zur Ablösung der Geschäftsführung von Suhrkamp, erledigt. Auch dies stärkt die Position der Verlagsspitze. Mag sein, dass dies einige immer noch als „Coup“ bezeichnen – am Ende ist es so, dass Suhrkamp seine rechtlichen Auffassungen durchsetzen konnte, gegen konträre Meinungen, die von verschiedenen Juristen und Gerichten vertreten wurden.

Jetzt wird es ans Aufräumen gehen: Denn die Kollateralschäden des Insolvenzverfahrens dürften beträchtlich sein. Allein die Anwaltskosten haben vermutlich mehrere Millionen Euro verschlungen. Investitionen sind womöglich zurückgestellt worden, Herstellungstermine verzögert worden; Autoren wie Don Winslow haben zudem Angebote anderer Verlage vorgezogen, weil sie ihren Vorschuss nicht durchsetzen konnten. Der Geschäftsbetrieb wäre auf lange Sicht vielleicht gefährdet gewesen – weshalb das Landgericht der „Erhaltung des Geschäftsbetriebs“ gegenüber den Gläubigerinteressen der Medienholding die Priorität einräumt.

Mit der Rückkehr in ruhigeres Fahrwasser wird aber das „Problem“ Medienholding nicht beseitigt sein – denn Hans Barlach bleibt auch in der AG-Konstruktion Minderheitseigner, allerdings mit weniger weitreichenden Rechten als bisher. Dennoch wäre der Verlag gut beraten, sich mit ihm zu arrangieren. Vielleicht kann da der designierte Aufsichtsrat (der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und die Ärztin Marie Warburg) segensreich wirken. Ob noch weitere Aktionäre wie die Familie Ströher (Wella-Erben) zusätzliches Kapital zeichnen, ist noch offen. Barlach seinerseits könnte die Option prüfen, seine Anteile zu verkaufen.