Drohende Entlassungen bei Weltbild

"Droege hat uns von vorne bis hinten belogen"

6. November 2014
von Börsenblatt
Die Weltbild-Geschäftsführung will offenbar im Bereich Retail massiv Stellen abbauen − der Betriebsrat sei dazu aufgefordert worden, einen Interessenausgleich über rund 200 Entlassungen zu schließen. Das teilt das Gremium in einem Flugblatt an die Kollegen mit und erhebt massive Vorwürfe gegen den zuvor gefeierten Investor Droege. Update: Inzwischen liegen Stellungnahmen der Droege Group und von Weltbild Retail vor.

In dem Flugblatt des Weltbild-Betriebsrats vom 6. November, das boersenblatt.net vorliegt, heißt es weiter, dass laut Forderung des Arbeitgebers 100 Mitarbeiter vor Weihnachten und weitere 100 im Februar gehen sollen (dies entspräche etwa 160 Vollzeitstellen). Rund die Hälfte der rund 420 Beschäftigten im Bereich Retail in Augsburg würden damit ihren Arbeitsplatz verlieren.

 

"Wir tun alles, dass es nicht dazu kommt", erklärt Verdi-Betriebsgruppensprecher Timm Boßmann gegenüber boersenblatt.net. Die Stimmung der Beschäftigten sei "extrem geladen". Boßmann hatte noch im August von maximal 50 Stellenstreichungen gesprochen. Der damalige Optimismus scheint verflogen. Der Betriebsrat erwarte "ein vernünftiges Konzept über die Zukunft von Weltbild". Nach Auffassung der Arbeitnehmervertreter folge die Geschäftsführung nicht mehr dem Konzept Weltbild 2.0, sondern einem eigenen Plan − und der sehe "neue Massenentlassung im Auftrag von Droege"  und "die gezielte Verkleinerung des Unternehmens" vor.

Der neuen Weltbild-Geschäftsführung attestiert der Betriebsrat "nichts nach vorn zu bringen." Nach wie vor würden Konzept, Struktur und Führung fehlen − und neuerdings sogar Waren. Der Betriebsrat kritisiert, dass dringend benötigte Artikel nicht bestellt würden. Zudem gebe es "kleinliche Sparmaßnahmen", auch die Werbemaßnahmen seien zurückgefahren worden. "Wir wurden von vorne bis hinten belogen", so der massivie Vorwurf im Flugblatt, "Droege plant keinen langfristigen Invest." Offenbar wolle der Milliardär "Weltbild auf Kosten der ArbeitnehmerInnen auspressen und persönlich möglichst schnell möglichst hohe Profite einfahren", kritisiert der Betriebsrat.

Die "Augsburger Allgemeine" berichtete jüngst unter Bezug auf Unternehmenskreise, es habe einen Umsatzeinbruch bei Weltbild gegeben. Dies hätte zu einer restriktiven Ausgabenpolitik geführt. Letzte Woche habe es Gespräche gegeben, um die Finanzierung von Weltbild weiterhin zu sichern, schreibt die Zeitung. Dies sei gelungen − das Unternehmen sei nach "akutem Handlungsbedarf" wieder "durchfinanziert".

Statement der Droege Group

Inzwischen liegt eine Stellungnahme der Droege Group vor, die wir hier im Wortlaut zitieren:

"Die Droege Group ist zusammen mit dem Insolvenzverwalter Geiwitz (im Verhältnis 60:40) seit dem 6. Oktober 2014 Eigentümer der Weltbild-Gruppe. Geschäftsgrundlage des Erwerbs ist die von der Unternehmensberatung Roland Berger erstellte Planung Weltbild 2.0. Die Istzahlen der Monate Juli bis September 2014 zeigen eine signifikante Abweichung zur Planung von Roland Berger und zum Vorjahr. Die neue Geschäftsführung musste nach dem Grundsatz der vorsichtigen Geschäftsführung auf Grund dieser erheblichen Abweichungen Anpassungsnotwendigkeiten, die sich in allen Bereichen der Weltbild-Gruppe niederschlagen werden, definieren. Wir bedauern sehr, dass bereits kurzfristig nach Übernahme derartige Anpassungen notwendig sind. Wir können den Umfang der personellen Anpassungsmaßnahmen, die in dem Flugblatt behauptet werden, jedenfalls nicht bestätigen. Die Geschäftsführung stimmt sich mit dem Betriebsrat in allen personellen Maßnahmen ab.

Die Droege Group ist umfänglich den vertraglich vereinbarten Einzahlungspflichten nachgekommen und ist überzeugt, dass die neue Geschäftsführung den richtigen Weg zur Zukunftssicherung der Weltbild-Gruppe (angepasste Weltbild 2.0-Planung) gehen wird."

Statement von Weltbild Retail

"Im Zuge der zunehmenden Kundenorientierung und damit auch Digitalisierung des Weltbild-Geschäfts, setzt das Unternehmen die Restrukturierung konsequent fort. Die Geschäftsführung informierte den Betriebsrat, dass damit auch eine personelle Reduktion verbunden ist", heißt es von Weltbild.

Der neue Gesellschafter Droege International Group AG stehe "hinter dem Unternehmen und der Marke Weltbild". Die Finanzierung stehe auf einem soliden Fundament. Gleichwohl werde das Unternehmen den eingeschlagenen Restrukturierungskurs konsequent fortsetzen und sich an dem durch gewandelte Kundenbedürfnisse und Digitalisierung geprägten Markt ausrichten.

"Das bedeutet wir werden Sortimente, Vertriebsauftritt und Werbemaßnahmen sowie unternehmensinterne Prozesse nach den Erfordernissen unserer Kunden überarbeiten. Weitere Personalmaßnahmen sind aufgrund der neuen Abläufe nicht vermeidbar," so die Geschäftsführung, die Weltbild "zukunftsfähig" machen will. Auch ein spürbarer Umbau des Sortiments soll anstehen: "Buch, eBook und eMedien bleiben Kernsortimente von Weltbild, die um attraktive Sortimente rund um Heim und Wohnen und für die Familie ergänzt werden. Preis und Qualität der Sortimente müssen stimmen. Weltbild bespielt weiter alle Vertriebskanäle, die eng aufeinander abgestimmt werden und setzt auf stärkere Digitalisierung und kundengerechte schlanke Abläufe." Das Unternehmen soll "konsequent hinsichtlich seiner Vertriebs- und Verkaufsstruktur auf den Kunden und sein Verhalten" ausgerichtet werden.

"Alle Maßnahmen werden in engster Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern ausgehandelt und so sozialverträglich wie möglich gestaltet", teilt die Geschäftsführung mit. Konkrete Angaben zum Ausmaß der Personalkürzung seien aufgrund der laufenden Verhandlungen nicht möglich. Damit Weltbild nachhaltig erfolgreich ist, müssten diese neuen, flexiblen Strukturen "sehr rasch" aufgebaut werden.