Umsatzverluste durch Bahnstreik

"Auch der Ärger der Bahnfahrer war zu spüren"

12. November 2014
von Börsenblatt
Auf 100 Millionen Euro beziffert die Bahn den wirtschaftlichen Schaden durch den 75-stündigen Bahnstreik in der vergangenen Woch. In Mitleidenschaft gezogen wurde auch der Bahnhofsbuchhandel: Er musste Umsatzeinbußen von durchschnittlich rund 25 Prozent hinnehmen, wie eine stichprobenartige Umfrage des Börsenblatts in betroffenen Sortimenten ergab.
Claudia Heigl, Bahnhofsbuchhandlung Dieter Heigl in Freising: "Wir hatten einen Umsatzrückgang um etwa ein Drittel, da viele Kunden gezwungenermaßen mit dem Auto gefahren sind. Auch den Ärger der übrigen Bahnfahrer bekamen wir zu spüren - dementsprechend war die Bereitschaft, etwas bei uns zu kaufen, nicht sehr groß."

 

Werner Krähling, Bahnhofsbuchhandlung W. Krähling in Traunstein und Mühldorf: "Bei uns war das Geschäft etwas schwächer durch den Streik. Allerdings haben wir sehr viele Schüler und Stammkunden, die immer kommen; die Zahl der reinen Pendler ist bei uns nicht so hoch. Deshalb ist nur eine kleine Streikdelle entstanden."

 

Torsten Löffler, Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Dr. Eckert: "Besonders an den großen Fernbahnhöfen waren Frequenz- und Umsatzeinbrüche im Vergleich zum Vorwochenende von 25 bis teilweise mehr als 30 Prozent festzustellen. Unsere vier Filialen am Kölner Hauptbahnhof konstatierten ein ganz ruhiges Wochenende, erst am Sonntag stiegen die Kundenzahlen wieder langsam an. Ergebnis: Rund 25 Prozent Umsatzverlust bei entsprechend geringerer Kundenfrequenz.
Trotz des einen Tag weniger als befürchtet währenden Streiks waren auch die Umsatzzahlen am Hauptbahnhof Leipzig deutlich niedriger als an den Vorwochenenden. Am Donnerstag, Freitag und Sonntag lagen sie um rund 30 Prozent niedriger, am Samstag verzeichnete die Filiale lediglich ein Umsatz-Minus von rund 20 Prozent.
Ein Fünftel Umsatzverlust war auch am Bahnhof Berlin-Alexanderplatz das Ergebnis des Bahnstreiks. An den anderen kleinen und mittleren Verkehrsstandorten fielen die Streikfolgen teils ähnlich, teils für uns noch schlechter aus. So verzeichneten wir am Tübinger Bahnhof einen Umsatzeinbruch von mehr als einem Drittel. Fast 40 Prozent Umsatzeinbußen beispielsweise am Bahnhof Rostock-Warnemünde sind als dramatisch zu bezeichnen: Dort war besonders an den ersten Streiktagen kaum Kundschaft unterwegs, erst am Sonntag entschärfte sich die Lage wieder ein wenig. Kaum besser sah es etwa in Bonn-Bad Godesberg aus, wo zwar die üblichen Wochenendkunden trotz des Streiks in ihre Bahnhofsbuchhandlung kamen - gleichwohl war auch hier ein Minus von rund 25 Prozent zu verzeichnen.
Zwar gibt es durchaus viele Kunden, die zum Bahnhof kommen, weil sie in ihrer Bahnhofsbuchhandlung die beste Presseauswahl am Ort vorfinden und dort wie gewohnt nach Special Interest-Zeitschriften oder auch internationaler Presse stöbern. Aber natürlich besteht ein sehr wesentlicher Anteil unserer Kunden aus Reisenden. Und die gibt es eben nicht oder kaum, wenn nicht gereist werden kann. Der Drei-Tage-Streik hat bei uns einen Flurschaden hinterlassen."
Andreas Voss, Voss am Bahnhof, Westerland/Sylt: "Wir haben hier eine Sondersituation, da unser Bahnhof von Privatbahnen angefahren wird. Allerdings hat es auch die wichtigen Kunden betroffen, die mit dem Fernverkehr über Hamburg zu uns kommen. Insofern hatten wir Umsatzeinbußen und empfinden die Situation genauso wie unsere Kunden als ungut, da hier ein Konflikt auf dem Rücken Unbeteiligter ausgetragen wird."

 

Michael Scholz, Presse + Buch am Bahnhof Iserlohn: "Wir sind ein kleiner Pendlerbahnhof, an dem private Bahnen verkehren. Insofern hat uns der Streik nur marginal betroffen. Bei unserer Bahnhofsbuchhändlertagung am Wochenende haben aber viele Kollegen, vor allem von den großen Bahnhöfen, sehr über die negativen Auswirkungen des Streiks geklagt."

 

Michael Ganter, Ganter Presse + Buch, Prien am Chiemsee, Bad Endorf, Freilassing, Berchtesgaden und Garmisch-Partenkirchen: "Wir hatten an den Standorten im Chiemgau/Berchtesgadener Land Einbußen von unter zehn Prozent, was aber vermutlich eher dem Monat November geschuldet ist. Die Deutsche Bahn betreibt auf der Strecke München-Salzburg nur den Fernverkehr, der Nahverkehr wird hingegen von der Bayerischen Oberlandbahn (Meridian) bestellt. Gleiches gilt für Freilassing - Berchtesgaden (Berchtesgadener Land Bahn). Die Zahlen aus Garmisch habe ich noch nicht analysiert, das ist der einzige Standort in der Hand der Deutschen Bahn."