Karlsruhe lehnt Erlass einer einstweiligen Anordnung im Suhrkamp-Insolvenzverfahren ab

Der Weg für Suhrkamp in die AG ist frei

19. Dezember 2014
von Börsenblatt
Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag des Suhrkamp-Minderheitsgesellschafters Medienholding auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ob die Klage der Medienholding zulässig und begründet ist, muss nun vom Gericht in einem weiteren Schritt überprüft werden. Ob die Beschwerde angenommen wird, lässt sich aus dem heutigen Beschluss nicht ableiten, wie ein Gerichtssprecher sagte.

Zugleich entschied das Gericht, die von Hans Barlach als Aktionär eingereichte Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen. Er habe die Betroffenheit in eigenen Rechten nicht hinreichend darlegen können. Mit dem Karlsruher Spruch ist für Suhrkamp nun der letzte Stolperstein auf dem Weg zur Aktiengesellschaft beseitigt. Das Amtsgericht Charlottenburg kann das Insolvenzverfahren aufheben.

Update 11.45 Uhr: Inzwischen hat sich der Suhrkamp Verlag zum Karlsruher Beschluss geäußert. "Wir freuen uns sehr über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - und wir sind erleichtert", sagte Verlagssprecherin Tanja Postpischil. "Denn mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nun endgültig der Weg zur Umsetzung des Insolvenzplans frei. Nun kann das Insolvenzgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren aufheben und der Wandel der Rechtsform des Verlags von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft vollzogen werden. Der Verlag trifft derzeit die entsprechenden Vorbereitungen." Eine weitere Rechtsbeschwerde der Medienholding sei nun nicht mehr möglich.

Die Entscheidung der Kammer beruht laut Pressemitteilung auf einer Folgenabwägung: Die Nachteile, die der Schuldnerin und ihren Arbeitnehmern, ihren Gläubigern und ihren Anteilseignern bei Erlass der einstweiligen Anordnung drohen, überwiegen die Nachteile erheblich, die bei Ablehnung der einstweiligen Anordnung einzutreten drohen, selbst wenn die Verfassungsbeschwerde der Minderheitsgesellschafterin sich im weiteren Verlauf als begründet erweisen sollte.

Update 18.00 Uhr: Das Gericht hatte bei seiner Entscheidung vor allem die Risiken im Blick, die dem Verlag bei einer Verzögerung des Insolvenzverfahrens gedroht hätten. Wäre die einstweilige Anordnung ergangen und damit die Verfassungsbeschwerde der Medienholding zur Entscheidung angenommen worden, hätte dies womöglich die Sanierung des Verlags zum Scheitern gebracht.

Entscheidend für die Abwägung der Folgen war die Vorlage der Liquiditätsplanung des Verlags für 2015. Die Suhrkamp-Geschäftsführung habe laut Gericht glaubhaft dargelegt, dass die Liquidität für den Fall der Insolvenzaufhebung gesichert ist. Würde aber eine einstweilige Anordnung ergehen, so müsste der Verlag Mitte 2015 nach eigener Darstellung seine Zahlungen einstellen. Das Risiko des Scheiterns wollten die Richter aber nicht tragen, weil es schwererwiegende Folgen für den Verlag hätte als der Verlust von Mitwirkungsrechten des Mitgesellschafters.

 

In der Begründung des Bundesverfassungsgerichts heißt es unter anderem:

  • "In ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung behauptet die Beschwerdeführerin zu 1. [Medienholding AG; Anm. d. Red.] wirtschaftliche Nachteile durch den Verlust von Mitwirkungsrechten allerdings lediglich, ohne diese näher auszuführen oder zu belegen. Sie sieht ihren maßgeblichen Nachteil vielmehr darin, dass sie nach dem beabsichtigten Formwechsel von wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen ausgeschlossen ist."
  • "Die Schuldnerin [die Suhrkamp KG; Anm. d. Red.] hat durch eine von der RBS RoeverBroennerSusat GmbH & Co. KG mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 plausibilisierte Liquiditätsplanung für das Jahr 2015 dargelegt und durch eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 11. Dezember 2014 glaubhaft gemacht, dass sie bei einer weiteren Verzögerung der Umsetzung der in dem Insolvenzplan vorgesehenen Maßnahmen spätestens ab dem Monat Juni 2015 nicht mehr in der Lage sein wird, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen."
  • "Die Erklärung der Beschwerdeführerin zu 1. [Medienholding AG], sie sei grundsätzlich bereit, eine etwaig entstehende Liquiditätslücke zu schließen, genügt zur Abwendung des von der Schuldnerin glaubhaft gemachten Risikos einer Unterdeckung vor Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht."
  • "Auch ein möglicher Liquiditätszufluss von dritter Seite ist während des laufenden Insolvenzverfahrens nicht erkennbar. Die SFO GmbH, die ihre Bereitschaft erklärt hatte, sich nach Abschluss des Verfahrens im Rahmen der vorgesehenen Kapitalerhöhung als Aktionärin an der Schuldnerin zu beteiligen, hat mit Schreiben vom 10. Dezember 2014 unter Hinweis auf die mit einer Fortdauer des Insolvenzverfahrens einhergehenden Unsicherheiten abgelehnt, einen Darlehensrahmen zur weiteren Unterstützung der Schuldnerin zuzusagen, und sich zudem für den Fall, dass nicht spätestens zu Beginn des Jahres 2015 mit der Umsetzung des Insolvenzplans begonnen werden kann, vorbehalten, von dem Beteiligungsangebot Abstand zu nehmen."
  • "Die Schuldnerin hat dargelegt und durch eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers glaubhaft gemacht, dass das Insolvenzverfahren zusehends Auswirkungen auf das operative Geschäft der Schuldnerin habe. Im Tagesgeschäft spüre die Geschäftsführung mehr und mehr Verunsicherung des Buchhandels, der sich häufig erkundige, ob der Verlag etwaige Remissionen tatsächlich gutschreibe. Auch die Autoren seien mittlerweile durch das andauernde Insolvenzverfahren verunsichert. Gespräche mit potentiellen neuen Autoren hätten ergeben, dass Autoren etwaige mit dem laufenden Insolvenzverfahren verbundene Risiken fürchteten. Es schade der Schuldnerin auch zunehmend, dass sie während des Insolvenzverfahrens nicht auf die rapiden Änderungen des Umfelds im Buchmarkt reagieren könne, weil sie keine strategischen Handlungsmöglichkeiten habe. ... Nachvollziehbar ist auch, dass sich die geschilderten negativen Auswirkungen bei zunehmender Dauer des Insolvenzverfahrens wegen der damit einhergehenden und fortschreitenden Unsicherheit über dessen Ausgang in immer größerer Schärfe zeigen. So hat die Schuldnerin durch die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers auch glaubhaft gemacht, dass die Umsätze durch das Insolvenzverfahren zurückgegangen sind."

roe

Lesen Sie dazu den Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen: "Unseld-Berkéwicz hat das Spiel für sich entschieden".