Lesetipp: "Warum Polen ein Paradies für Amazon ist"

"Die Welt" besucht Versandzentrum Posen

22. Dezember 2014
von Börsenblatt
Harte Arbeit, 11,5 Stunden-Schichten, die offiziell nach 10,5-Stunden vorbei sind, miese Stimmung in der Belegschaft: "Die Welt" berichtet über die Arbeit der Amazon-Mitarbeiter in Polen.
Von "unmenschlicher Plackerei", die seine Kollegen der "Gazeta Wyborcza" jüngst in den Versandzentren beobachtet hatten, mag Jörg Winterbauer ("Die Welt") nicht sprechen: "Überraschend ist die unglaubliche Ruhe, die hier herrscht – eine Woche vor Weihnachten", stellt er in der Lagerhalle des Versandzentrums in Posen fest – einem von drei Versandzentren des Onlinehändlers im Nachbarland. Von dort rollen die meisten LKWs von DHL nach Deutschland. "Die Angestellten schlurfen in gemächlichem Tempo durch die Halle, man würde niemals vermuten, dass gerade die stressigste Zeit des Jahres ist."

Dennoch, Lob gibt es für die Arbeitsbedingungen bei Amazon nicht, im Gegenteil: Nur wenn der Chef daneben steht, kommentieren die Arbeiter, sie fänden Ihren Job "okay": Winterbauer macht eine allgemeine Stimmung der Erschöpfung und Niedergeschlagenheit aus: "Wie Zombies" kommen ihm die Mitarbeiter mit ihren leeren Blicken vor. Im Gespräch außerhalb der Werkhallen von Breslau klagen Arbeiter über eintönige Arbeit, massiven Zeitdruck und ständige Überwachung. Das Bruttogehalt liegt bei rund 500 Euro − es sei denn, die Mitarbeiter werden über Zeitarbeitsfirmen in die Hallen geholt, dann warten sie mitunter vergeblich auf ihren Lohn.

Die Unzufriedenheit in der Belegschaft ist nach Winterbauers Aussage greifbar − aber soweit, dass die Mitarbeiter massenhaft bei Gewerkschaften wie Solidarność Schlange stehen, geht der Unmut nach seiner Einschätzung nicht – auch Angesichts des niedrigen Arbeitslosengeldes in Polen und wegen anderer Arbeitgeber, deren Arbeitsbedingungen "noch viel schlimmer" seien.