Publikumsverlage schreiben Brandbrief an die Übersetzer

"Die Hanser-Regeln gelten nicht für alle"

15. Januar 2015
von Börsenblatt
Nächste Runde im Übersetzerstreit: Publikumsverlage warnen davor, dass einzelne Übersetzer derzeit "durch die Hintertür" der Gerichte versuchten, die Hanser-Vergütungsregel zu etwas zu machen, was sie nicht ist - zu einem Branchenstandard. Mit einem offenen Brief, unterzeichnet von 33 Verlagen, wollen sie sich dagegen wehren.  

Seit 13 Jahren streiten Verlage und Übersetzer um die Honorare, seit zehn Jahren auch vor Gericht. Zwar konnten Hanser und fünf weitere Verlage 2014 eine Einigung erzielen – für das Gros der Verlage gilt sie indessen nicht. Was, wie es aussieht, aber nicht alle wissen. Random House-Vorstand Frank Sambeth berichtete heute bei der Jahrestagung der Publikumsverlage in München von mehreren juristischen Auseinandersetzungen zwischen Verlagen und Übersetzern – bei denen die Gegenseite darauf abhebt, dass die Hanser-Regel eine Branchenlösung sei und als solche auch für alle gelte. "Dem ist nicht so," unterstrich Sambeth.

Um dies noch einmal klarzustellen, haben Publikumsverlage mit Unterstützung des Verleger-Ausschusses nun einen offenen Brief verfasst, dem es nicht an Deutlichkeit mangelt. "Mit Verwunderung und zunehmender Verärgerung beobachten wir, dass der Verband der Übersetzer seit einigen Wochen systematisch versucht, die mit dem Hanser Verlag vereinbarte Vergütungsregel für die Honorierung von Übersetzern ... als für sämtliche Publikumsverlage in Deutschland verbindliche 'Gemeinsame Vergütungsregel' durchzusetzen", heißt es darin. Es gebe "eine Fülle offensichtlich konzertierter Einzelfälle", auch Gerichtsprozesse, bei denen genau das "penetrant" geschehe.

Diese Vorgehensweise lehnen die Unterzeichner strikt ab, bedauern jedoch durchaus, das eine groß angelegte Einigung bisher aussteht, und der Verband der Übersetzer (VdÜ) sich hier weiterhin verschließt. "Der VdÜ hat es – auch gegenüber dem Börsenverein – mehrfach abgelehnt, mit einer repräsentativen Gruppe von Publikumsverlagen über eine branchenweite gemeinsame Vergütungsregel auf der Basis der durch jahrelange Rechtsprechung bestätigten Usancen zu verhandeln."

Der Brief, der namentlich an den VdÜ-Vorsitzenden Hinrich Schmidt-Henkel adressiert wurde, ist bis heute von 33 Verlagen unterzeichnet worden, darunter große wie kleinere: Etwa Bastei Lübbe und die Verlagsgruppe Random House, Piper (Bonnier), Droemer Knaur, Rowohlt, S. Fischer (alle drei: Holtzbrinck), Gmeiner, Langen Müller, Silberburg, Weissbooks und zu Klampen.

Der Brief in vollem Wortlaut:

"Mit Verwunderung und zunehmender Verärgerung beobachten wir, dass der Verband der Übersetzer seit einigen Wochen systematisch versucht, die mit dem Hanser Verlag vereinbarte Vergütungsregel für die Honorierung von Übersetzern, der sich fünf weitere,, überwiegend kleine Hardcverlage angeschlossen haben, als für sämtliche Publikumsverlage in Deutschland verbindliche 'Gemeinsame Vergütungsregel' durchzusetzen. Besonders ärgerlich ist dabei, dass das Gros der deutschen Publikumsverlage in diese Verhandlungen nicht einbezogen worden ist.

Zudem sind einige der ursprünglich beteiligten Verlage ganz bewusst aus den Verhandlungen ausgestiegen, als sich das Ergebnis in Richtung der jetzt mit Hanser verabschiedeten Vereinbarung bewegte. Der VdÜ hat es - auch gegenüber dem Börsenverein - mehrfach abgelehnt, mit einer repräsentativen Gruppe von Publikumsverlagen über eine branchenweite gemeinsame Vergütungsregel auf der Basis der durch jahrelange Rechtssprechung bestätigten Usancen zu verhandeln.

Sie, verehrter Herr Schmidt-Henkel, haben zwar im Nachhinein versucht, auch uns für die Hanser-Vergütungsregel zu gewinnen, scheinen aber Ihren Mitgliedern verschwiegen zu haben, dass wir uns ausdrücklich nicht angeschlossen haben.

Dessen ungeachtet wird ein einer Fülle offensichtlich konzertierter Einzelfälle penetrant die unzutreffende Behauptung aufgestellt, es handele sich bei dieser "Hanser-Vergütungsregel"  um eine Branchenlösung. Unbeteiligte Dritte (Rechtsanwälte und Gerichte) sollen wohl auff diesem Wege instrumentalisiert werden, diese Ihnen angenehme Vereinbarung durch die Hintertür als Branchenstandard zu etablieren. Wir verstehen dieses Verhalten als demonstrative Abkehr von einem partnerschaftlichen Miteinander.

Wir gehen davon aus, dass der VdÜ sine Mitglieder über die bestehende Sachlage nur unzureichend informiert hat. Ohne die Verabschiedung einer Vergütungsregel, die den Geschäftsmodellen und Erlösstrukturen der großen Mehrheit der deutschen Publikumsverlage gerecht wird, geben uns Rechtsprechung und Gesetz den Rahmen einer angemessenen Vergütung vor. Die Übernahme der mit Hanser ausverhandelten Vergütungsregeln für Übersetzungen für unsere Verlage lehnen wir hiermit noch einmal und in aller Deutlichkeit ab."