hr2-Hörbuchbestenliste

"Ich bin ein richtiges Hör-Kind"

3. März 2015
von Börsenblatt
Das Hörspiel „Nur 1 Tag“ wird heute als Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres ausgezeichnet - und zugleich mit dem Hörbuchpreis der Hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden. Ein Gespräch mit dem Preisträger, dem Regisseur und Sprecher Martin Baltscheit.

 

Ein Fuchs und ein Wildschwein, die sich in eine Eintagsfliege verlieben und ihr ein ganzes Leben in einen Tag packen – wie kommt man auf so eine Geschichte?
Das war einer der seltenen Zufälle, wo ich den Plot der Geschichte erzählt bekommen habe – von einer begeisterten Mutter, die sie von ihrer zehnjährigen Tochter hatte, Anna. Man wird als Kinder- und Jugendbuchautor oft angesprochen: Hör mal, mir ist was Tolles passiert, kannst du nicht eine Geschichte darüber schreiben? Meistens sind die Geschichten rührend und nett, aber nicht wirklich verwertbar.

Wie haben sie das urheberrechtlich gelöst?
Ich überweise Anna immer einen Teil meiner Tantiemen. Es gibt keinen Vertrag, das wäre auch absurd. Sie gab mir eben die inspirierende Anfangsidee von Fuchs und Wildschwein, die ihrer neuen Freundin nicht sagen, dass sie eine Eintagsfliege ist – und ihre Traurigkeit damit erklären, dass der Fuchs nur einen Tag zu leben hat. Daraus habe ich dann ein Theaterstück gemacht.

Der Tod ist nicht unbedingt ein klassisches Thema für ein Kinderstück …
Ich habe ja selber Kinder und weiß: Kinder beschäftigen sich von Anfang an mit dem Tod und dem Sterben und das nicht auf die panische Art wie Erwachsene. Sie haben ja dieses Ewigkeitsgefühl in sich und finden alles, was mit Tod und Sterben zu tun hat, faszinierend. Sie kriegen ja eh alles mit: Wenn der Vater eines Gleichaltrigen beim Autounfall stirbt, der Großvater krank wird… oder sie Fragen: Warum werden wir am Flughafen kontrolliert?

Warum haben Sie „Nur 1 Tag“ erst als Theaterstück erzählt?
Weil ich das Dialogische liebe. Ich kann eine Geschichte sehr schnell erzählen, wenn zwei oder drei oder vier Figuren miteinander quasseln. Sie merken ja auch: Ich rede wirklich gern. Ohne Punkt und Komma. Ich streite auch gerne. Bald werden wir die Geschichte übrigens auch als Filmprojekt realisieren.

Sie sind ausgebildeter Kommunikationsdesigner, aber auch Comiczeichner, Kinderbuchautor, Hörbuchsprecher – und eben Hörspielautor und -regisseur. Woher kommt die Leidenschaft für das Hören?
Ich bin kein klassischer Leser. Ich bin ein richtiges Hör-Kind und natürlich will ich immer gern ein Hörspiel aus meinen Stoffen machen. Das Problem ist nur: Man muss jemanden finden, der sich das auch traut. Hier ist Markus Langer, der Programmleiter von Oetinger Audio, besonders hervorzuheben: Er fürchtete sich nicht vor dem Thema. Außerdem ist schon ein ganz normales Hörbuch für den Verleger, der keine Kooperation mit einem Sender eingeht, ein teures Vergnügen. Der Sprecher für eine CD kostet 500 Euro, das Studio 500 Euro, die Produktion 2000 bis 3000 Euro.

Sie haben mit Annett Louisan und Charly Hübner wahrscheinlich nicht unbedingt die günstigsten Sprecher ausgesucht!
Man muss rechnen: Eine Hörspiel-Produktion wie diese kostet rund 20.000 Euro.

Warum wollten sie Annett Louisan haben?
Als wir beschlossen haben, das Hörspiel zu machen, habe ich gesagt: Annett Louisan muss die Fliege sprechen, weil: Sie hat die perfekte Stimme. Sie hat eine sehr junge Stimme und sie kann kleine Charaktere sprechen. Sie ist wahnsinnig niedlich, dabei aber eben nicht quietschig oder gewollt kindlich. Sie hat eine Stimme zum Verlieben. Sie ist diese Fliege. Charly Hübner ist klasse, ich bin super wie immer, aber dass wir diesen Preis gewonnen haben, liegt vor allem an der Stimm-Entdeckung Annett Louisan.

Wie hat bei Ihnen die Dreifachrolle als Autor, Regisseur und Sprecher funktioniert?
Die einzige Regie-Arbeit ist eigentlich das Casting: Du weißt, wie die Schauspieler klingen. Und wenn sie Profis sind, dann können sie auf Regieanweisungen reagieren. Eigentlich gibt ja der Text vor, wie er zu sprechen ist. Es kann also eine sehr leichte und harmonische Arbeit sein – und in diesem Fall war es das.

Der Preis "Kinder- und Jugendhörbuch des Jahres" wird von der Jury der hr2-Hörbuchbestenliste ausgelobt, der Hörbuchpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden vom Kulturamt der Stadt. Er ist mit 10.000 Euro dotiert.

Die CD (41 Minuten, 12,99 Euro) ist bei Oetinger audio erschienen. Am Ende dieses Artikels finden Sie eine Hörprobe.