Der Weg zur eigenen Buchhandlung

Selbst ist die Frau - Teil 2

3. März 2015
von Börsenblatt
Früher waren sie als Buchhändlerinnen angestellt, heute führen sie ihren eigenen Laden: Diese Frauen beweisen, dass sich der Mut zur Selbstständigkeit auszahlt.

Jasmin Geismar von Buch & Tee in Elz

Die 8 000 Menschen, die im hessischen Elz leben, arbeiten weit verstreut. Über die A3 sind sie ebenso schnell in Montabaur und Limburg wie im Rhein-Main-Gebiet. Eingekauft aber wird daheim: »Hier wird Buy local längst gelebt«, sagt Jasmin Geismar, »nicht zuletzt wegen der ­kostenlosen Parkplätze.« Die Sortimenterin kennt die Leute: Ab 2004 war sie in Elz bei Buch & Tee angestellt, zunächst in Teilzeit. Heute gehört ihr der Laden.

Geismar hat ihren Job als Buchhändlerin von der Pike auf gelernt.   Bei Tönges in Bleidenstadt war sie nach ihrer Lehre zehn Jahre angestellt, dann wechselte sie zu Millennium in Königstein, bis ihr Sohn auf die Welt kam. Weil sie im benachbarten Villmar wohnte, erkundigte sie sich eines Tages bei Buch & Tee in Elz, ob dort 400-Euro-Käfte gebraucht würden – und packte mit an.

Als ihre Chefin vor zwei Jahren fragte, ob sie Buch & Tee übernehmen wolle, überlegte Geismar nicht lange: »Eine eigene Buchhandlung war das, was ich schon immer wollte.« Sie beriet sich mit ihrem Mann: Geht das? Wie verteilen wir die Aufgaben? Wer kümmert sich wann ums Kind? »Die Familie muss mitziehen«, so Geismar.

Die Kunden kannte sie, die Infrastruktur und die Zahlen auch: »Ich wusste, auf was ich mich einlasse.« Anstrengend waren die Gespräche mit der jungen Bankberaterin, die sich in Amazon-Zeiten gar keinen stationären Buchhandel vorstellen konnte. Die KfW-Förderbank sah dagegen keinerlei Probleme, »in zwei Wochen war der Kredit genehmigt«. Geismar machte die frühere 400-Euro-Mitarbeiterin zur Halbtagskraft, damit sie unter der Woche etwas Zeit für die Familie hat. Neu sind die Verwaltungsarbeiten, »da muss ich mich disziplinieren«. Mit dem Umsatz im 100 Quadratmeter  großen Laden auf drei Ebenen ist die 42-Jährige zufrieden. Das Konzept, Bücher mit Porzellan und 120 Teesorten (30 Prozent des Umsatzes) zu kombinieren, geht auf. An jedem ersten Dienstag im Monat lädt Geismar ihre Kunden zu »Einschließen und genießen« ein, auch Aktionen für Kinder sind gefragt. Schritt für Schritt modernisiert sie das Geschäft, demnächst stehen kleine bauliche Veränderungen an. Die Arbeit macht ihr sichtlich Spaß, immer wieder schreibt sie sich Ideen auf, auch aus dem Börsenblatt. »Der Schritt in die Selbstständigkeit war genau richtig.«

Elke Kämpfner und Fanny Eberhardt von Die Buchhandlung in Borna

Als Elke Kämpfner und Fanny Eberhardt im Juli 2013 die Tür zur Kurt-Tucholsky-Buchhandlung in Borna hinter sich absperrten, schien die Zukunft ungewiss: Das Sortiment war Stammsitz der B.I.S. Buchhandel in Sachsen GmbH, die mit ihren sechs Filialen Insolvenz anmelden musste. Keine zwei Monate später starteten die beiden Frauen am alten Standort neu durch: Der von Gratulanten mit Blumensträußen überhäufte Laden hieß nun schlicht »Die Buchhandlung«. Genau so war die Aufgaben-Kladde betitelt, die Kämpfner und Eberhardt während der emotionalen Berg-und-Tal-Fahrt im Spätsommer geführt hatten.  
Kämpfner war 1982 als Lehrling nach Borna gekommen; in Nachwendezeiten, sie war gerade Mutter geworden, fehlte ihr zur Übernahme der Mut. Die ehemalige Volksbuchhandelsfiliale, die dann von B.I.S.  gekauft wurde, war die einzige Buchhandlung am Ort. Hier aufgeben, kampflos?

Die Sortimenterinnen stürzten sich ins Abenteuer Selbstständigkeit, »mit ganz viel Enthusiasmus und möglichst wenig negativen Gedanken«, wie Eberhardt sagt. Schritt für Schritt arbeiteten sie die To-do-Kladde ab: Die Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter über den Kauf der Ladeneinrichtung. Den Antragswust, von der BAG-Anmeldung bis zum Gründungszuschuss vom Arbeitsamt. Den Ladenumbau, den der Vermieter in Windeseile umsetzte.

Hilfe kam von allen Seiten: Von Ex-Kollegen, von der IHK, vom Börsenverein, vom Betriebsberater, selbst aus dem Bornaer Rathaus. Rasch merkten die Buchhändlerinnen, dass viele Entscheidungen, die sie aus dem Bauch heraus getroffen hatten, richtig waren. Das gab Rückenwind, ebenso wie die Hilfe der Familien, die buchstäblich bis zur letzten Minute vor der Eröffnung mit anpackten.

Ihre ehemaligen B.I.S.-Kollegin- nen, die in Torgau (Bücherwald) und Döbeln (Buch-Oase) ebenfalls neu durchstarteten, treffen Kämpfner und Eberhardt mitunter auf Facebook. Juliane Tempel, die in Wurzen ihren Buchstaben Tempel eröffnete, wollen sie zum anstehenden Nachtshopping besuchen.  
Der Mut der Frauen aus Sachsen wirkt in Zeiten, da sich das stationäre Sortiment – gerade in der Provinz – oft in die Defensive gedrängt sieht, ganz offensichtlich ansteckend. »Wir haben von keinem gehört: ›Macht das nicht!‹«, sagt Elke Kämpfner. »Im Gegenteil!« Willkommen im Alltag.