Selfpulishing

E-Book oder Printbuch? Nein, E-Book UND Printbuch!

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Das E-Book ist tot. Das könnte man glauben, wenn man einige Schlagzeilen der letzten Wochen und Monate liest, international wie in Deutschland. Haben die Leser E-Books schon satt?, fragte kürzlich auch Sönke Schulz auf boersenblatt.net und konstatierte, dem E-Book sei “gewaltig die Puste ausgegangen”. Der einzige Vorteil gegenüber dem gedruckten Buch sei lediglich der niedrigere Preis. Überhaupt müsse man das E-Book als Übergangsmedium verstehen.

Aber ist das E-Book nicht doch mehr als das? Man kann es jederzeit und überall kaufen und hat es sofort auf dem Reader, kann es überall mit hinnehmen, ohne dass es Platz wegnimmt oder schwer in der Tasche wiegt. Unsere Lebensrealität sieht doch heute so aus: Wir sind viel unterwegs, arbeiten von überall, sind völlig flexibel. Wer hat da schon immer und überall die 800 Seiten starke Lektüre dabei, um an der Bushaltestelle mal eben zwei Seiten zu lesen? Außerdem kommunizieren wir per Whatsapp, informieren uns im Netz über die Nachrichtenlage, shoppen online und lassen uns per Smartphone durch die Gegend navigieren. Kurz: Unser Leben wird immer digitaler. So ist auch das E-Book für viele ein integraler Bestandteil des literarischen Erlebens geworden.


E-Books noch am Anfang ihrer Möglichkeiten

Schon allein deshalb wäre es nicht richtig, das E-Book als reines Übergangsmedium zu bezeichnen. Die E-Book-Umsätze pendeln sich ein, in Deutschland hat sich neben dem Kindle der Tolino als Lesegerät etabliert, die Zahl erfolgreicher E-Book-Publikationen – besonders von Self-Publishern – wächst zusehends. Nichtsdestotrotz befinden sich E-Books in ihrer derzeitigen Form und ihren Möglichkeiten erst in der Entwicklungsphase, Stichworte: Enhanced E-Books, epub 3 und die damit einhergehenden Experimente mit Video und Audio, Autorenlesungen und -interviews als Extras, wie es bei DVDs schon längst gang und gäbe ist. Was sich davon durchsetzt und bis wann, wird sich zeigen.


Das E-Book ist kein Rivale des Printbuches

Prognosen besagen zwar, dass der E-Book-Markt in Deutschland bis 2018 nicht erheblich wachsen wird. Auf dem internationalen, allen voran dem US-Markt, dagegen wird der Umsatz mit E-Books den mit gedruckten Büchern in den nächsten zwei Jahren überholt haben. In den USA haben sich schon viele (Digital-)Trends durchgesetzt, lange bevor sie Europa erreichten, von Apple über Facebook bis zur Ice Bucket Challenge. Wer weiß schon, wie unser Leben und unser Leserverhalten in zwanzig Jahren aussehen werden? Fest steht nur: Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten. Dabei wird sich das gedruckte Buch vermutlich noch einmal neu behaupten müssen. Aber vielleicht hilft das E-Book sogar dabei? Denn das digitale Buch muss doch gar kein Rivale des gedruckten sein, wie die oft gelesene Gegenüberstellung „E-Book vs. gedrucktes Buch" und das Heraufbeschwören der guten alten Zeiten des Printbuches suggerieren. Denn diesem Habitus liegt die Gleichsetzung sämtlicher Arten des Printbuches zugrunde. Aber was ist eigentlich gemeint, wenn vom "gedruckten Buch" die Rede ist, Hardcover oder Taschenbuch? Beides in einen Topf zu werfen wäre kurzsichtig.


Es wird wieder mehr Wert auf Optik und Haptik gelegt

Denken wir doch an die Musikindustrie. Musik speichert man als MP3 oder hört sie über Spotify, während wahre Musikliebhaber ihre Lieblingsstücke ohnehin auf Schallplatte kaufen. Letztere erlebt gerade ein Comeback, von der CD dagegen ist kaum mehr die Rede. Sowohl in der Musik als auch in der Literatur ist das digitale Pendant günstiger und praktischer, weil mobil, überall und jederzeit erhältlich. Den größeren Sammlerwert haben Schallplatten respektive Hardcover. Auch bei Büchern wird wieder mehr Wert auf Optik und Haptik gelegt, wie die neuesten Büchervorschauen, Headlines wie "Schöne Bücher boomen" oder auch Verlagsneugründungen mit dem Schwerpunkt auf schön gestalteten belletristischen Büchern zeigen. Klar, der Vergleich knatscht stellenweise: Um gedruckte Bücher zu lesen, braucht man nicht einmal ein Endgerät, und Hardcover waren noch nie an einem annähernd ähnlichen Tiefpunkt wie Schallplatten.

 


E-Book für unterwegs, Hardcover fürs Regal

Trotzdem: Je flexibler unser Leben wird, je öfter wir reisen oder umziehen, desto weniger Lust haben wir, physische Besitztümer anzuhäufen. Das zeigt auch die sich etablierende Tausch- und Leihcommunity. Was wir als physisches Eigentum behalten werden: die Stücke - seien es Möbel, Songs oder eben Bücher -, die wir auch wirklich gerne mögen, die schön aussehen und die wir uns etwas haben kosten lassen. Der Grund, warum gedruckte Bücher bleiben: ihre physische Schönheit. Daher meine - zugeben: steile - These: Das wahre Übergangsmedium ist das Taschenbuch. Denn im Gegensatz zu seinem großen HC-Bruder fehlt es dem Taschenbuch an haptischer Wertigkeit, während seine digitale Schwester in Sachen Flexibilität weit vorn liegt.

Es geht um die Inhalte!

 

Doch wir befinden uns noch ganz am Anfang dieser Entwicklung. Deshalb sollten Verlage und Indie-Autoren Bücher in sämtlichen Varianten anbieten, die gerade gefragt sind, also sowohl als E-Book als auch als Taschenbuch und Hardcover. Denn Leser denken in Inhalten, nicht in Formaten. Und was wir bei der Diskussion über Formate und Trägermedien niemals vergessen dürfen: dass es in erster Linie um die Inhalte geht! Die Verpackung muss zwar funktionieren und sollte auch gut aussehen. Doch die Verpackung wird sich immer im Übergang befinden. Die Geschichten werden bleiben.

Leonie Langer ist bei der Self-Publishing-Plattform epubli für den Bereich Kommunikation verantwortlich. Sie informiert über Neuigkeiten des Unternehmens und gibt Seminare zu verschiedenen Themen im Bereich Self-Publishing.