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Der erste Messkatalog

19. März 2015
von Börsenblatt
Ein schmale Auflistung von lateinischen und deutschsprachigen Buchnovitäten auf 18 Seiten, erschienen anlässlich der Frankfurter Buchmesse 1564: Der erste Messkatalog war ein Service eines Buchhändlers für seine Kunden. Die Idee sollte bald viele Nachahmer finden, berichtet Bettina Rüdiger von der Deutschen Nationalbibliothek im sechsten Teil unserer Serie.

Unter dem Titel „Novorum librorum, quos nundinae autumnales, Francoforti anno 1564 celebratae, venales exhiberunt, catalogus" (Katalog der neuen Bücher, die auf der Herbstmesse Frankfurt 1564 zum Verkauf ausgestellt sind) erschien das erste Verzeichnis, das ein Buchhändler speziell für die zweimal jährlich stattfindende Frankfurter Messe erstellte. Georg Willer aus Augsburg notierte darin die Bücher, die er für seine Kunden von der Messe mitgebracht hatte und nun in Augsburg zum Verkauf anbot. Auf 18 Seiten fanden sich überwiegend lateinisch-, aber auch deutschsprachige Titel in getrennten Listen. Geordnet waren diese nach Sachthemen, jeweils beginnend mit Theologie. Das Angebot erschien fortlaufend und etablierte sich als Verzeichnis aller auf der Messe gehandelten neuen Bücher und für die Ankündigung von Neuerscheinungen. Dadurch gelten die Messkataloge heute als Vorläufer der deutschen nationalbibliografischen Verzeichnung.

Der erste Katalog bekam schon bald Konkurrenz. Ab 1577 zeigten weitere Buchhändler ihre Messeware an. In Leipzig erschien ab 1594 ein Messkatalog von Henning Grosse, und auch die Stadt Frankfurt publizierte ab 1598 mit kaiserlichem Privileg einen eigenen Katalog, der den Vorgaben der Bücherzensur entsprach.

Der Leipziger Katalog wurde ab 1759 von der Weidmannschen Buchhandlung fortgesetzt und erschien noch bis 1860. Erst ab 1794, mit Erscheinungsbeginn des Hinrichs'schen „Verzeichniß[es] neuer Bücher, die ... wirklich erschienen sind", verloren die Messkataloge ihre unikale Bedeutung. Ihr Wert als historische Quelle zum deutschen Buchhandel ist jedoch bis heute unumstritten. Folglich gab Bernhard Fabian von 1977 bis 1985 im Hildesheimer Olms Verlag eine Mikrofiche-Edition der von 1594 bis 1860 erschienenen Messkataloge heraus.

In der Fachbibliothek des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig bis 1945, die seit 1959 zum Bestand des Deutschen Buch- und Schriftmuseums der Deutschen Bücherei (heute Deutsche Nationalbibliothek) gehört, befindet sich eine nahezu vollständige Sammlung der originalen Messkataloge aus Frankfurt und Leipzig. Das verweist auf den Wert der Bibliothek, die Fachliteratur aus der Zeit vom 15. bis zum frühen 20. Jahrhundert zu allen Gebieten des Buchhandels und der Buchherstellung bereithält. Neben den Messkatalogen sind vor allem die Schreibmeisterbücher, Format- und Korrekturbücher für Drucker und Setzer, buchhändlerische Adressbücher und eine umfangreiche Sammlung der Indices librorum prohibitorum (Verzeichnisse verbotener Bücher) der katholischen Kirche hervorzuheben. Diese nur noch selten zu findenden Medienwerke machen die Bibliothek auch für die verschiedenen Forschungsinteressen heutiger Nutzer interessant.

 

Bettina Rüdiger

b.ruediger@dnb.de