Goldene Nadel für Thomas Carl Schwoerer

"Einer der Besten verlässt die Branche"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Erstaunt habe er zunächst reagiert, als er von Thomas Carl Schwoerers Rückzug erfuhr, sagte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller beim Abschiedsempfang für den Verleger. Doch im zweiten Moment habe er ein tiefes Gefühl des Respekts für die Entscheidung empfunden. "Hier verlässt einer der Besten die Branche", sagte Riethmüller, um Schwoerer kurz darauf für seine Verdienste mit der Goldenen Nadel des Börsenvereins zu ehren.

Viele Freunde, Weggefährten und Partner kamen gestern Abend ins Restaurant Goldmund des Frankfurter Literaturhauses, um Abschied von Thomas Carl Schwoerer zu nehmen, der sich nach 20 Jahren als Verleger von Campus zurückzieht, um sich seiner Familie und anderen Aktivitäten zu widmen. Nach der Begrüßung ergriff zunächst Beltz-Verlegerin Marianne Rübelmann als neue Eigentümerin und Geschäftsführerin von Campus das Wort. Bei ihrer Ankunft im Frankfurter Verlagshaus sei sie von den Mitarbeiten mit "seltener Herzlichkeit" begrüßt worden. Sie äußerte die Zuversicht, dass sich die starke Marke Campus behauptet, und betonte, wie gut der Verlag in das Portfolio der Beltz-Gruppe passe.

Nach Rübelmann sprach Raphael Gross, Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt, des Fritz-Bauer-Instituts und des Leo-Baeck-Instituts (London). Er pries die gute Zusammenarbeit mit dem Verlag und kündigte zugleich ein neues gemeinsames Projekt an: die Ausgabe der gesammelten Schriften von Fritz Bauer, dem hessischen Generalstaatsanwalt, dessen Name vor allem mit dem Frankfurter Auschwitz-Prozess verbunden ist.

Heinrich Riethmüller bewunderte in seiner Ansprache Thomas Carl Schwoerers Mut, etwas Neues zu wagen und lobte seine verlegerische Leistung: "Hier verlässt einer der Besten die Branche." Campus sei unter seiner Leitung zu einem der wichtigsten Wirtschaftsbuchverlage geworden, der zudem früh die Herausforderungen der Digitalisierung erkannt habe und als einer der ersten Verlage E-Books herausbrachte. Der Börsenvereinsvorsteher zeigte sich dankbar für die bedeutenden Impulse, die Schwoerer dem Verband und der Branche gegeben habe und verlieh ihm dafür die Goldene Nadel des Börsenvereins. Der Geehrte zeigte sich daraufhin sehr gerührt: Mit dieser Auszeichnung habe er nicht mehr gerechnet.

Als Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth ans Mikrofon trat, war das Büffet längst eröffnet. Semmelroth kam mit Verspätung aus der Stadtverordnetenversammlung, wo zuvor heftig über die Gewaltexzesse im Umfeld der Blockupy-Proteste vergangene Woche debattiert worden war. Seine Worte zum Abschied des Verlegers waren eine Eloge: auf Frankfurts zweitgrößten Verlag (nach S. Fischer), der ein breites Publikum für die "intellektuelle Auseinandersetzung in Soziologie und Wirtschaft" mobilisiert habe und der maßgebliche Bücher wie Gerhard Schulzes "Die Erlebnisgesellschaft" verlegt habe. Aktuelle Phänomen wie Blockupy zeigten, dass die intellektuelle Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Konflikten "völlig indispensibel" sei, so Semmelroth. Dazu trage ein Verlag wie Campus in besonderer Weise bei.