Buchhändler-Umfrage und Novitätenschau

Vegane Kochbücher: Darf es noch ein bisschen mehr sein?

8. April 2015
von Börsenblatt
Die grüne Welle rollt und rollt: Tun die Verlage mit all den Novitäten zur veganen und vegetarischen Küche zu viel des Guten? Oder können die Kunden von der fleischlosen Kost im Moment gar nicht genug bekommen? Eine Umfrage im Buchhandel - und eine Auswahl fleischloser Novitäten.

Martina Olufs, Koch Kontor, Hamburg:

"Gerade habe ich einen Karton mit neuen Büchern aufgemacht und es sind wieder einige vegetarische und vegane Titel dabei. Ich finde allerdings, dass es inzwischen eigentlich genug Bücher zum Thema gibt – mir persönlich jedenfalls reicht es aus. Besonders veganes Kochen war ja ein Riesentrend, jeder zweite Kunde fragte danach. Ich habe das Gefühl, dass diese extreme Beliebtheit langsam wieder nachlässt, während die Nachfrage nach vegetarischen Kochbüchern weniger schwankt. Sie ist nicht in so kurzer Zeit so sprunghaft angestiegen und hält sich wohl auch länger auf dem jetzigen Niveau."

Ulrike Steinhuber, Osiander, Tübingen:

"Das Interesse ist nach wie vor groß, Klassiker wie von Ottolenghi und Titel, die besonders gemacht sind, wie "Vegetarische Tapas" von Hädecke oder "Ein Fest im Grünen" von Knesebeck, laufen auch bei Nicht-Vegetariern gut. Eine Neuerscheinung wie "Gemüse kann auch anders" (GU) interessiert alle, die ganz allgemein leidenschaftlich gerne kochen und die Wert auf Rezepte fern von 08/15 legen. Die Resonanz solcher Kunden zu unserem Angebot interessiert mich immer sehr. Nur von ganz wenigen gibt es so etwas wie Überdruss zu spüren. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was der nächste große Trend sein wird – vielleicht "Ohne alles": gluten-, ei-, tierfrei etc. zugleich… der Hype wird auf jeden Fall weitergehen."

Thekla Kühn, Hiltruper Buchhandlung, Münster:

"Zu Anfang haben wir noch jedes vegane Kochbuch mitgenommen, inzwischen haben wir Mut zur Lücke – das Angebot ist einfach zu inflationär. Viele Kunden, die auf den Vegan- und Detox-Zug aufgesprungen waren, haben inzwischen für sich festgestellt, dass sie doch nicht dauerhaft danach leben möchten und sehen es nicht mehr so eng. Das neue Buch von Attila Hildmann hat sich zwar gut verkauft, doch die Nachfrage war nicht so stark wie nach den früheren Titeln. Es häuft sich die Kritik, dass er von zu vielen Werbeplakaten herunterlächelt – das kommt in der Szene nicht so gut an. Relativ großes Interesse wecken die "Peace Food"-Titel von Ruediger Dahlke (GU) und auch Rezeptbücher von Volker Mehl. Vielleicht entwickelt sich in diese Richtung der neue Trend:  Ayurvedische Küche und etwas mehr spirituell."

Ursula Poser, Buchhandlung Gerblinger, Wertingen:

"Die Nachfrage hält absolut an – mehr noch im veganen als im vegetarischen Bereich. Titel für Einsteiger oder Fortgeschrittene halten sich die Waage. Dabei spielen weniger Meisterköche oder bekannte Namen eine Rolle, auch der Verlag ist unseren Kunden egal, wichtig ist vor allem die reichhaltige, ansprechende Bebilderung. Der Preis ist sekundär, gekauft wird alles. Gerne auch als Geschenk: Endlich weiß die Mutter, was sie ihrem Kind zum Geburtstag schenken kann. Wir kaufen auch weiterhin gerne neue Titel ein und freuen uns, wenn uns im Dschungel der Neuerscheinungen die Verlagsvertreter besonders schön gemachte Bücher schmackhaft machen."

Novitätenschau: Junges Gemüse statt totes Fleisch

Es wird geschält und geschnibbelt: Immer mehr Menschen wollen nur noch Gemüse, Obst und Kräuter in der Küche. Wie dabei Würze in den Speiseplan kommt, was man beachten sollte, was für, aber auch, was gegen Veganismus spricht, erklären zahlreiche Neuerscheinungen.

Er hat viele Leser bewegt: Jonathan Foer mit seinem Buch "Tiere essen". Die Schilderungen, unter welchen Bedingungen Masttiere gehalten und wie sie getötet werden, hat viele darüber nachdenken lassen, ob sie auf Fleisch verzichten und sich so auch ökologischer, nachhaltiger und gesünder ernähren. Sie folgen einem Trend: Immer mehr Menschen bevorzugen die fleischlose Küche.

Dagegen spricht für manchen allerdings das befürchtete Einerlei: Wie überschaubar wird der Speiseplan, wenn Lamm, Schwarzwälder Schinken und Forelle wegfallen? Oder mehr noch, wenn man sich vegan ernährt und auf alle tierischen Produkte, also auch auf Käse, Quark, Honig und Eier, verzichtet? Wer an klassische deutsche Gerichte, nur eben ohne Fleisch, denkt, kann nicht mit kulinarischen Genüssen rechnen: Kartoffeln mit Bohnen klingen nicht verlockend; leicht mediterran angehauchte Nudeln mit Tomatensoße munden auf Dauer ebenfalls nicht.

Rezepte aus aller Welt

Der Blick Richtung Morgenland bringt Abwechslung und Würze in die Küche. In "Vegan Oriental" lädt Parvin Razari zu Gerichten aus dem Iran ein, aus Armenien, Syrien, dem Libanon und Jordanien, aus Ägypten, Marokko und der Türkei. Die gebürtige Iranerin, die heute in Österreich lebt, serviert blanchierten Spinat mit Sojajoghurt, Linseneintopf mit Mangold, karamellisiertes Ofengemüse oder Blumenkohl gegrillt mit Tahini-Dip. Sie greift unter anderem auf eine Besonderheit des Orients zurück: "Mezze" – keine Speisenfolge mit Hauptgang, sondern kleine Gerichte, die gleichzeitig serviert werden. Das ist nicht allzu aufwändig in der Vorbereitung, und man hat Zeit, mit seinen Gästen zu genießen und zu erzählen (Neunzehn Verlag, 192 S., 19,95 Euro; ET: 29.5.).

Vielfältig und würzig ist die Küche auch von Katharina Seiser. In "Immer schon vegan" präsentiert sie "Traditionelle Rezepte aus aller Welt" und zeigt, dass das Label "vegan" neu ist, aber nicht die vegane Küche. Sie lädt ein zu scharf-saurer indischer Tomatensuppe, türkischem Lauch-Karotten-Gemüse oder italienischem Traubenkuchen (Brandstätter, 176 S., 25 Euro). Ebenso ist Bettina Steitz ausgezogen, Rezepte aus aller Welt zu sammeln, die in "Vegan rockt!" mit Reisegeschichten garniert sind (Edition Lempertz, 208 S., 14,99 Euro; April). Hier gibt es australisches BBQ, amerikanische Campingküche oder kanadische Aussteigergerichte.

Spanien, das Heimatland ihres Mannes, hat Petra Balzer verführt: Sie serviert "33 vegane Tapas. Köstliche Kleinigkeiten für jede Gelegenheit" (Edition Michael Fischer, 48 S., 9,99 Euro). Diese Appetithäppchen müssen einem aber nicht Spanisch vorkommen. Tanja Bischof zaubert auch nicht-spanische "Veggie Tapas. Gemüse-Minis süß & pikant" aus deutschen und anderen Länderküchen (BLV, 128 S., 14,99 Euro).

Nicht einmal auf schlechte Angewohnheiten, sprich Burger, muss man verzichten: Michaela Russmann serviert "Fast Food vegan" (Bassermann, 80 S., 9,99 Euro; ET: 27.4.). Und wie "RohVegan" geht, weiß die Schweizerin Christine Mayr, die ohne Herd und Ofen zaubert: Zucchini-Zitronen-Süppchen, Rote-Bete-Ravioli mit Cashew-Pinienkern-Kräuterkäse oder Macadamiakäse mit Pistou de la Provence (AT, 284 S., 29,90 Euro).

Das ist nicht nur gesund, sondern lecker, betonen die Küchenautoren. Auch für das Sahnehäubchen am Ende eines Mahls oder für den Nachmittag gilt: Verzicht war gestern – "Vegan und süß" geht ebenfalls. Konditorweltmeister Bernd Siefert zeigt, wie man ohne Butter und Eier in Kuchen, Cookies und Desserts schwelgt. Mit seinen Rezepten kann man seine Lieben mit Apfelstrudel, Creme Brûlée oder einer Zitronentarte mit Blaubeeren verwöhnen (Matthaes, 160 S., 24,90 Euro). "Vegan backen" geht auch mit Dr. Oetker. Hier gibt es Scones mit Datteln zum Tee, Schweizer Nusstorte oder Orientalisches Früchtebrot (Dr. Oetker, 96 S., 12,99 Euro).

Tipps für Einsteiger

Was geht und wie es geht, erklärt Sebastian Copien in "Die vegane Kochschule" (Christian, 256 S., 29,99 Euro). In der Warenkunde stellt er vegane Produkte vor und erklärt das Kochen mit Gemüse und Kräutern mit bebilderten Schritt-Anleitungen und vielen Tipps. Dazu gibt es 50 Basisrezepte und 150 saisonale Vorschläge, einen Saisonkalender und Gemüseporträts.

Ein Einsteigerbuch im Handtaschenformat hat Sonja Reifenhäuser geschrieben: "Vegane Lebensmittel. Der Nährwert-Kompass für eine gesunde Ernährung" (GU, 96 S., 7,99 Euro). Sie erklärt, wie man sich auf ein Leben ohne tierische Produkte umstellen kann, und wer befürchtet, sich vegan nicht ausgewogen zu ernähren, kann sich hier Sicherheit holen. Es gibt zudem Tipps, was man beim Einkaufen und auswärts Essengehen beachten sollte. Schnupperrezepte für Einsteiger machen Appetit auf mehr.

An frische Gemüsefans richtet sich ebenfalls Alexandra Jamieson mit "Vegan leben für Dummies" (Wiley-VCH, 360 S., 16,99 Euro). Auch sie erläutert, mit welchen Lebensmitteln man Fleisch, Eier und Sahne ersetzen kann, und zudem, wie man ohne Wolle, Leder und nicht-vegane Kosmetik zurechtkommt. Ratschläge für den Umgang mit Nicht-Veganern gibt es auch.

Nicht nur an Einsteiger, sondern an alle, die Aufwand scheuen, wendet sich Sue Quinn mit "Easy vegan. 140 Lieblingsrezepte von Burger bis Schokokuchen". Hier erfährt man, was bei einer Pilz-Lasagne zu beachten ist, man lernt veganen Käse kennen und findet Rezepte für Snacks ebenso wie für Hauptgerichte: lecker und leicht nachzukochen (Dorling Kindersley, 256 S., 19,95 Euro; ET: 2.4.).

Gut geeignet für Einsteiger ist auch Gabriele Bräutigams "Wilde grüne Küche", in der sich alles um Wild- und Heilkräuter dreht (Hans Nietsch-Verlag, 192 S., 19,90 Euro). Hier findet man 50 vegetarische Rezepte für schnelle Power-Snacks mit Vegan- und "To go"-Variationen.

Wie man Kindern Appetit auf Gesundes macht, zeigt Jasmin Hekmati in "Das vegane Familienkochbuch" (ars vivendi, 192 S., 24,90 Euro; ET: 31.5.). Sie serviert Safransahne-Gnocchi mit Zucchini und Granatapfelkernen, knusprige Kichererbsen-Pfannkuchen mit selbstgemachtem Ketchup oder saftig-nussige Rübli-Muffins. Corinne Matzka und Jonas Engelmann haben ebenfalls Familien im Blick in "Vegane Eltern – junges Gemüse" (Ventil, 144 S., 12,90 Euro; Juli). In dem "Handbuch für den veganen Familienalltag" geben sie Tipps, auf welche Nährstoffe Veganerinnen während der Schwangerschaft besonders achten müssen oder was der Mangelernährung von Kindern vorbeugt. Zudem geht es um vegane Kleidung und um Spielzeug, Haustierhaltung, Zoobesuche oder die rechtliche Situation der Kindergartenverpflegung.

Volker Mehl hat nicht nur leckere Gerichte, sondern auch die Ernte der Zutaten im Sinn. In seinem vierten ayurvedischen Rezeptbuch gibt er Tipps zum Selberpflanzen im Garten und auf dem Balkon: "Back to the Wurzeln. Vegetarische und vegane Rezepte für Selbstversorger" (Kailash, 272 S., 19,99 Euro).

Den Körper im Blick

Yoga und Kochen gehören für Heather Donaldson und Martin Riedel zusammen, und sie meinen es ernst damit, den Körper als Tempel zu sehen, und versorgen ihn vegan, zucker- und sojafrei, rohkostreich und Superfood-gespickt. In "Pink Elephant Cooking" garnieren sie ihre Rezepte mit den dazugehörigen Geschichten: Sie erzählen, wie sie in Indien zu "Peanut Masala" und in Bayern zu "Nutty Mangold" gekommen sind (Südwest, 144 S., 19,99 Euro).

Vegan ist nicht nur vielfältig, lecker und gesund, sondern auch leistungssteigernd, weiß Brendan Brazier. Der kanadische Triathlet und Ironman hat das Fitnessbuch "Vegan in Topform" geschrieben (Unimedica, 260 S., 24 Euro). Außerdem erscheint von ihm unter demselben Titel ein Kochbuch mit 200 pflanzlichen Rezepten "für optimale Leistung und Gesundheit" (Unimedica, 440 S., 29 Euro).

Vegane Küche: pro und contra

Es wird nicht nur geschnibbelt, es besteht auch Gesprächsbedarf, und hier legt sich Andreas Bär Läsker, der Manager der "Fantastischen Vier", ins Zeug. "Vegan essen hat den Nimbus von Langeweile, Extremismus, Anstrengung, Spaßfreiheit und sozialer Ausgrenzung", resümiert er und hält dagegen: Nichts davon sei wahr. "Wir benötigen keine tierischen Lebensmittel. Ist das tote Fleisch erstmal vom Speiseplan verschwunden, kommt richtig Leben in die Küche." Er ernährt sich seit vier Jahren vegetarisch und seit zwei Jahren vegan und erzählt davon in "No need for meat. Oder: Vegan ist, wenn man trotzdem lacht", einem "teilautobiographischen Ernährungsumstellungs-Inspirationsratgeber mit illustriertem Kochbuchanteil" (Trias, 216 S., 24,99 Euro).

Schützenhilfe für alle, die nicht jagen und schlachten, sondern nur ernten wollen, gibt auch Schauspielerin Marion Kracht. Sie hat schon 1989 begonnen, ihre Ernährung umzustellen, und betont nicht nur Tierschutz- und Gesundheits-, sondern auch Klimaschutzaspekte. In "Kracht kocht" präsentiert sie viele ihrer eigenen Rezepte (Cadmos, 128 S., 19,95 Euro; ET: 8.4.).

Udo Pollmer, Georg Keckl und Klaus Alfs sehen das alles ganz anders und haben eine Kampfschrift gegen die Veggie-Diktatur verfasst. Sie erklären in "Don’t go veggie. 75 Fakten zum vegetarischen Wahn", warum sie von einem Speiseplan ohne Fisch und Fleisch nicht viel halten, warum politisch korrektes Essen nicht den Planeten rettet und es hirnlos ist, den Menschen als geborenen Pflanzenesser zu sehen: "Offenbar merkt niemand mehr, dass fleischlose Kost und Veganismus kulturelle ‚Degenerationsphänomene‘ reinsten Wassers sind. Sie setzen eine Überflussgesellschaft mit intensiver Landwirtschaft voraus, die Überschüsse produziert und so den Kunden die Wahl lässt, was sie denn speisen wollen. In allen anderen Gesellschaften wird mit Dankbarkeit (fast) alles gegessen, was essbar ist" (Hirzel, 222 S., 19,80 Euro).

Vegan zum Schmunzeln

Im Allgäu, wo Fleisch- und Wurstgerichte Zuhause sind, hält sich die Liebe zum Tofu ebenfalls in Grenzen. Wolf Brechtels Krimi "Schlachtplatte vegan" beginnt dann auch gleich mit launig-ruppigen, dialektgefärbten Seitenhieben auf Stadtflüchtlinge, die auf dem Land Gemüse und Heilsteine für sich entdecken (Emons, 172 S., 9,90 Euro; ET: 8.4.). Auch Zeichner lassen den nötigen Ernst gegenüber Karotte, Zwiebel & Co vermissen. In "Vegane Cartoons" darf sich der Gast über die Fliege in seiner vegetarischen Suppe beschweren – und die wird prompt durch ein garantiert fleischfreies Haar ersetzt (Holzbaum, 64 S., 10 Euro).

Im wahren Küchenleben sollten es lieber Paprika und Tomate sein, Aubergine und Lauch statt Speck, Wurst und Sahneschnittchen: gesund und lecker für Veganer und alle, die es werden wollen oder sich zwischendurch mal pflanzliche Auszeiten gönnen.