Kommentar zu Volontariaten

Das Murren der Machtlosen

9. April 2015
von Börsenblatt
"Lehrjahre sind keine Herrenjahre", sagt das Sprichwort. Der Branchennachwuchs darf aber darauf pochen, dass Lehrjahre etwas mit Ausbildung zu tun haben sollten. Vor allem bei Volontariaten gibt es Nachholbedarf, findet Börsenblatt-Redakteur Kai Mühleck.

In der Buchbranche Fuß zu fassen, fällt Berufseinsteigern oft schwer. Ob beim Karrieretag Buch + Medien auf der Leipziger Buchmesse oder beim Recruiting Day in München – kein Event, auf dem der Nachwuchs nicht fragt: "Und wie kommt man an diese Stellen?" Bemerkenswert dabei: Das Nachbohren der Interessierten findet immer häufiger auch auf öffentlichen Podien statt.

Monatelanges Suchen und Dutzende erfolgloser Bewerbungen, viele davon ohne Antwort, das gilt heute schon als üblich bei Bewerbungsverfahren und ruft kaum mehr als ein Achselzucken hervor. Der Nachwuchs beklagt immer lauter mangelnde Einstiegschancen und eine als miserabel empfundene Bezahlung. Kein Wunder, liegt das Durchschnittsgehalt eines Volontärs laut einer aktuellen Umfrage der Jungen Verlagsmenschen doch weit unter dem Mindestlohn.

Niemand wird ernsthaft infrage stellen wollen, dass man von 1.100 Euro brutto in einer Stadt wie München, Hamburg oder Köln kaum leben kann – fast jeder dritte Volontär sichert seine Existenz während des Volontariats konsequenterweise durch einen Zweitjob. Vergleich: Bei einer 40-Stunden-Woche beträgt der gesetzliche Mindestlohn seit Jahresbeginn mehr als 1.400 Euro (zum Mindestlohn-Rechner), doch Volontariate sind als Ausbildungsverhältnisse ausgenommen.
Mehr als 90 Prozent der befragten Volontäre gaben in der Studie an, sie seien auf ihrer Stelle fest eingeplanter "Ersatz" für eine reguläre Fachkraft. Man mag die Generation Y für vermessen und verzärtelt halten ("Lehrjahre sind keine Herrenjahre") – aber sie darf darauf pochen, dass Lehrjahre etwas mit Ausbildung zu tun haben sollten. Nur 19 Prozent der Volontäre haben allerdings laut Befragung jemals einen Ausbildungsplan zu Gesicht bekommen. Das ist inakzeptabel.
In Zeiten des oft beschworenen Fachkräftemangels muss die Buchbranche in Sachen Ausbildung noch große Fortschritte machen, wenn sie für den Nachwuchs attraktiv bleiben will.  Auf Arbeitgeberbewertungsportalen im Internet werden heute auch den Unternehmen Noten ausgestellt. Dort negativ aufzufallen, muss man sich erst einmal erlauben können.

(Zur Umfrage der Jungen Verlagsmenschen, an der der Branchennachwuchs weiterhin zur Teilnahme aufgerufen ist)