Bahnhofsbuchhandlung Ludwig

Lesewelten in historischem Ambiente

10. April 2015
von Cornelia Birr
Am 20. und 21. April trifft sich der Bahnhofsbuchhandel zur jährlichen Tagung in Berlin. Das Motto: "Stärken erhalten, Zukunft gestalten". Nichts als Stärken offenbart die Buchhandlung Ludwig im Leipziger Hauptbahnhof, die wir aus Anlass der Jahrestagung der Bahnhofsbuchhändler porträtieren. Außerdem: aktuelle Zahlen zur Branche.

Wer die Ludwig-Buchhandlung im Leipziger Hauptbahnhof zum ersten Mal betritt, ist verzaubert. Im ehemaligen Preußischen Wartesaal der Deutschen Bahn erwartet den Reisenden auf 1.000 denkmalgeschützten Quadratmetern nicht nur Lesestoff in Hülle und Fülle, sondern auch eine beeindruckende historische Architektur.

Sind Bahnhofsbuchhandlungen häufig hektisch und auf schnellen Durchlauf ausgelegt, macht man im Leipziger Ludwig ganz andere Erfahrungen. Geräumige Gänge, eine großzügige Aufteilung und der Charme der Räumlichkeiten strahlen Ruhe aus und laden zum längeren Verweilen ein.

Auf Tischen und in Regalen präsentieren sich dem Käufer rund 15.000 Bücher, das gesamte deutsche Pressesortiment sowie eine imposante Auswahl an internationalen Zeitungen und Zeitschriften. Wer einen Schmöker für die bevorstehende Zugfahrt sucht, kommt ebenso auf seine Kosten wie Fans von Kochbüchern, Reiseführern, Bildbänden oder Literatur über Modelleisenbahnen.

Im hinteren Teil der Buchhandlung führt eine breite Treppe auf eine zweite Ebene, auf der sich ein Café befindet. Hier kann der Besucher in Büchern blättern, während er Kaffee und Kuchen genießt. Ein Aufzug ermöglicht auch Rollstuhlfahrern die freie Bewegung im Geschäft.

 

Schönste Bahnhofsbuchhandlung Deutschlands

1997 wurde die Ludwig-Filiale im Leipziger Hauptbahnhof auf der Westseite des Querbahnsteigs eröffnet, seit 2008 findet man sie im ehemaligen Wartesaal. Der Umzug hat sich gelohnt: Die Buchhandlung gilt als schönste Bahnhofsbuchhandlung Deutschlands. Das hat sich inzwischen auch außerhalb des Landes herumgesprochen. So stieß der Chefredakteur des internationalen Lifestyle-Magazins "Monocle" bei einem Aufenthalt in Leipzig zufällig auf das Geschäft und schickte kurzerhand ein Team vorbei. Seitdem ist die Filiale stolze Preisträgerin ("Most eye-catching newsstand") und fand in einer Reiseausgabe des in London verlegten Magazins als einer von 50 weltweiten Reisetipps Erwähnung.

Leiterin der Buchhandlung sowie vier weiterer Filialen der Dr. Eckert-Gruppe im Leipziger Hauptbahnhof ist Heike Lobin. Sie sei jeden Tag froh, in ihrem Geschäft zu sein, sagt die 50-Jährige, und man glaubt ihr sofort. Am schönsten sei es am Nachmittag, so Lobin, "dann scheint die Sonne durch die großen Fenster und man kann von den Fenstertischen im Café zwischen Kaffeeduft und Geschirrgeklapper den Trubel auf dem Bahnhofsvorplatz beobachten."

Lesen und lesen lassen

Ein fester Stamm von etwa 20 Mitarbeitern kümmert sich um die mehr als 1.000 zahlenden Kunden, die sich täglich mit Lektüre eindecken. Zur Stammkundschaft der Buchhandlung gehören zahlreiche Leipziger Literaten. In den Ferien schauen Schulklassen vorbei und lassen sich vorlesen - das geht auch schon mal ohne Anmeldung. Erwachsene Leser kommen in wöchentlichen Abendveranstaltungen auf ihre Kosten: Es gibt Buchpremieren, Diskussionsrunden, Lesungen. Die Veranstaltungen finden im Historischen Speisesaal statt, den die Buchhandlung vom benachbarten Pizza Hut anmietet.

Flaue Tage kennt man nicht im Leipziger Ludwig, die umsatzstärksten Tage sind Freitag, Samstag und Sonntag. Generell gilt: Wenn andere Leute Ferien machen, herrscht in der Filiale Hochkonjunktur. Ausnahmen gibt es, wenn Unvorhergesehenes geschieht. So bescherte der Warnstreik der Lokführer im Herbst 2014 der Buchhandlung Umsatzeinbrüche von etwa 30 Prozent. Und auch der erste Legida-Aufmarsch im Januar 2015 ging nicht spurlos am Laden vorbei. Zwar  befolgte Lobin die Empfehlung des Bahnhofscenter-Managements nicht, das Geschäft bereits 14.00 Uhr zu schließen. Gleichwohl spürte man den Ausnahmezustand der Stadt, in der ab Mittag der öffentliche Nahverkehr eingestellt war - es kam schlichtweg kaum jemand vorbei.

 

"Liebe zur Literatur reicht nicht aus"

Derzeit werden in der Leipziger Ludwig-Filiale fünf Buchhändler ausgebildet. Wie sieht der ideale Buchhändler für Heike Lobin aus? Rund ums Buch finden sich viel Idealismus und viele Träume, sagt sie. Die Liebe zur Literatur allein reiche jedoch nicht aus, die setze sie voraus. Vielmehr brauche es ein offenes Wesen, eine freundliche Natur, ein Interesse am Menschen. Viele unterschätzten zudem die körperliche Anstrengung, die ein Job mit sich bringt, in dem man achteinhalb Stunden auf den Beinen ist.

Wer in der Leipziger Ludwig-Filiale arbeitet, bedient im Laufe einer Schicht täglich mehr als 500 Leute. Das Spektrum reicht dabei vom Bildzeitungskäufer über den Intellektuellen bis hin zum Künstler. Sie alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und möchten mit einem Lächeln in den Tag geschickt werden, sagt Lobin. In dieser Buchhandlung gelingt das auch.

 

Der Bahnhofsbuchhandel in Zahlen

Nach Angaben des Verbands Deutscher Bahnhofsbuchhändler wurden 2014 mit Presseerzeugnissen und Büchern am Gleis ca. 350 Mio. Euro umgesetzt. Das entspricht trotz sinkender Presseumsätze dem Vorjahresniveau (350 Mio. Euro). Der Umsatz wurde zu 75 Prozent über Presseverkäufe erzielt. Die restlichen 25 Prozent verteilen sich auf Bücher, kartografische Erzeugnisse u.ä.

Laut Branchenmonitor Buch hat der Bahnhofsbuchhandel in Deutschland einen Umsatzanteil am Gesamtbuchmarkt von etwa 0,7 Prozent. Am Einzelverkauf für Presseerzeugnisse sind die deutschen Bahnhofsbuchhändler mit rund 9 Prozent beteiligt: Jede neunte Zeitschrift wird im Bahnhofsbuchhandel verkauft.

Deutsche Bahnhofsbuchhändler haben in den letzten Jahren viel in die Modernisierung ihrer Läden investiert. Allein 2014 wurden knapp 30 Bahnhofsbuchhandlungen umgebaut bzw. erneuert. Derzeit gibt es deutschlandweit etwa 450 Verkaufsstellen an 340 Standorten mit insgesamt 3.200 Beschäftigten.