Interview zum Auftakt der AWS-Tagung

"Wir müssen am Ball bleiben"

4. Mai 2015
von Börsenblatt
Heute beginnt die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Sortiments- und Fachbuchhandlungen in Weimar / AWS (4.−6. Mai) − das Motto lautet: "Den Erfolg wagen". Im Interview mit boersenblatt.net erläutert AWS-Vorstandsmitglied Thomas Wich wichtige Programmpunkte und was die Branche umtreibt.

Drei Tage AWS-Tagung in Weimar. Wie viele Teilnehmer kommen?Wir haben 130 Anmeldungen – leicht über dem Niveau der Vorjahre. Erfreulich ist, dass auch neue Namen auf der Teilnehmerliste auftauchen. Insgesamt haben wir eine schöne Mischung aus bewährt und neu, alt und jung.

Welche Schwerpunkte setzen sie?Wir haben versucht ein Programm aufzustellen, das sehr praxisnah ist. Haben Themen ausgesucht, die tatsächlich auch unmittelbar umgesetzt werden können – wo Teilnehmer Impulse bekommen können. Ausschreibungen werden ein wichtiges Thema sein. Und natürlich Vertrieb, konkret an den Beispielen Datenbanken und Zeitschriften. Praktiker aus der Mitgliedschaft berichten beispielhaft aus ihrem Alltag.

In der Einladung spricht die AWS von einschneidenden Ereignissen für den Fachbuchhandel im vergangenen Jahr? Welche waren das?Im letzten Jahr ragten sicherlich zwei Ereignisse heraus, die mit unterschiedlichen Gewichtungen uns umgetrieben haben. Zum einen die Swets-Insolvenz und zum anderen die Bundle-Problematik. Ansonsten ist der Umbruch ein permanenter. Ein fortlaufender Prozess, in dem sich die AWS-Mitglieder seit nunmehr vielen Jahren befinden und – natürlich mit abgestufter Qualität – auch meistern.

Zur Swets Insolvenz findet eine Podiumsdiskussion statt…Wir haben das Thema aufgenommen und wollen die verschiedenen Positionen der Marktteilnehmer − Verlag, Handel, Bibliotheken − in unserer Podiumsdiskussion transparent machen. Dann gemeinsam überlegen, ob und wie die divergierenden Interessen bedient werden können. Ohne vorwegzugreifen, nur so viel: Klar ist, die Bibliotheken wollen Geld sparen und lagern Prozesse aus, die Verlage wollen ihre Produkte in den Bibliotheken platzieren und es ist nicht immer ganz klar, inwieweit der Handel mit einbezogen werden soll.

Was war denn die größte Gefahr, die von der Swets-Insolvenz für den Fachbuchhandel ausging?Das Risiko lag wohl eher auf Seiten der Bibliotheken und Verlage, da es zu Liefer- und Zahlungsunterbrechungen hätte kommen können. Für den Handel lag die Herausforderung darin, in extrem kurzer Frist große Volumina umstellen zu müssen.

Sind Sie mit der Lösung zufrieden?Für die Bibliotheken und Verlage war es gewiss wichtig, dass ein erfahrener Library Supplier eingesprungen ist. Und sicher haben die Schweitzer Kollegen die Expertise, das Geschäft erfolgreich zu führen.

Als zweites einschneidendes Ereignis nennt die AWS die Bundle-Problematik. Wie wirkt sich diese auf Ihre Branche aus?Zunächst hatten wir ausgesprochen aufwändige und teure Umstellungsprozesse in unseren Buchhaltungs- und Abrechnungssystemen zu bewältigen. Ungeplant. Und das Thema begleitet uns weiter, denn vielen ausländischen Verlagen – die inländischen haben nach einigen Anlaufschwierigkeiten inzwischen das Thema umgesetzt – ist die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums schwer nahe zu bringen.

Der digitale Wandel ist ja gerade für den Fachbuchhandel von großer Bedeutung. Was muss hier getan werden?Auch hier gilt: die Veränderung ist nicht neu. Klar scheint mir, dass auf Seiten des Handels immer mehr Geld investiert werden muss in weitere Services und der Margendruck seitens der Verlage weiter steigen wird. Hier ist es immens wichtig, dass alle Seiten, auch die Bibliotheken, begreifen, dass ein Mehrwert auch mehr wert ist. Und zwar in Euro. Wir machen seit 20 Jahren digitales Geschäft. In der Außendarstellung sieht es immer so aus, als ob wir gerade erst damit anfangen würden. Dem ist nicht so – wir sind mittendrin drin und müssen einfach am Ball bleiben. Es werden nicht alle mitgehen können, aber die, die jetzt erfolgreich sind, werden auch weiterhin erfolgreich bleiben.

Wie gehen sie mit dem zunehmenden Direkt- Geschäft der Verlage um?Das war immer eine Herausforderung, da müssen wir im Gespräch bleiben, mit Verlagen und Bibliotheken.

Auf der anderen Seite steht das Printbuch. Hat dieses im Fachbuchhandel eine Zukunft?Klar ist die Tendenz Print zu Online. Je nach Fachgebiet unterschiedlich schnell und vollkommen. Es gibt Fachgebiete, in denen Print so gut wie überhaupt keine Rolle mehr spielt und es gibt andere, wo dieser Transformationsprozess deutlich langsamer abläuft als prognostiziert. Allerdings ist dieser Prozess nicht mehr aufzuhalten. Im naturwissenschaftlichen Bereich findet man weniger Print als bei Geisteswissenschaften, wo es nicht so sehr auf tagesaktuelle Forschungsergebnisse ankommt.

Zurück zur Tagung: Eine Veranstaltung dreht sich um ISO-Zertifizierung. Was kann man sich darunter vorstellen?Eine ISO-Zertifizierung − dabei geht es um Abläufe und Prozesse − ist in unserer Branche (noch) kein Standard. Aber bei Ausschreibungen von Industrieunternehmen taucht diese Anforderung mitunter auf. Wie wollen uns damit beschäftigen, wie läuft so eine Zertifizierung im Handel ab und welche Herausforderungen ergeben sich daraus. Ich glaube, da erwartet uns ein spannender Praxisbericht.

… und beim Vortrag über die digitale Transformation im Buchhandel?Da bin ich auch gespannt. Ich wünsche mir einen unterbrechungsfreien E-Prozess. Momentan sind wir da noch nicht ganz.

Unterbrechungsfreier E-Prozess?Wir handeln mit digitalen Medien, wir erstellen digitale Rechnungen, wir haben E-Procurement-Systeme. Das läuft alles eigentlich schon ganz gut, aber manchmal macht man es noch ein bisschen mit der Hand am Arm. Da muss die gesamte Prozesskette effizienter werden.

Erstmals wird auch in Kleingruppen getagt. Um was geht es dort?2012 hat die AWS einen Leistungskatalog des Fachbuchhandels erstellt. Das war zur Ergänzung zum damaligen Papier des Sortimenter-Ausschusses im Börsenverein. Darin ist aufgezählt, welche Leistungen der Fachbuchhandel erbringt für die Verlage und Kunden. Wir wollen nun mit unseren Partnern aus den Verlagen und anderen diskutieren, ob und was wir gegebenenfalls Updaten sollten. Die anderen Themen der Tagung fließen natürlich mit ein.

Was sollen die Teilnehmer aus Weimar mitnehmen?
Zuversicht.

Interview: Matthias Glatthor

Thomas Wich ist Geschäftsleiter der Fachbuchhandlung Sack in Frankfurt am Main. Im AWS-Vorstand ist er derzeit Vorsitzender.

Weitere Informationen zur Tagung und das komplette Programm finden sich auf der AWS-Website.