Wirtschaftspressekonferenz des Börsenvereins

Branchenbilanz 2014: Es fehlten die großen Bestseller

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Umsatz auf dem deutschen Buchmarkt ist 2014 um 2,2 Prozent gesunken. Der Börsenverein sieht trotzdem positive Signale, forderte die Politik bei seiner Wirtschaftspressekonferenz in Frankfurt aber auch zu wirkungsvoller Marktmachtkontrolle gegenüber Online-Konzernen auf.

Der Markt ist in Bewegung – aber die Buchbranche hat keinen Grund, sich selbst und das Bücherjahr 2014 kleinzureden: Das machte der Börsenverein am Dienstag dieser Woche beim jährlichen Pressegespräch im Frankfurter Haus des Buches deutlich. "Die Verlage behaupten sich im Print- wie auch im Digital-Geschäft und der stationäre Buchhandel entwickelt sich stetig besser als der Onlinehandel", teilte der Verband den Journalisten mit: Insgesamt zeige sich die Branche "aktiv und selbstbewusst" – auch wenn der Umsatz des gesamten Buchmarkts 2014 um 2,2 Prozent auf 9,32 Milliarden Euro gefallen sei. Den Grund für diesen Umsatzrückgang sieht der Börsenverein vor allem in den fehlenden großen Bestsellern: 2014 sind mit den zehn Toptiteln auf dem Buchmarkt 20,2 Prozent weniger Umsatz gemacht worden.

Vertriebskanäle im Vergleich

Der stationäre Buchhandel hat 2014 einen Umsatz von 4,58 Milliarden Euro erwirtschaftet und behauptet damit klar seine Position als größter Vertriebsweg. Auch wenn die Einnahmen des Sortiments um 1,2 Prozent gesunken sind: Der Anteil am Gesamtmarkt ist im vergangenen Jahr erstmals wieder gestiegen. Er liegt jetz bei 49,2 Prozent (2013: 48,6 Prozent).

Einen deutlichen Umsatzrückgang von 3,1 Prozent hatte nach Börsenvereinsberechnungen der Internet-Buchhandel zu verbuchen. Er sicherte sich 2014 nur noch 16,2 Prozent vom Umsatzkuchen, das entspricht einem Gesamtumsatz von 1,51 Milliarden Euro. Einen massiven Umsatzeinbruch von 26 Prozent musste der klassische Versandbuchhandel hinnehmen, hier dürfte nicht zuletzt die Weltbild-Krise ihre Spuren hinterlassen. Mit dem Buchverkauf via Katalog, Mailing oder Telefon wurden nur noch 161 Millionen Euro umgesetzt. Der Anteil am Gesamtmarkt lag bei 1,7 Prozent. Ein gutes Ergebnis erwirtschafteten demgegenüber die Verlage mit ihrem Direktgeschäft (1,9 Milliarden Euro, plus 1,5 Prozent, Marktanteil: 20,4 Prozent). Die Präsentation des Börsenvereins mit allen vorgestellten Zahlen finden Sie unter www.boersenverein.de/buchmarkt2014 - oder am Ende des Artikels als Download.

"Das Jahr war für uns ein gutes, obwohl die starken Bestseller gefehlt haben", betonte Börsenvereinsvorsteher Heinrich Riethmüller bei der Wirtschaftspressekonferenz. "Zum zweiten Mal in Folge liegt der stationäre Buchhandel vor dem Online-Buchhandel, die Schere zwischen der Umsatzentwicklung beider Vertriebswege öffnet sich sogar immer weiter. Das ist beeindruckend, aber nicht überraschend, denn der Buchhandel steckt viel Energie in den Ausbau und die Modernisierung seiner Konzepte".

Der stationäre Buchhandel fühle sich deshalb in seiner Neuausrichtung bestätigt und blicke zuversichtlich in die Zukunft, sagte Riethmüller: "Die Aktivitäten der vergangenen Jahre tragen jetzt erste Früchte. Dazu gehören ein zielgenaues Marketing, die stärkere Einbindung der Kunden in die Aktivitäten und der Ausbau des eigenen Online-Geschäfts sowohl mit Print-Titeln als auch mit E-Books." Der Buchmarkt sei in permanenter Bewegung. "Ich bin mir sicher, dass es in den nächsten Jahren einige Veränderungen und neue Allianzen geben wird – vielleicht eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Buchhandlungen und Verlagen oder Autoren", so Riethmüller.

Für Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis ist Deutschland ein Land der Leser. "Als zweitgrößter weltweit ist der deutsche Buchmarkt in seiner Qualität und Vielfalt vorbildlich und die Marktentwicklung insgesamt stabil", machte Skipis deutlich. "Dieses Angebot wollen wir erhalten und ausbauen, befürchten aber, dass monopolartige Unternehmen wie Amazon versuchen, ihre Dominanz durch Missbrauch ihrer Marktmacht immer stärker auszuspielen." Der Börsenverein beobachte Konzentrationstendenzen auf dem Markt, insbesondere im Online-Geschäft. "Wir fordern die EU-Kommission deshalb auf, eine wirkungsvolle Marktmacht- und Einflusskontrolle einzurichten, die dem digitalen Zeitalter angemessen ist."

Amerikanische Internetkonzerne wie Amazon, Apple und Google seien es, die "ein massives Interesse daran haben, dass die Buchpreisbindung zu Fall gebracht wird", warnte Skipis vor dem Hintergrund der Gespräche über das Freihandelsabkommen TTIP. Der Börsenverein sei generell kein Gegner des Freihandelsabkommens, betonte Skipis, TTIP erfülle ihn aber mit der Sorge, dass die Buchpreisbindung angestastet werden könnte. Versicherungen der EU-Kommission, dass man derzeit bei TTIP nicht über die Buchpreisbindung spreche, genügten nicht. Skipis fordert für den Fall, dass die USA die Buchpreisbindung auf den Verhandlungstisch legen, eine verbindliche Erklärung der EU-Kommission des Inhalts, dass man nicht darüber verhandele.

Weitere Wirtschaftszahlen für 2014

  • Ein starkes Jahr 2014 hat vor allem die Warengruppe Sachbuch hinter sich: Der Umsatz in diesem Segment kletterte um 5,4 Prozent, der Umsatzanteil stieg von 9,4 auf 10,1 Prozent. Zulegen konnten auch die Warengruppen Ratgeber (plus 1,2 Prozent) und Reisen (plus 0,8 Prozent). Eher schwierige zwölf Monate liegen dagegen hinter der traditionell stärksten Warengruppe im Publikumsmarkt: der Belletristik. Nach einem stabil hohen Umsatz im Jahr 2012 (nicht zuletzt durch die "Shades of Grey"-Reihe) und einem Umsatzrückgang von 3,5 Prozent im Jahr 2013, ging der Umsatz dieser Warengruppe – ohne ausnehmend starke Bestseller – im vergangenen Jahr nochmals um 6,7 Prozent zurück. Der Umsatzanteil schrumpfte auf 32,4 Prozent (2013: 34,1 Prozent).
  • Bei der Titelproduktion (Erstauflagen) haben die Verlage im vergangenen Jahr auf die Bremse getreten: Die Zahl der Erstauflagen sank von 81 919 Titeln im Jahr 2013 auf 73 863 Neuerscheinungen. Rückläufig war die Entwicklung über fast alle Sachgruppen hinweg. Sie betraf aber vor allem die Belletristik, in der 2014 nur noch 14 111 Erstauflagen erschienen sind (2013: 15 610 Erstauflagen), und die Sachgruppe Informatik mit 1 151 Novitäten (2013: 1 656 Erstauflagen).
  • Analog dazu ist auch die Anzahl der Übersetzungen in Erstauflage im Vergleich zum Vorjahr gefallen – und zwar von 10 731 Titeln im Jahr 2013 auf 9 962 Neuerscheinungen im Jahr 2014. Die wichtigsten Sprachen bei den Übersetzungen bleiben Englisch (65,5 Prozent, Vorjahr: 63,9 Prozent), Französisch (10,1 Prozent) und Japanisch (6,8 Prozent).
  • Stabile Zahlen melden die deutschen Verlage dagegen im Rechtehandel: Die Lizenzverkäufe in andere Sprachen bewegten sich 2014 mit 6 443 Lizenzen in etwa auf Vorjahresniveau (2013: 6 466 Verträge). Wichtigste Sachgruppen bleiben hier das Kinder- und Jugendbuch mit 2 362 Lizenzen (36,7 Prozent) und die Belletristik mit 1 197 Lizenzen (18,6 Prozent). 983 und damit die meisten Lizenzen gingen 2014 in die chinesische Sprache, auf dem zweiten Platz folgen mit weitem Abstand die englischsprachigen Titel (450 Lizenzen).

So entwickelt sich das E-Book-Geschäft

Das E-Book hat sich auf dem Markt etabliert, aber es dominiert ihn nicht – dieses Fazit zieht der Börsenverein zur Entwicklung des digitalen Geschäfts in Deutschland.

  • Im vergangenen Jahr ist der Umsatz mit E-Books am Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) um 7,6 Prozent gestiegen, der Anteil der digitalen Bücher an den Einnahmen liegt nun bei 4,3 Prozent (2013: 3,9 Prozent). Im gleichen Zeitraum hat der Absatz von E-Books um 15 Prozent zugenommen.
  • Die durchschnittliche Kaufintensität pro Käufer liegt mit 6,4 E-Books pro Jahr auf Vorjahreslevel. 2014 haben 3,9 Millionen Menschen 24,8 Millionen E-Books erworben, 2013 kaufen 3,4 Millionen Menschen 21,5 Millionen E-Books.
  • Etwa gleichbleibend ist die Verteilung nach Warengruppen am E-Book-Umsatz: Dominiert wird sie zu 84 Prozent von belletristischer Literatur, der Umsatzanteil von Kinder- und Jugendbüchern ist 2014 von sieben auf fünf Prozent gefallen.

Bei den Lesern, die E-Books kennen oder nutzen, sei die digitale Euphorie derzeit leicht gedämpft, so die Einschätzung des Börsenvereins. Der Anteil derer, die Bücher nach eigenen Angaben künftig ausschließlich als gedrucktes Buch kaufen wollen, ist wieder gestiegen. 45 Prozent der Befragten sprachen sich bei der aktuellen Befragung für 2015 für die Printversion aus, im Vorjahr waren es nur 38 Prozent gewesen. Analog dazu geht auch die prognostizierte Parallelnutzung zurück. Gleichbleibend ist mit sieben Prozent der Anteil der hauptsächlichen E-Book-Nutzer.

"Das E-Book hat seinen Platz auf dem Buchmarkt gefunden. Allerdings sinkt das Preisniveau der erworbenen Titel, auch deshalb ist die Umsatzsteigerung nicht mehr so groß wie in den vergangenen Jahren": Dieses Fazit zog Matthias Heinrich, Vorstandsmitglied des Börsenvereins, bei der Wirtschaftspressekonferenz. Aufhorchen lasse die Buchbranche, dass der Anteil der "Sowohl-als-auch"-Leser zurückgehe und insgesamt mehr Leser wieder häufiger zum gedruckten Buch greifen wollen. "Dieses Ergebnis hat uns überrascht. Da aber derzeit vieles im Fluss ist, kann die Entwicklung schnell an Dynamik gewinnen, wenn neue Formen und Vertriebsmodelle den Anreiz zur E-Book-Nutzung wieder erhöhen", so Heinrich.

Mehr in der Broschüre "Buch und Buchhandel in Zahlen 2015"

Alle Zahlen und Daten des Buchmarkts werden zusammengefasst in der Publikation "Buch und Buchhandel in Zahlen 2015", die vom Börsenverein herausgegeben wird. Sie ist ab August über die MVB Marketing- und Verlagsservice des Buchhandels GmbH zu beziehen.

Ausgewählte Zahlen als Infografik liefert das neue Plakat "Buch und Buchhandel in Zahlen", das dem Börsenblatt am 18. Juni beiliegt.