Die Sonntagsfrage

Wer gründet heute eine Buchhandlung?

28. Juni 2015
von Börsenblatt
Dass die Schwierigkeiten für stationäre Händler nicht kleiner werden, ist bekannt. Trotzdem wagen viele mit Büchern den Sprung in die Selbstständigkeit: Sortimentsberater und Verleger Klaus-W. Bramann (Bramann Verlag) über die Gründer von heute, ihre Ideen, Konzepte und Ziele.      

Aufgrund der Erfahrung mit rund 150 Gründungswilligen, die ich auf den Libri-Gründerworkshops in den letzten Monaten kennengelernt habe, eint die Gründer, dass sie in hohem Maße Individualisten sind. Von einem spezifischen Gründertypus würde ich daher nicht sprechen. Die Gründer sind zum Teil noch sehr jung, zum Teil haben sie schon die 50 überschritten. Sie kommen aus unterschiedlichen Motiven, mit unterschiedlich hohem Eigenkapitel und mit höchst divergierenden Erwartungen in unsere Branche. Und es ist auch keine Fokussierung auf bestimmte Orte feststellbar: Die Provinz ist genauso attraktiv wie ein Stadtteil, in dem der Gründer sich wohlfühlt.

In der Mehrzahl kommen die Gründer aus anderen Branchen. Allerdings treffe ich in letzter Zeit verstärkt (ehemalige) Mitarbeiter der dominanten Marktteilnehmer. Deren Flächenreduktion und die damit verbundene Stellenreduzierung macht sich bemerkbar.

Alle Gründungswilligen wissen, worauf sie sich einlassen. Und dass sie nur mit einer guten buchhändlerischen Infrastruktur, betriebswirtschaftlichem Basiswissen und offensiven Marketingstrategien am Markt bestehen können. Innovative Ideen gab es immer – und wird es auch weiterhin geben. Das Entscheidende ist jedoch immer, dass der Laden ›rund‹ läuft und der Unternehmen sich persönlich mit seinem Konzept identifiziert. 

Teure Übernahmen

Übernahmen haben derzeit Konjunktur. Nur die extrem Kreativen nehmen von vornherein davon Abstand. Aber es gibt de facto nicht viele lukrative ›Übernahmekandidaten‹. Viele Unternehmen schätzen den Wert ihrer Firma zu hoch ein und verlangen Preise, die Gründer nicht zahlen können – und mitunter auch zu Recht nicht zahlen wollen. Wie Buchhändler, die einen Nachfolger suchen, und Gründungswillige zusammenfinden können: Ich glaube, auf eine entsprechende Datenbank warten viele. Bis dahin sind die Landesverbände und die Geschäftsstellen des Börsenvereins bevorzugte Anlaufstellen.

Risiko Fremdkapital    

Das größte Problem ist im Grunde ein sehr altes: die Unterkapitalisierung. Diese wird offensiv von mir (und anderen Beratern natürlich auch) angesprochen. Besteht jedoch berechtigte Hoffnung, aufgrund von Standort, Lage, Konzept und Marktkenntnis binnen acht Jahren das aufgenommene Fremdkapitel betriebsintern einzuspielen, mache ich Neu-Gründern Mut.

Und wenn mich jemand fragt, „Wann macht es Sinn, dass Sie zu mir kommen?“, gebe ich seit Jahren dieselbe Antwort: „Kurz bevor Sie den Mietvertrag unterschrieben. Dann müssen Sie mir erklären, wie Sie an diesem Standort und mit diesem Ladenlokal Ihr Konzept verwirklichen wollen!“