Serie: 190 Jahre Börsenverein in 19 Objekten (19/19)

Die Bewahrung des Messefriedens im Oktober 67

6. August 2015
von Börsenblatt
Anti-Springer-Sprechchöre („Klaut die Bücher dieser Viecher!), Flugschriften, Gerangel mit der Polizei - turbulente Szenen spielten sich auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 1967 ab. Im letzten Teil unserer Serie blickt Sylvia Goldhammer vom Institut für Stadtgeschichte Frankfurt zurück auf ein Stück Buchmesse- und Politikgeschichte.

Nach der Ermordung Benno Ohnesorgs im Juni 1967 kam es zu einer Radikalisierung der bundesdeutschen Studentenbewegung. Der Zorn richtete sich gegen die einflussreiche, polarisierende Berichterstattung des Springer-Konzerns. Die im Herbst stattfindende Buchmesse gab der Anti-Springer-Kampagne, zu der sich auch zahlreiche Autoren und Verleger bekannten, die geeignete Plattform. Sie schaukelte sich am 16. Oktober 1967 an den Ständen des Springer-Konzerns hoch. Am Ende des Tages schickte Polizeidirektor Littmann ein Telegramm an den Frankfurter Oberbürgermeister Willi Brundert. Durch den Protest von 100 bis 150 Studenten und Schülern habe die Messe einen „tumultartigen Verlauf" genommen, es sei zum Werfen von Flugblättern und Sprechchören „Enteignet Springer" oder „Klaut die Bücher dieser Viecher" gekommen. Die Messehalle war geschlossen und die Polizei herbeigerufen worden. Buchmessedirektor Sigfred Taubert stand im Kreuzfeuer der Kritik.

Es waren nicht nur die Studenten, die zur Politisierung des Buchmarkts geführt hatten. Bereits vor der Buchmesse war ein monatelanger Konflikt um die Beteiligung der ostdeutschen Verlage und die politisch brisante Frage entstanden, ob diese unter der Staatsbezeichnung DDR ausstellen durften. Und auch die vom Staatsverlag der DDR ausgelöste Braunbuchaffäre ließ die Buchmesse nicht aus den Schlagzeilen kommen.

Im Nachklang wurde erstmals eine Hausordnung für die Messe 1968 verabschiedet. Sie verbot das Verteilen von Flugschriften oder Aushängen von Plakaten und ermöglichte der Ausstellungs- und Messe GmbH bei Störung des Messefriedens die Hallen für die Öffentlichkeit zu sperren. Viele Verleger fühlten sich dadurch provoziert. Die Buchmesse, ein Hort der Freiheit und des Meinungsaustauschs oder Teil des „Establishments“?

Die politischen Ereignisse ein Jahr später, 1968, und die umstrittene Friedenspreisverleihung an Léopold S. Senghor sollten nochmals zeigen, wie sehr sich die Buchmesse politisiert hatte.

Wer die Hintergründe und Details recherchieren möchte, kann im Institut für Stadtgeschichte die Bestände des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nutzen. Diese sind mit über 3.000 Kurztiteln in der Archivdatenbank eingestellt, zu der man über die Homepage des ISG www.stadtgeschichte-ffm.de gelangt. Hier finden sich beispielsweise Aktentitel wie Besondere Vorkommnisse auf der Buchmesse oder die Vorstandsprotokolle. Auch die Materialsammlung des damaligen Vorstehers Friedrich Georgi enthält zahlreiche Akten zu den Buchmesseereignissen um die 1968er-Bewegung. Ebenfalls sind die Handakten des ersten Buchmessedirektors Sigfred Taubert zugänglich. Darüber hinaus haben sich die Buchmesseereignisse auch in den städtischen Magistratsakten oder in verschiedenen Sammlungen des Instituts für Stadtgeschichte niedergeschlagen.

Sylvia Goldhammer M. A. /Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
E-Mail: sylvia.goldhammer@stadt-frankfurt.de