Aus dem Arbeitsbericht der Preisbindungstreuhänder

"Mit der Gesetzesnovelle wird eine Sollbruchstelle behoben"

25. August 2015
von Börsenblatt
Die Preisbindung erweist sich auch im 127. Jahr ihres Bestehens als sehr stabil: Das machen die Preisbindungstreuhänder der Verlage in ihrem aktuellen Arbeitsbericht deutlich. Sie analysieren die Gesetzesnovelle, mit der die Preisbindung für E-Books gesetzlich abgesichert werden soll - legen aber auch den Finger in die Wunde, etwa beim Thema TTIP und beim Bibliotheksgeschäft.

Die Politik beweise mit der anstehenden Gesetzesänderung, dass es sich beim Bekenntnis zur Buchpreisbindung, bei der Förderung des Mittelstandes und dem Ziel der Aufrechterhaltung einer vielfältigen Verlags- und Buchhandelslandschaft um ernsthafte Anliegen handele, so das Fazit der beiden Wiesbadener Rechtsanwälte Dieter Wallenfels und Christian Russ. Die einzelnen Bausteine der geplanten Novelle betrachten sie in ihrem Arbeitsbericht genauer.

Was die Preisbindungsnovelle der Branche bringt

  • Die vorgesehene Klarstellung bei der Preisbindung von E-Books sorgt aus Sicht der Preisbindungstreuhänder nicht zuletzt dafür, dass sich das Gesetz nicht nur auf den Verkauf im engeren Sinne, sondern auch auf die zeitlich langfristige, entgeltliche "Gebrauchsüberlassung" von E-Books bezieht, die rein rechtlich auch als Dienstleistung betrachtet werden können.

  • Die Preisbindung für E-Books soll laut Gesetzgeber immer dann gelten, wenn die digitalen Titel als "überwiegend verlags- und buchhandelstypisch" anzusehen sind. "Aus Gründen der Konsequenz" plädieren die Preisbindungstreuhänder dafür, hier auch Selfpublishing-Titel einzubeziehen. Allerdings wird in der Branche über eine Preisgrenze diskutiert, ab der selbstpublizierte E-Books unter die neue Regelung fallen könnten.
  • "Wohl noch bedeutsamer" als die explizite Aufnahme von E-Books ins Preisbindungsgesetz ist für die Preisbindungstreuhänder die geplante Passage zum grenzüberschreitenden Verkauf von preisgebundenen Büchern. Künftig soll ausdrücklich auch bei grenzüberschreitenden Verkäufen nach Deutschland aus einem anderen EU-Staat die deutsche Preisbindung zu beachten sein - eine Regelung, die auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verweist. Damit werde eine "Sollbruchstelle" des aktuellen Preisbindungsgesetzes behoben, so Wallenfels und Russ.
  • Wünschenswert wäre aus Sicht der Preisbindungstreuhänder noch eine weitere Präzisierung, bei der es um Provisionszahlungen geht. Die ergangenen Gerichtsentscheidungen, etwa zur Gewährung von angeblich drittfinanzierten Gutscheinen, würden ein buntes Bild zeichnen und den Händlern keine klaren Vorgaben an die Hand geben. Der Börsenverein habe den zuständigen Ministerien deshalb einen Vorschlag unterbreitet, wonach Absatzförderungsmaßnahmen beim Verkauf preisgebundener Bücher verboten werden sollen, "sofern hierdurch ein Preiswettbewerb begründet oder dem Käufer oder einem Dritten eine wirtschaftliche Vergünstigung versprochen wird, die die Kaufentscheidung beeinflusst."

Warum TTIP ein Thema bleibt

Keine Entwarnung geben die Preisbindungstreuhänder beim Thema TTIP. Zwar hätten Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und EU-Kommissarin Cecilia Malmström dem Börsenverein versichert, dass die Preisbindung nicht Gegenstand der Verhandlungen sei und es auch künftig nicht sein werde. "Allerdings muss man sich davor hüten, das Problem damit bereits als gelöst anzusehen", warnen die Rechtsanwälte.

Fraglich ist für die Preisbindungstreuhänder, ob auch nach TTIP Verkäufe deutschsprachiger E-Books aus den USA nach Deutschland der deutschen Buchpreisbindung unterliegen und ob Verstöße wirksam von hier aus sanktioniert werden können. "Hier droht die Gefahr, dass sich amerikanische Händler auf das Freihandelsabkommen berufen und argumentieren, die deutsche Buchpreisbindung sei ein rein deutsches Thema, könne aber nicht dazu führen, den freien Handel mit E-Books von den USA nach Deutschland einzuschränken."

Welche aktuellen Urteile eine Rolle spielen

In ihrem Arbeitsbericht gehen die Preisbindungstreuhänder außerdem auf wichtige Urteile zur Sicherung der Preisbindung ein:

  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Bestrebungen von Amazon eine deutliche Absage erteilt, die Buchpreisbindung durch Gutscheinmodelle zu umgehen. Mehr dazu hier.

  • Ebenfalls beim BGH anhängig: Der Rechtsstreit um Amazons Provisionen für Schulfördervereine, den das Landgericht Berlin zunächst zugunsten des Börsenvereins entschieden hatte. Das Kammergericht Berlin kam jedoch im Juni 2015 zu der Einschätzung, das Provisionsmodell sei zulässig. Dagegen hat der Börsenverein nun Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt.

  • Das Landgericht Trier hat im Juli eine Einstweilige Verfügung gegen die Universität Trier erlassen. Dabei geht es um geforderte, kostenlose Nebenleistungen im Rahmen einer Ausschreibung, die für die Preisbindungstreuhänder eindeutig "nicht handelsüblich" sind: Ein kostenfreies Rechercheportal im Internet mit kennwortgeschütztem Bestell- und Recherchedienst und eine Software-Schnittstelle für das Aleph-System der Universitätsbibliothek Trier.

"Käme die Universität mit ihrer Ausschreibung im vorliegenden Fall durch, so brächen einige Dämme", heißt es im Arbeitsbericht: "Nur noch eine Handvoll überregional agierender großer Händler wäre in der Lage, sämtliche unterschiedlichen Hard- und Software-Umgebungen vorzuhalten, die von den unterschiedlichen öffentlichen Auftraggebern verlangt werden. Das öffentliche Auftragswesen ginge dann künftig komplett am mittelständischen Buchhandel vorbei."