Abschiedsabend für Klaus Saur – mit einer Nachricht:

Staatsbibliothek erwirbt Wagenbach-Archiv

2. September 2015
von Torsten Casimir
Nach acht Jahren als Vorsitzender der Freunde der Staatsbibliothek zu Berlin wurde Klaus G. Saur am Dienstagabend verabschiedet – ein Finale von Format im weiten Otto-Braun-Saal an der Potsdamer Straße. Eine Top-Nachricht gab es obendrein: Das Archiv des Verlags Klaus Wagenbach geht an die Staatsbibliothek.

Die Generaldirektorin des Hauses, Barbara Schneider-Kempf, hob in ihrer Begrüßung den „Elan und Esprit“ Saurs hervor. Dieser „leidenschaftliche Geist“ habe Zeit seines Wirkens für die Bibliothek von 2006 bis 2014 große Spuren hinterlassen. Das Motto seines Handelns beim Eintreiben von Geldern, dem Gewinnen von Mäzenen, der Akquise von Verlagsarchiven (Mohr Siebeck, Vandenhoeck & Ruprecht, ebenso die verbliebenen Unterlagen des Oxforder Exilverlags Bruno Cassirer kamen dank Saurs Initiative in den Bestand), der Planung von Veranstaltungen und den vom ihm moderierten Gesprächsabenden brachte Schneider-Kempf auf diese knappe Formel: „Think big“.

Offenbar wirkt diese Haltung Saurs, der im November 2014 als Vorsitzender der Freunde zurückgetreten war, günstig nach. Denn Schneider-Kempf hatte zu diesem Abend, an dem jeder auf die Abstattung von Dank, aber kaum einer auf die Entgegennahme wichtiger Nachrichten eingestellt war, eine echte News mitgebracht: Die Staatsbibliothek habe das Archiv des Verlags Klaus Wagenbach angekauft. In der Hauptstadt (die in solchen Fällen ja klein ist) wurde diese Information gerüchtehalber schon ein Weilchen gehandelt. „Der Weg, den Saur eingeschlagen hat, geht also weiter“, sagte die Direktorin hörbar stolz, „und wir bemühen uns, unsere Bestände weiter anzureichern.“

Die Rede Hermann Parzingers, des Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, stand ebenfalls ganz im Zeichen von Würdigung und Dankbarkeit. Dreierlei sei es, das er an Klaus G. Saur bewundere:

  • Dessen Leistung als Verleger, denn er habe den Verlag K.G. Saur „zu einer Weltmarke im Bereich der Geisteswissenschaften und auch der Altertumswissenschaften aufgebaut“.
  • Dessen Engagement als Vorsitzender des Vereins der Freunde der Staatsbibliothek, von dem ihm, Parzinger, insbesondere die Veranstaltungsreihe „Ein Abend für…“ imponiert habe. Saur sei es gelungen, so bedeutende Gäste wie Jutta Limbach, Egon Bahr oder Joachim Gauck „zum Sprechen zu bringen“, und irgendwie seien diese Abende immer auch „Abende für Saur“ geworden, der diese Gespräche inspirierend führte.
  • Schließlich die „interfamiliäre Vergangenheitsbewältigung“, denn Saur, dessen Vater ein hohes Amt im Rüstungsministerium Adolf Hitlers innehatte, habe sich zeitlebens mit den NS-Jahren und ihren Auswirkungen auf die Buchbranche, insbesondere die Verlage in Deutschland, intensiv befasst.

Womit Parzinger überleitete zum Thema des Hauptvortrags, der dem zu Ehrenden selbst vorbehalten blieb: Verlage im Nationalsozialismus.

Bereits 2013 hatte Saur den Band „Verlage im ,Dritten Reich‘“ herausgegeben (bei Klostermann). Nun führte er in einem frei gehaltenen, einstündigen Referat seinem Auditorium noch einmal vor Augen, welch kolossaler Bruch die Machtübernahme der Nationalsozialisten für das Buchhandels- und Verlagswesen in Deutschland und Österreich bedeutet hat. 1932 sei noch „das erfolgreichste Jahr des deutschen Buchhandelswesens überhaupt“ gewesen, mit 33.000 Neuerscheinungen, mehr als in jedem anderen Buchmarkt der Welt. Den Unternehmen sei es wirtschaftlich glänzend gegangen. „Das alles ging mit dem Zugriff der Nazis in wenigen Monaten kaputt.“

Detailreich schilderte Saur, mit welch unterschiedlichen Mustern und Haltungen die Branche auf den mit dem „Gleichschaltungsgesetz“ vom März 1933 statuierten absoluten Kontrollanspruch des Regimes reagiert hat. Nur wenige Verlage und Verleger (wie Lambert Schneider, Eugen Classen, Gustav Kiepenheuer, Carl Hanser) hätten sich kompromisslos geweigert, überhaupt Nazi-Texte zu verlegen. Viele hingegen seien den Weg gegangen, mit einer vermeintlichen Balance aus Anpassung und Widerstand „immer noch anständige Bücher zu machen“, aber eben auch weniger anständige. Auch der Börsenverein habe sich unter dem massiven Druck der Nationalsozialisten in Teilen zum ideologischen Handlanger des Regimes gemacht, wenn es galt, Verlage zu verbieten, zu schließen oder zu arisieren.

Saur endete mit einigen bedrückenden Fallbeispielen von Kontinuität nach 1945 – einer Zeit, in der autobiographische „Ausbesserungen“ zahlreich vorkamen und die Geschickten es schafften, sich als Widerständige und Verfolgte des Regimes darzustellen (was sie in den seltensten Fällen tatsächlich waren).

Zum Schluss – das kennt man sonst eher nach Theaterabenden oder Konzerten – Bravo-Rufe für einen, der auch ohne den Vorsitz dieser Freundesgesellschaft der Branchenöffentlichkeit erhalten bleiben wird.