Interview mit Schriftsteller Sandro Veronesi

"Wir haben etwas getan, was getan werden musste"

22. Januar 2016
von Börsenblatt
Der auch hierzulande bekannte Autor Sandro Veronesi hat sich mit Umberto Eco und anderen Autoren finanziell am neuen Verlag "La nave di Teseo" beteiligt, den er als "Rückkehr zur Verlagstradition des 20. Jahrhunderts" sieht. boersenblatt.net sprach mit ihm über seine Beweggründe - einer davon: "Manager haben Verleger ersetzt. Das kann und darf nicht das letzte Wort sein."

Autoren, die mit der Strategie ihres Verlags unzufrieden sind, wechseln in der Regel zu einem anderen Haus. Sie haben stattdessen einen neuen Verlag mitgegründet. War ein Verlagswechsel keine Option?

Wir wollten den Bompiani Verlag eigentlich kaufen. Aber Mondadori hat sich dagegen gewehrt. So haben sich Autoren und Mitarbeiter von Bompiani für die zweite Option entschieden und gemeinsam einen Verlag gegründet. Unsere Intension war es, den Geist, die Tradition von Bompiani am Leben zu erhalten.

Wie Umberto Eco haben auch Sie Geld investiert. Sind Sie nun beides: Autor und Verleger?

Sie können das nicht vergleichen: Jeder hat gegeben, was er konnte, aber Umberto Eco hat bei weitem am meisten investiert. Zusammen halten die beteiligten Autoren 51 Prozent der Anteile. Dieser Schritt war einfach die notwendige Antwort nach der Übernahme des Verlags durch Mondadori. Natürlich haben wir ein gewisses Mitspracherecht im Verlag, wir werden etwa durchaus mal eine Empfehlung geben. Aber uns kommt keine herausgehobene Stellung zu. Wir haben uns keine Privilegien erkauft. Wir vertrauen voll und ganz dem früheren Team von Bompiani rund um die Verlegerin Elisabetta Sgarbi.

Kann der Verlag ein Modell sein für andere Autoren in Italien und darüber hinaus?

Ich glaube unser Verlag ist etwas Einmaliges, das nicht als Modell taugt. La nave die Teseo kann nicht einfach kopiert oder exportiert werden. Es war wirklich schwierig, diese Verlagsgründung zu bewerkstelligen. Andererseits kann La nave die Teseo durchaus als Experiment betrachtet werden, als eine Rückkehr zur Verlagstradition des 20. Jahrhunderts. Der gegenwärtige Markt wird dominiert von großen Gruppen. Manager haben Verleger ersetzt. Das kann und darf nicht das letzte Wort sein. Denn nur mit echtem Engagement und wahrer Leidenschaft für Bücher lässt sich unsere kulturelle und literarische Tradition bewahren.

Wie schwierig war die Verlagsgründung denn?

Man muss sich einen Platz schaffen beziehungsweise ihn sich zumindest erst einmal vorstellen können in einem Markt, der gesättigt ist. Es ist schwierig, unter solchen Bedingungen einen Businessplan zu erstellen. Mondadori kontrolliert jetzt den Markt. Niemand kann vorhersagen, was das bedeutet, was in den nächsten drei Jahren in Italien geschehen wird. Das sind nicht gerade ideale Bedingungen, um einen neuen Verlag zu gründen.

Wie reagieren Leser und Buchhändler auf die Verlagsgründung?

Was die Leser denken, das weiß ich nicht. Sie werden unseren Verlag beurteilen, nachdem sie die ersten Bücher in den Händen halten und lesen. Aber viele Buchhändler, andere Verleger, selbst Literaturagenten haben uns ermutigt. Sie alle wissen, dass eine dominierende Gruppe die Regeln einseitig bestimmen kann. Unser Verlag steht für eine andere Möglichkeit. Wir haben etwas getan, was getan werden musste.

Interview: Holger Heimann

Sandro Veronesi, 1959 in Florenz geboren, wurde vielfach ausgezeichnet. Sein neuer Roman "Fluchtwege" erscheint im März auf Deutsch bei Klett-Cotta. Mehr über die Hintergründe zu La nave di Teseo können Sie in der aktuellen Börsenblatt-Ausgabe (4 / 2016) nachlesen.