100 Jahre DADA: Noch mehr Novitäten

"Bis zur Bewusstlosigkeit"

5. Februar 2016
von Börsenblatt
Medien, Museen und Kunstfreunde stehen heute ganz im Zeichen des "Dada", der literarisch-künstlerischen Anti-Bewegung, die am 5. Februar 1916 im Zürcher Cabaret Voltaire gegründet wurde. Eine Auswahl an Büchern wurde bereits auf boersenblatt.net vorgestellt, heute kommt, pünktlich zum Jubiläum, eine größere Nachlieferung.

Wie erlangt man die ewige Seligkeit?
Indem man Dada sagt.
Wie wird man berühmt? Indem man Dada sagt.
Mit edlem Gestus und mit feinem Anstand, bis zum Irrsinn, bis zur Bewusstlosigkeit.
                                                           Hugo Ball, aus dem ersten Dada-Manifest

Heute, am 5. Februar vor 100 Jahren, fand der erste Dada-Abend im kleinen Saal des Zürcher Restaurants Meierei statt: Auf dem Einladungszettel stand noch „Künstler-Kneipe Voltaire“, später wurde dann das legendäre „Cabaret Voltaire“ daraus, das bis heute existiert. Die Bezeichnung „Dada“, die der Bewegung ihren Namen gab, kam erst etwas später, im April oder Mai 1916, auf.

Das Jubiläum hat eine Welle an Publikationen ausgelöst, einige davon wurden schon auf boersenblatt.net vorgestellt, zahlreiche weitere verdienen aber ebenfalls Aufmerksamkeit: Allein fünf Titel sind beim Verlag Scheidegger & Spiess zum Jahrestag erschienen oder angekündigt – auch dank der Ausstellungsaktivitäten, die über die Schweiz und Deutschland hinaus bis in die USA reichen.

Schon im September brachte das Zürcher Verlagshaus einen umfangreichen Bildband über die Protagonistin des Dada heraus: Emmy Hennings (später Hugo Balls Gattin), der „Stern des Cabaret Voltaire“, in dem Dada seinen Ausgang nahm. Christa Baumberger, die Kuratorin des Hennings-Nachlasses, und die Literaturwissenschaftlerin und Hennings-Herausgeberin Nicola Behrmann haben den bild- und materialreichen Band ediert, der mit zahlreichen Fotografien und Dokumenten aus dem Hennings-Nachlass im Schweizerischen Literaturarchiv, aus der Dada-Sammlung des Kunsthauses Zürich sowie aus zahlreichen weiteren Archiven und Bibliotheken bestückt wurde („Emmy Hennings Dada“. 236 S., 48 Euro). Sehr informativ und nützlich ist im sechsten Teil des Buches das ABC mit mehr als 130 Kurzbiografien aus den Dada-Zirkeln und dem Dada-Umfeld.

Bereits im Mai 2015 war der von Ina Boesch herausgegebene Band „Die Dada. Wie Frauen Dada prägten“ (Scheidegger & Spiess, 164 S., 29 Euro) erschienen.

Baumberger und Behrmann sind zugleich Herausgeberinnen der Kommentierten Studienausgabe von Emmy Hennings‘ Werken und Briefen, deren erster Band („Gefängnis – Das graue Haus – Das Haus im Schatten“) Anfang Januar im Wallstein Verlag erschienen ist (576 S., 24,90 Euro).

Das Göttinger Haus verlegt auch die Ausgabe Sämtlicher Werke und Briefe Hugo Balls, die von der Hugo-Ball-Gesellschaft in Pirmasens herausgegeben wird. Für Juni ist die ausführlich kommentierte Neu-Edition von „Die Flucht aus der Zeit“, des großen aphoristischen Erinnerungsbuchs des Dada-Mitbegründers (ca. 420 S., ca. 32 Euro), angekündigt.

Im Verbrecher-Verlag ist Anfang Februar unter dem Titel „‘Eine lebendige Zeitschrift gewissermaassen‘. Hugo Ball und die literarische Bühne“ Thilo Bocks künstlerische Biografie des jungen Hugo Ball erschienen (280 S., 38 Euro).

Dem Jubiläum der avantgardistischen Künstlerrevolte ist auch der nächste Band des von der Stadt Pirmasens herausgegebenen „Hugo-Ball-Almanachs“ (Verlag edition text + kritik, Neue Folge 7, 2016, ca. 230 S., ca. 20 Euro, Mai) gewidmet. Ein Beitrag von Thomas Keith beschäftigt sich mit der Namensgebung des Cabaret Voltaire und der gleichnamigen Programmschrift Hugo Balls, in der erstmals das Wort „Dada“ auftaucht.

Zum Gründungstag der Dada-Bewegung am 5. Februar erscheint im Taschen Verlag der Band „Dadaismus“ von Dietmar Elger (Kleine Reihe Kunst, 96 S., 9,99 Euro). Darin wird als gemeinsames Band der Dada-Künstler der Protest gegen Logik und Vernunft beschrieben. An die Stelle des Berechenbaren treten Chaos, Absurdes und Unvorhersehbares, die ihren Ausdruck in Kunstexperimenten aller Art finden: dem zum Teil dekonstruktiven Spiel mit Tönen, Lauten und Schrifttypen, Collagen, Montagen und den durch Marcel Duchamp berühmt gemachten Readymades. Elgers These: Die Dadaisten waren die Vorläufer der Konzeptkunst.

Die Geschichte der Dada-Bewegung und ihre Entwicklung zeichnet die Ausstellung „Genese Dada“ nach, die das Arp Museum Bahnhof Rolandseck in Zusammenarbeit mit dem Cabaret Voltaire Zürich konzipiert hat (14. Februar bis 10. Juli 2016). Der Katalog erscheint am 14. Februar im Verlag Scheidegger & Spiess (248 S., 38 Euro).

„Dadaglobe“ nannte Tristan Tzara das Projekt einer Anthologie, für die Künstler wie Hans Arp, Marcel Duchamp und Man Ray Beiträge planten. Noch 1921 kündigte Tzara das Werk vollmundig an, doch es wurde nie fertig. Die Kunsthistorikerin und Kuratorin Adrian Sudhalter stellt derzeit im Kunsthaus Zürich unter dem Titel „Dadaglobe Reconstructed“ die rekonstruierte Fassung der Anthologie aus. Bei Scheidegger & Spiess ist dazu am 5. Februar das gleichnamige Begleitbuch erschienen (304 S., 58 Euro). Die Ausstellung ist bis 1. Mai in Zürich zu sehen, vom 12. Juni bis 18. September dann im Museum of Modern Art (MOMA) in New York.

Mit den ethnologischen Implikationen des Dadaismus beschäftigt sich die Ausstellung „dada Afrika – Dialog mit dem Fremden“, die vom 18. März bis 17. Juli im Museum Rietberg in Zürich und vom 5. August bis 7. November in der Berlinischen Galerie (Berlin) zu sehen ist. Der von Ralf Burmeister, Michaela Oberhofer und Esther Tisa Francini herausgegebene Begleitband mit Aufsätzen und Bildern der Exponate erscheint zu Ausstellungsbeginn am 18. März (Scheidegger & Spiess, ca. 240 S., ca. 38 Euro).