Minderjährige Kunden: juristische Bedingungen

Erst mal die Mama fragen

11. Februar 2016
von Börsenblatt
Kinder und Jugendliche sind Kunden – doch unter welchen rechtlichen Voraussetzungen können die Minderjährigen einkaufen und Verträge schließen? Rechtsanwältin Birgit Menche erläutert, worauf Buchhändler im Laden wie im Onlineshop achten sollten.

Vertragsrechtlich gelten offline und online die gleichen Grundsätze: Kinder, die das siebte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind geschäftsunfähig, ihre ­Willenserklärungen laut Paragraf 104 und 105 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig. Die Erklärung kann weder durch eine Genehmigung der Eltern noch dadurch wirksam werden, dass der kauffreudige Knirps die Ware mit seinem Taschengeld bezahlt. Leistungen, die in der irrtümlichen Annahme eines wirksamen Geschäfts ausgetauscht wurden, sind zurückzu­geben (Paragraf 812 ff. BGB). Heißt: Buch zurück, Geld zurück.
Anders sieht es bei Minderjährigen aus, die über sechs, aber noch nicht 18 Jahre alt sind. Schließen sie einen Vertrag ab, hängt dessen Wirksamkeit von der Genehmigung der Erziehungsberechtigten ab. Bis dahin ist der Vertrag schwebend unwirksam (Paragrafen 107, 108 BGB). Der Buchhändler kann diesen Schwebezustand beenden, indem er den Vertrag widerruft (Paragraf 109 BGB) oder die Eltern auffordert, den Vertrag zu genehmigen; wird die Genehmigung dann nicht binnen zwei Wochen erteilt, gilt sie als verweigert (Paragraf 108 Abs. 2 BGB).

Der Taschengeldparagraf  
Um Minderjährige an die (Konsum-)Welt der Erwachsenen heranzuführen und um für mehr Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr zu sorgen, hat der Gesetzgeber den sogenannten Taschengeldparagrafen verankert. Aber auch danach gilt zunächst: Kauft der Minderjährige Ware ohne ausdrückliche elterliche Einwilligung, ist der Kaufvertrag schwebend unwirksam. Bewirkt der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung allerdings mit Mitteln, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von seinem gesetzlichen Vertreter oder – mit dessen Zustimmung – von einem Dritten wie Oma oder Paten überlassen werden sind, wird der Vertrag von Anfang an wirksam (Paragraf 110 BGB). Entscheidend ist, dass der Minderjährige die Ware bezahlt, wobei es im Prinzip keine Rolle spielt, ob er dies bar oder per Überweisung tut.
Eine feste Obergrenze für die Höhe der überlassenen Mittel gibt es nicht. Grundsätzlich bleibt es Sache der Eltern, wie viel Taschengeld sie ihren Sprösslingen zahlen. Zudem können "Mittel" im Sinne des Paragrafen 110 BGB nicht nur Taschengeld sein, sondern auch Sparguthaben oder dem Jugendlichen überlassenes Arbeitseinkommen. Damit kann etwa auch der Kauf eines hochpreisigen Bildbands, eines elektronischen ­Lesegeräts oder eines Abo-Vertrags von Paragraf 110 BGB gedeckt sein. Allerdings führt die Begleichung des Kaufpreises nicht automatisch zur Wirksamkeit des Vertrags: Eltern können die Überlassung des Taschengelds mit konkreten Verboten verbinden ("keine Computerspiele") oder bestimmte Käufe unter Erlaubnisvorbehalt stellen.
Nach dem Konzept des Minderjährigenrechts geht der Schutz des Jugendlichen dem Schutz des Händlers vor: Der gute Glaube des Buchhändlers an das Vorliegen der elterlichen Einwilligung wird nicht geschützt. Entsprechendes gilt im Prinzip für falsche oder wahrheitswidrige Altersangaben. Hat der Buchhändler begründete Zweifel daran, dass der Minderjährige die Ware tatsächlich mit ihm zur freien Verfügung überlassenen Mitteln kaufen darf, und möchte der Händler diese Bedenken ausräumen, so bleibt ihm nur, beim gesetzlichen Vertreter Erkundigungen einzuholen. Etwa wenn eine Minderjährige täglich ein Buch oder eine DVD kauft und so durchschnittlich 250 Euro monatlich im Buchladen lässt – was im Sortimenteralltag allerdings höchst selten vorkommen dürfte.

Jugendschutz offline ...  
Buchhändler, die jugendschutzrelevante Medien im (Online-)Sortiment führen, müssen Vorschriften zum Jugendschutz beachten. Bei Offlineprodukten kommt das Jugendschutzgesetz (JuSchG) zur Anwendung, das besondere praktische Bedeutung im Onlinehandel hat. Danach gilt: Beim Versandhandel mit jugendgefährdenden Medien (unter anderem indizierte Bücher) sowie bei Filmen und Spielen, die mit dem Hinweis "ab 18 Jahre" / "keine Jugendfreigabe" oder mit keiner FSK- / USK-Kennzeichnung versehen sind, muss technisch sichergestellt werden, dass die betreffenden Artikel ausschließlich von Erwachsenen bestellt werden können und – nach umstrittener Rechtsprechung – ausschließlich an Personen ausgeliefert und übergeben werden, die das erforderliche Mindestalter nachgewiesen haben (Paragrafen 12, 15 JuSchG). Dies kann etwa über das Postident-Verfahren oder durch Versendung als persönliches Einschreiben geschehen. 
Wer es versäumt, die nötigen Vorkehrungen zu treffen, muss mit rechtlichen Konsequenzen rechnen; neben Bußgeldern kommen Abmahnungen von Wettbewerbern oder Verbraucherverbänden in Betracht. Unwissenheit schützt vor Strafe – genauer: Abmahnung – nicht: Auch derjenige, der vom Verstoß keine Kenntnis hatte, muss dafür im Zweifel gerade­stehen. Der Onlinehändler kann sich insbesondere nicht damit entschuldigen, er habe das Alter des Bestellers nicht gekannt oder der Minderjährige habe eine falsche Altersangabe gemacht. Auch in Onlinedatenbanken können sich Fehler einschleichen, für die der Händler unter Umständen haftet. Filme und Spiele, die mit einer Jugendfreigabe gekennzeichnet oder als Info- oder Lehrprogramme ausgewiesen sind, dürfen nur an die der Kennzeichnung entsprechende Altersgruppe (insbesondere ab 16) abgegeben werden, wobei an die Alterskontrolle weniger strenge Anforderungen gestellt werden als bei "18-plus-Artikeln". 

... und online  
Eigenen, jedoch ähnlichen Spielregeln, unterliegen E-Books, die als Telemedien unter den Anwendungs­bereich des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags fallen. Der JMStV sieht ein abgestuftes Schutzkonzept vor, das drei Kategorien digitaler Inhalte unterscheidet. Während absolut unzulässige Inhalte (zum Beispiel Volksverhetzung und Kinderpornografie) in keiner Weise verbreitet und öffentlich gemacht werden dürfen, ist der Vertrieb relativ unzulässiger Inhalte (etwa indizierte E-Books, "einfache" Pornografie) erlaubt, wenn der Onlinehändler mit geeigneten Vorkehrungen sicherstellt, dass die Angebote nur in geschlossenen Benutzerkreisen wahrgenommen und bestellt werden können. 
In die dritte Kategorie fallen entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte, bei denen der Händler sicherstellen muss, dass Minderjährige die gefährdenden Inhalte gar nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen erreichen können. Dabei hat der Händler grundsätzlich drei Methoden zur Auswahl: Zeitliche Zugangssperren, technische Schutzvorkehrungen (Altersverifikationssysteme) sowie den Einsatz spezieller Kinderschutzsoftware durch den Anbieter. Viele Fragen, auch solche der praktischen Umsetzung, sind in diesem Bereich allerdings noch offen.

Fazit: 
Wer als Buchhändler jugendschutzrelevante Medien anbietet, kommt um Schutzmaßnahmen nicht herum. Die meisten Verlagsprodukte aber sind – gedruckt wie digital – in puncto Jugendschutz unbedenklich. Insoweit besteht keine Notwendigkeit, den Verkauf technisch oder rechtlich, etwa im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf Volljährige zu beschränken.