Digitalschmieden

Im Praxistest

17. März 2016
von Börsenblatt
Von der Idee bis zum praktikablen Geschäftsmodell ist es oft ein weiter Weg. Vier innovative E-Book-Start-ups und ihr Coming-of-Age.

Paper C: Leseplattform vor Relaunch

2008 als Start-up für digitale Fachbuchlektüre gestartet, hat sich das Berliner Unternehmen Paper C zu einem allgemeinen ­E-Book-Anbieter entwickelt, der Titel zum "kostenlosen Einlesen", zur Miete und zum Kauf anbietet. Bis zu zehn Prozent Inhalt eines Buchs können Nutzer kostenlos lesen – und je nach Mietdauer fallen Gebühren an, die bis zu 90 Prozent niedriger sein können als der Verkaufspreis.
Seitdem Joo Rie Lee im Juli 2015 die Geschäftsführung von Martin Fröhlich übernommen hat, laufen Vorbereitungen für einen Relaunch: "Wir wollen zur Ursprungsidee zurückkehren – dem ausschließlichen Verleih und Verkauf von Fach-E-Books. Die Belletristik wird sukzessive aus unserem Angebot entfernt", sagt Lee, die Paper C von Anfang an als Managerin beim Kölner Investor Curtis Newton begleitet hat und mit der Entwicklung des Unternehmens bestens vertraut ist. Derzeit befinde man sich in einer starken Wachstumsphase, in der das Team ausgebaut und neue Entwickler eingestellt würden. Ende April soll die neue Website mit einem innovativen Reader freigeschaltet werden, der den Nutzern zahlreiche Funktionen bieten soll, die weit über das Onlinelesen hinausgehen. Was sich Lee von ihren Vertragspartnern, den Verlagen wünscht: mehr Offenheit für Innovationen und alternative Kaufmodelle.

Paper C, Berlin

  • Gründung: 2008; Relaunch für April 2016 geplant (Refokussierung auf Fachtitel)
  • Angebot: kostenloses Lesen von bis zu zehn Prozent eines E-Books; E-Book-Miete; E-Book-Kauf (unbegrenzte Nutzung)
  • Verfügbare Titel: 350 000, davon zum Mieten: 150 000
  • Angeschlossene Verlage: 12 500 (deutsche und internationale)

Log.os: Start in die Betatestphase

Keine Angst vor Fallhöhe – diese Devise stand Pate, als Log.os im Frühjahr 2013 erstmals von sich reden machte. Volker Oppmann präsentierte seine Vision einer Plattform, die mehr sein will als nur ein digitaler Marktplatz für ­E-Books. Dem Verleger und Textunes-Gründer schwebt eine universale Bibliothek vor. Sie soll zugleich als soziales Netzwerk für den Teil der lesenden Menschheit fungieren, dem an der Unabhängigkeit von den mächtigen Internetgiganten noch etwas gelegen ist. Zwei Jahre nach der Vision kommt Bewegung in das Start-up: Im Mai 2015 folgte nach Anfängen mit einem Förderverein die Firmengründung als GmbH & Co. KG; Konrad Schwingenstein mit seiner Stiftung kam als Geber einer offenbar nennenswerten Kapitalsumme hinzu. Die konkrete Produktentwicklung erhielt durch eine zweite Firmengründung organisatorisch Auftrieb: Seit Jahresanfang hat sich die Log.os India Private ­Limited in Visakhapatnam an die Arbeit gemacht. Deren Business: Softwareentwicklung, neue Geschäftsfelder, Vertrieb. Einer ihrer beiden Geschäftsführer, Kiran Pasavedala, ist zugleich COO der Log.os GmbH & Co. KG.
Die GmbH arbeitet derweil im Keller einer alten Kreuzberger Villa. Neben Oppmann ist Tea Herovic als Marketingverantwortliche jüngst mit an Bord gegangen. Felix Höhne zeichnet als Shopmanager verantwortlich. Das nächs­te Etappenziel: der Start der zunächst geschlossenen Betatestphase mit 500 weiteren Usern. Die Meilensteine für das Jahr 2016: Release der Log.os-App und Fertig­stellung des E-Commerce-Shops im Sommer, der fürs Weihnachtsgeschäft um die Möglichkeit zum Kauf auch physischer Bücher erweitert werden soll.

Log.os

  • Gründung: 2013 (als Förderverein); 2015 Gründung der Log.os GmbH & Co. KG
  • Softwareentwicklung, neue Geschäftsfelder, Vertrieb: Log.os India Private Limited, seit Januar 2016
  • Nächstes Etappenziel: geschlossene Betatestphase mit 500 weiteren Usern; 50 Teilnehmer sind bereits gewonnen

Readfy: Streaming (nicht nur) zum Nulltarif

Medienhäuser wie Axel Springer und die "New York Times" ärgern sich über Adblocker, bei E-Books werden Werbeeinblendungen von Lesern offenbar akzeptiert: Anders wäre Readfy kaum so weit gekommen. Anfang des Jahres hat das Team um Geschäftsführerin Miriam Behmer seine dritte ­Finanzierungsrunde hinter sich gebracht: Der BLSW Fonds und die KfW schossen insgesamt eine Million Euro zu – und versetzten das Düsseldorfer Start-up damit in die Lage, weiter nach Plan zu wirtschaften: "Wir wollen so schnell wie möglich wachsen", sagt Behmer.
Investiert wird derzeit vor allem ins Marketing, unter anderem in Anzeigen, die in Apps geschaltet werden (Mobile Marketing) und in Kooperationen. Rückenwind erwartet sich Behmer aber auch vom neuen, erweiterten Geschäftsmodell. Es sieht vor, dass registrierte Nutzer künftig die Wahl haben: Entweder sie lesen kostenlos, dann gestatten sie Readfy im Gegenzug, Werbung einzublenden und kommen auch damit klar, E-Books ausschließlich online zu lesen. Oder sie leihen sich 30 Tage lang digitalen Lesestoff zum kleinen Preis (Modell: Pay-per-Rent; die Abrechnung erfolgt über iTunes bzw. den Google Play Store).
Die Variante Nummer 2, ohne Werbung, präsentierte Readfy kurz vor der Leipziger Buchmesse, und das wohl auch mit dem Ziel, für Verlage noch einmal spannender zu werden. Selbst Behmer räumt ein, dass nicht jeder beim Stichwort Readfy schon sofort "Hurra" schreit. "Alle sind zwar an unserem ­Modell interessiert, aber nicht alle sind auch experimentierfreudig", meint sie. Ihr Ausblick: "User in Freemium-Modellen lesen anders. Wir verlängern die klassische Verwertungskette – auch für Verlage gibt es da noch sehr viel Potenzial."

Readfy, Düsseldorf

  • Gründung: 2013, Launch der Lese-Apps (für Android / iOS) 2014
  • Angebot: registrierte Nutzer können kostenlos online lesen (wenn sie Werbung akzeptieren) – oder sich E-Books 30 Tage lang zum Offlinelesen ausleihen (Pay-per-Rent, je Titel: 0,99 € bis 4,99 €)
  • Titel / Nutzer: mehr als 50 000 in deutscher Sprache von knapp 900 Verlagen; ca. 120 000 Smartphone- / Tabletbesitzer

Skoobe: Der E-Book-Flatrate-Dienst

Langweilig wird’s den Nutzern von Skoobe wahrscheinlich nicht. Seit dem Launch des Flatrate-Dienstleisters für ­E-Books im Jahr 2012 ist das Angebot von 10 000 auf über 150 000 deutsch- und fremdsprachige Titel gestiegen. Darin liegt zugleich auch die Herausforderung für das Unternehmen. In München arbeitet man gerade an Lösungen, die zur Übersichtlichkeit des Angebots beitragen sollen. Details will Constance Landsberg, seit 2014 CEO bei Skoobe, noch nicht nennen, allerdings sollen in den nächsten Wochen bereits einige Features ausgerollt werden, um die Nutzerfreundlichkeit zu steigern.
Wie Landsberg mitteilt, bestätige ein Blick in die App-Stores den Erfolg des Unternehmens, denn besonders dort zeige sich die Popularität der Flatrate- und der kostenlosen Angebote. Flatrates – und somit auch die Module von Dienstleistern wie Skoobe – seien die einzige Lösung für Verlage, um dem Buch mobil die gleiche Relevanz zukommen zu lassen wie in der Offlinewelt, meint Landsberg. Um den Bekanntheitsgrad ­besonders im digitalen Bereich zu steigern, sollen Koopera­tionen mit Partnern wie web.de, GMX und Mobilcom-Debitel die Aufmerksamkeit auf den Dienstleister lenken.
Seit Oktober 2014 ist Skoobe auch in Spanien aktiv. Damit stellt sich die Frage nach der Eroberung weiterer euro­päischer Märkte. Derzeit stehe noch keine Expansion in andere Länder an, allerdings arbeite man stetig an der Weiterentwicklung, berichtet Landsberg.

Skoobe, München

  • Gründung: 2010, Launch 2012
  • Angebot: über 150 000 deutschsprachige Bücher aus mehr als 1 600 Verlagen, dazu Tausende englischsprachige sowie 10 000 spanische Bücher
  • Preis: ab 9,99 Euro monatlich; bis zu drei Bücher auf zwei Geräten lesen, bis zu 24 Stunden offline lesen