Kochbuchmarkt: Interview mit Maren Richter (Südwest)

"Wir müssen Nischen finden, die noch nicht überbelegt sind"

11. April 2016
von Börsenblatt
"Alle auf die Smoothies" oder "Alle auf Detox": So könnte zur Zeit das Motto auf dem Kochbuchmarkt lauten. Man hat den Eindruck, dass die Verlage nicht nur alle auf denselben Zug aufspringen, sondern auch noch alle in dasselbe Abteil drängen. Maren Richter, Verlagsleiterin der Random-House-Tochter Südwest, über den "Me-too-Effekt". 

Muss ein renommierter Kochbuchverlag schon aus Gründen der Vollständigkeit immer und überall dabei sein?

Richter: Nein, man muss nicht überall dabei sein – Vollständigkeit ist in diesem Bereich ja eine Illusion. Man tut gut daran, sich bei der Titelentscheidung am Verlagsprofil, der anvisierten Zielgruppe und den Marktgegebenheiten zu orientieren. Manche Marktsegmente sind einfach schon zu voll.

Werden manche Produkte auch  nur deshalb auf den Markt gebracht, damit sie der Leser nicht woanders kauft? Egal, wie wenige Käufer es dann letztlich werden?

Richter: Oberste Prämisse ist immer die Verkäuflichkeit, die man einem Titel im eigenen Verlag zutraut. Unverkäufliche Bücher zu produzieren, um einen möglichen Wettbewerber zu verdrängen macht schnell keinen Spaß mehr. 

Welche Vorteile hat das Mitschwimmen auf der Me-too-Welle? Etwa bessere Liegeplätze, weil es sich dann für die Händler schon lohnt, ganze Tische zu bestimmten Themen zu machen?

Richter: Verlage bedienen, je nach Verlagsprofil, immer ähnliche Themen in unterschiedlichen Ausprägungen. Dies kann sich im Handel natürlich in Form von Thementischen widerspiegeln. 

Anders als etwa bei dem Megatrend "vegan" stelle ich es mir noch schwerer vor, den Themen Smoothies oder Detox genug Variable abzugewinnen, um ein ganzes Buch zu füllen - oder sogar mehrere... Müssen Sie da Klimmzüge machen?

Richter: Beide Themen sind doch absolut vielseitig. Diese Vielseitigkeit haben wir unter anderem mit unseren Büchern "Power-Smoothies", "Abnehm-Smoothies", "Grüne Smoothies" von Rose Marie Donhauser umgesetzt. In Kürze werden wir auch die "Smoothie Bowls" in unserem Programm (Südwest und Bassermann) bedienen. Ähnlich vielseitig ist das Thema Detox. Hier haben wir die "Detox-Queen" aus Amerika, Kimberly Snyder, mit drei Titeln im Programm: "Beauty Detox Plan", "Beauty Detox Foods", "Beauty Detox Power". Snyder berät Stars wie Reese Witherspoon oder Ben Stiller.

Daneben verlegen wir aber auch Klassiker wie "Natürlich und sanft entgiften" von Margot Hellmiß, deren Bücher in einer Millionenauflage im Südwest Verlag erschienen sind. "Detox mit Yin und Yang Yoga" verbindet das Thema Detox mit Yoga. Zahlreiche Übungen und Rezepte zeigen, wie man ganzheitlich entschlacken kann. Das sind alles sehr eigenständige Ausprägungen einzelner vielseitiger Themen.  

Ist es vielleicht auch gerade das Besondere an diesen Nischenthemen, dass gar nicht so sehr der Variantenreichtum gefragt ist, sondern vielmehr Übersichtlichkeit? Also lieber 20 sehr gute Rezepte zu einem klar definierten "kleinen" Thema, als 50 Versuche, originell zu sein?

Richter: Beides trifft zu! Rezepte müssen natürlich immer sehr gut sein. Eine gewisse Bandbreite will der Leser aber gerade bei einem gedruckten Buch  in Händen halten – und das möglichst inspirierend und attraktiv umgesetzt mit dem entsprechenden Fachwissen verbunden. 

Apropos Originalität: Was funktioniert besser auf dem Kochbuchmarkt – deutlich anders zu sein als die anderen oder in jenem Rahmen zu bleiben, in dem sich auch die Konkurrenz bewegt?

Richter: Das hängt davon ab, welche Zielgruppen Sie erreichen wollen. Die reine Orientierung an der Konkurrenz ohne eigenes Profil bringt hier meist wenig. 

Selbst aus einem Nischenthema wie Smoothies werden noch weitere Nischenthemen extrahiert – etwa vegane Smoothies. Gibt einen Punkt, an dem die Zielgruppe wirklich zu klein wird? Oder erschließt man sich möglicherweise gerade über die Spezialisierung neue Zielgruppen? 

Richter: Natürlich kann man durch möglichst breite Themen eine möglichst breite Zielgruppe erreichen. Aber durch spezialisierte und spitze Zuschnitte kann sich ein Verlag auch neue Zielgruppen erschließen. Schönes Beispiel dafür ist aktuell unser Titel "Pegan. Paleo & Vegan" von Jenna Zoe. Mit dem Buch holen wir all jene ab, die sich für die Paleo-Ernährung interessieren, aber ohne Fleisch auskommen wollen - und Menschen, die unter Nahrungsmittelallergien und Unverträglichkeiten leiden.

Wie gelingt es Ihnen, sich mit den hauseigenen Verlagsprodukten aus der Masse der Me-Too-Produkte noch herauszuheben?

Richter: Bei uns steht der Autor im Mittelpunkt. Je höher hier die Authentizität, je stärker ein Autor für ein bestimmtes Thema steht, um so zuverlässiger stellt sich der Erfolg ein. Außerdem geht es darum,  das eigene Verlagsprofil nicht aus den Augen zu lassen, die anvisierte Zielgruppe fest im Blick zu haben und den Markt realistisch einzuschätzen - beziehungsweise die Nischen zu finden, die noch nicht überbelegt sind. 

Nach Ihrer Einschätzung: Welches werden die nächsten Me-too-Wellen sein? Zeichnet sich da schon etwas für den Bücherherbst ab?

Richter: Grundsätzlich gilt: Trends entwickeln sich immer schneller. Hier gilt es genau zu beobachten und abzuwägen - und vor allem auch den englischsprachigen Markt zu scannen. 

Mehr zum Kochbuchmarkt und zum Thema "Me-too-Produkte" im aktuellen Börsenblatt-Spezial "Essen, Trinken, Genießen".