Welttag des Buches 2016: Prominent besetzter Auftakt in Berlin

"Ein Tag, um über Chancen zu reden"

18. April 2016
von Börsenblatt
20. Geburtstag und eine Auflage von 1,2 Millionen Exemplaren: Zwei gute Gründe, um das Welttagsbuch "Ich schenk Dir eine Geschichte" diesmal besonders zu feiern. Die Initiatoren der Aktion luden am Montag in Berlin zur zentralen Auftaktveranstaltung für den Welttag ein. In der Hauptrolle: Das Buch als Integrationshelfer.

"Wir wollen ein Zeichen setzen für das Lesen" – denn das sei ein Schlüssel für persönliche Entwicklung, soziale Integration und damit nicht zuletzt: für Wohlbefinden. Das machte Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, beim offiziellen Welttags-Auftakt in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz Unter den Linden deutlich. Damit sprach Maas gleich zu Beginn einen zentralen Aspekt der Welttagsaktion "Ich schenk dir eine Geschickte" an: Lesen ist Integration.

Diese Botschaft wurde diesmal schon beim Blick ins Publikum deutlich: Denn neben Journalisten waren auch 35 Schüler aus Berliner Willkommensklassen zu Gast, alle im Alter von 12 bis 17 Jahren. Auf dem Programm: Eine Podiumsdiskussion, die sich vor allem an die Presse richtete – aber auch eine spannungsgeladene Lesung mit Autorin Annette Langen und "Action-Illustration" mit Timo Grubing, der den neuen Comicteil zum Verschenkbuch beigesteuert hat. Beides sollte beispielhaft für die zahlreichen Angebote stehen, die Schulen, Buchhandlungen und Bibliotheken in ihrer Region zum Welttag des Buches am 23. April organisieren.

Der von der Unesco 1995 ins Leben gerufene Welttag verweist auf die Informations- und Bildungsfunktion des Kulturguts Buch. Dies zu feiern und zu bewerben, machte sich die Stiftung Lesen mit ihren Kooperationspartnern bei der Veranstaltung zur Aufgabe.

Die Herausforderungen an die Branche seien bei 7,5 Millionen nicht-lesefähigen Erwachsenen, dem "Pisa-Schock" sowie der sprunghaft angestiegenen Migration seit dem vergangenen Jahr größer denn je, so ein Fazit auf dem Podium. Dass jede Form von Integration nur über Interaktion funktioniert, hoben die Redner insbesondere mit Blick auf das Vorlesen hervor. Florian Langenscheidt, Verleger, Autor und Mitbegründer der Stiftung "Children for a better World", betonte die unabdingbare Relevanz des Vorlesens für die kindliche Entwicklung. Das "Abtauchen in Geschichte oder Geschichten" fördere das lösungsorientierte Denken, helfe bei Orientierung und sozialer Entwicklung.

Vorgelesen wurde deshalb auch bei der Berliner Veranstaltung - sogar interaktiv und unter technischer Ergänzung durch eine Videowand. Annette Langen führte ihr ausgewähltes Publikum halb zusammenfassend, halb lesend durch die Welttagsbuch-Geschichte, deren ergänzender Bildteil insbesondere Jugendliche mit geringeren Deutschkenntnissen ansprechen soll. Langens exklusiv für den Welttag geschriebene Geschichte "Im Bann des Tornados" erzählt von Noah, der die Ferien in den USA verbringt. Mit seinen neuen Freunden (der hübschen Farmerstocher Emma und Hund Lucky) erlebt er in Oklahoma, wie ein Tornado aufzieht.

Die eingeladenen Schüler konnten Fragen zum Plot stellen und das klappernde Geheimnis einer mysteriösen Blechbox erraten. Letztere entpuppte sich als Signalrakete, wie Noah sie benutzt, um seine Freunde und sich aus misslicher Lage zu retten. Wie die symbolische Wahl der Signalrakete in Beziehung zu den Herausforderungen an die Branche steht, lässt sich nur vermuten. Beim Welttags-Auftakt in Berlin jedenfalls war das Buch als Lesegeschenk und Integrationshelfer ein gefragtes, viel beschworenes Konzept.

Jürgen Weidenbach, Verlagsleiter cbj /cbt in der Verlagsgruppe Random House, betonte, dass sich alle Kinder- und Jugendbuchverlage mit den Themen Flucht und Migration auseinandersetzen würden. Lesen lernen, so Weidenbach, sei ein wichtiger Teil im Integrationsprozess und so bestehe der Beitrag der Verlage gerade darin, junge Menschen für das Lesen zu begeistern.

Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, wies daraufhin, dass allein 2015 mehr als 1000 neue mehrsprachige Titel erschienen seien. Integration sei keine Einbahnstraße, sagte Skipis. Es gehe nicht um den didaktischen Gestus, sondern um den interkulturellen Austausch und die Möglichkeit, durch Geschichten Neues, Unvertrautes kennenzulernen. Skipis machte zudem auf die Situation in vielen überfüllten Flüchtlingsheimen aufmerksam. Die Branche wolle unter anderem mit dem Spendenprojekt "Bücher sagen Willkommen" zu einer Verbesserung der Lage beitragen. Die Bereitstellung von ausgewählter Literatur in sogenannten "Lese- und Lernecken" in der Nähe von derzeit 30 Notunterkünften solle für Räume des Rückzugs, aber auch des Austausches und des Ankommens sorgen.

Zu den konkreten Anforderungen äußerten sich auch Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, und Walter Scheurle, Konzernvorstand a. D. der Deutschen Post AG. Angesichts von 300.000 Flüchtlingskindern an den Schulen unterstrich Habbel die Relevanz von Lese- und Schreibkompetenzen für junge Menschen. Aus diesem Grund sei diese Auftaktveranstaltung zum Welttag Highlight und Erlebnis, aber auch "ein Tag, um über Chancen zu reden", Chancen auch für Deutschland. Scheurle nannte die Aktion "Ich schenk dir eine Geschichte" eine Herzensangelegenheit und betonte in einfachen und klaren Worten: Ohne Lesekompetenzen seien "Berufs- und Lebensperspektiven mau".

Auf die selbstkritische Frage nach den Beitragsmöglichkeiten zu Integration und sozialer Bildung angesichts dieses punktuellen Events verwies Florian Langenscheidt auf die Notwendigkeit, einen "Aufhänger für die Medien" zu schaffen. Die Werbung für den Welttag und das Vorlesen sei in jedem Fall eine "tolle Sache".

Franz-Reinhard Habbel (Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes)
"Das Welttagsbuch blickt mittlerweile auf eine 20-jährige, erfolgreiche Tradition zurück. Statt sich jedoch auf einem etablierten Format auszuruhen, hatten die Initiatoren bei der Jubiläumsausgabe den aktuellen – und auch zukünftigen – Bedarf von Lehrkräften, Kindern und Jugendlichen fest im Blick. Die Erweiterung um einen eigenständigen Comic-Teil ist aus Sicht des Städte- und Gemeindebundes also ein wichtiger Schritt dahin, dass alle Kinder und Jugendliche in Deutschland einen Zugang zum Lesen und zur deutschen Sprache erhalten."

Jörg F. Maas (Hauptgeschäftsführer Stiftung Lesen)
"Vor dem Hintergrund, dass ein Fünftel aller 15-Jährigen in Deutschland Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hat, brauchen wir öffentlichkeitswirksame Tage wie den Welttag des Buches und breitenwirksame Aktionen wie ‚Ich schenk dir eine Geschichte‘. Damit wollen wir – im mittlerweile 20. Jahr – ein deutliches Signal für die Bedeutung des Lesens als Schlüsselkompetenz aussenden und gleichzeitig Kinder für das Lesen begeistern."

Jürgen Weidenbach (Verlagsleiter Kinder- und Jugendbuchprogramme Random House)
"Wir haben das Welttagsbuch in seinem Jubiläumsjahr erstmals um einen rund 30-seitigen Bilder-Teil erweitert. Das Buch ist damit auch für Integrations- und Willkommens-Klassen geeignet und kann von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichsten Sprachniveaus – auch gemeinsam – gelesen werden. Das ist für uns gelebte Integration."

Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer Börsenverein des Deutschen Buchhandels)
"Die Buchbranche möchte einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen unserer Gesellschaft leisten. Denn Bücher bilden nicht nur, sie verbinden. Bücher sind Integrationsmotoren und fördern das soziale Miteinander. Mit ihrem Engagement zum Welttag des Buches setzen sich die Buchhandlungen und Verlage deshalb seit 20 Jahren mit großer Leidenschaft dafür ein, Kinder für das Lesen und Bücher zu begeistern."

Walter Scheurle (Deutsche Post AG, Konzernvorstand a.D.)
"Kinder für das Lesen zu begeistern, ist immer auch eine Investition in die Zukunft. Denn Lesekompetenz ist Voraussetzung für Bildung, schulischen und beruflichen Erfolg und soziale Teilhabe. Daher unterstützen wir die Stiftung Lesen in vielen Bereichen bei ihrer Arbeit – und freuen uns in diesem Jahr zum Welttag des Buches wieder rund eine Million junge Leser mit dem Buchgeschenk zu erreichen."

Annette Langen (Welttagbuchs-Autorin 2016 – "Im Bann des Tornados")
"Ich freue mich ganz besonders, Kinder mit einer spannenden Geschichte zu fesseln. Großartig ist, dass fast eine Million Kinder ein Buch geschenkt bekommen. Für manche ist es ihr Erstes!"

Florian Langenscheidt (Verleger und Autor, Gründer von "Children for a better World")
"Lesekompetenz ist eine entscheidende Schlüsselqualifikation für eine erfolgreiche Bildungsbiografie und ein selbstgestaltetes Leben in unserer Gesellschaft. Daher sind kostenfreie Angebote wie ‚Ich schenk dir eine Geschichte‘ so wichtig. Der große Erfolg der Aktion liegt aber vor allem darin, dass die exklusiv für den Welttag geschriebenen Bücher den Kindern so großen Spaß bereiten und ihre Neugier auf Geschichten und Abenteuer wecken."