Drei Fachbuchhandlungen mit Erfahrung

Reich an Erfahrung

4. Mai 2016
von Andreas Trojan
Sie profitieren von einer langen Tradition – müssen sich aber ständig weiterentwickeln: Wie drei Fachbuchhandlungen in Bochum, Basel und Wien ihr Geschäft zukunftsfähig halten.

"Viele Narren und Toren kommen drein, / Deren Bildnis ich hier hab gemacht. / Wär jemand, der die Schrift veracht’t, / Oder einer, der sie nicht könnt lesen, / Der sieht im ­Bilde wohl sein Wesen."

Narren sind sie alle, die die Schrift gering schätzen und sie daher nicht lesen können. So sah es Sebastian Brant in seinem 1494 gedruckten Werk "Das Narrenschiff". Freilich, die Zeiten haben sich geändert, doch Narren gibt es immer noch – und auch das Narrenschiff. Es steht, wo sonst, fest und sicher in Basel – als Fachbuchhandlung.

Ein Mutterhaus im Rücken 
1976 wurde das Geschäft nach dem Vorbild der Münchner Autorenbuchhandlung gegründet, mit elf Gesellschaftern, unter ihnen Journalisten, Kunstwissenschaftler, Soziologen und Philosophen. 1989 übernahm die Buchhändlerin und Politikerin Beatrice Alder das Ruder. Im Jahr 2000 verkaufte sie dann Das Narrenschiff an die Schwabe Verlagsgruppe. "Seit 2010 stehe ich am Steuer des ­Narrenschiffs. Die Buchhandlung genießt einen ausgezeichneten Ruf in der Schweiz und im deutschsprachigen benachbarten Ausland", sagt die gelernte Buchhändlerin Petra Kiefer. Wenn Kunden es wünschen, erzählt sie gern die Geschichte und Geschichten rund um das Narrenschiff.
Zum Mutterhaus, der Schwabe AG, ­gehören weitere Unternehmensbereiche: der Wissenschafts- und Ärzteverlag, die Druckerei und das Geschäftsfeld In­formatik. Klar, dass die Buchhandlung auch die Printprodukte von Schwabe vertreibt. Aber das ist nicht alles. Bei der Produktion von Werbematerialien, bei der Gestaltung der Website, aber auch bei zentralen Aufgaben wie Buchhaltung, Presse und Marketing kann die Buchhandlung heute auf die Schwabe-Infrastruktur zugreifen.

Arbeitsteilung an der Ruhr 
Aus Büchernarren Wissende zu machen – das war auch die Idee des Bochumer Buchhändlers Friedrich Schaten. "Unser Vater hat 1956 ein Buchgeschäft übernommen und es dann als wissenschaftliche Buchhandlung weitergeführt", erzählt Joachim Schaten, der gemeinsam mit seiner Schwester Sylvia nun in zweiter Generation das Unternehmen führt – allerdings nicht am Ursprungsort. Denn 1972 eröffnete Friedrich Schaten einen neuen Laden direkt an der frisch gegründeten Ruhr-Universität. Damit war und ist die Universitätsbuchhandlung Schaten erste Adresse und Anlaufstelle für Studierende und Lehrende im Uni-Center.
Die Arbeitsaufteilung der Geschwister ist klar strukturiert: Joachim Schaten leitet die Buchhandlung im Uni-Center, Sylvia Schaten kümmert sich um das Rechnungsgeschäft. Von der Organisa­tionsform her ist die Buchhandlung ein Einzelgänger; der Laden im Uni-Center wurde vom Rechnungsgeschäft und der Verwaltung getrennt.

Auf eine sehr lange Tradition in der Schulung von Bücher- und Wissensnarren kann die Manz'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung in Wien verweisen. Sie existiert seit 1849, Anfang der 1880er Jahre übernahm die Familie Stein das Unternehmen, wel­ches nun in der fünften Generation von den Geschwistern Susanne Stein-Pressl und Andreas Stein als geschäftsführende Gesellschafter geleitet wird.
Zur Holding Manz gehören heute die Verlags- und Universitätsbuchhandlung GmbH, die Manz Verlag Schulbuch- GmbH sowie zwei Minderheitsbeteiligungen. Seit 1997 werden 40 Prozent der Buchhandlungs- und der Schulbuch-GmbH im Rahmen einer strategischen Partnerschaft vom Verlagskonzern Wolters Kluwer gehalten.
Bei so viel Geschichte, so viel Tradi­tion stellt sich die Frage, ob die ruhmreiche Vergangenheit nicht schwer auf den Schultern lastet. Susanne Stein-Pressl möchte sich nicht an den früheren Generationen messen lassen: "Ich sehe es vielmehr als eine hohe Verantwortung, das gut Aufgebaute zu erhalten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig braucht jede Zeit ihre Antworten – in­sofern ist jede Generation gefordert, die wesentlichen Zeichen der Zeit zu er­kennen und darauf zu reagieren." Diese Antwort passt wohl strategisch gesehen auf alle drei Fachbuchhandlungen, ganz gleich ob sie nun in Basel, Bochum oder Wien stehen.

Starke Standorte 
Das Trio hat vor allem eines gemeinsam: Bestehen muss es gegen die Großen am Markt, wie Schweitzer Fachinformationen oder Lehmanns Media. Einerseits gilt Joachim Schatens Eingeständnis: "Wir haben Glück, dass wir keinen solchen Konkurrenten vor Ort haben." Andererseits können die drei Buchhandlungen mit Tradition und Kontinuität punkten. Und: Ihr Standort stimmt.
Die Universitätsbuchhandlung Scha­ten befindet sich im Uni-Center. Das Narrenschiff zog 2012 vom idyllischen, aber etwas versteckten Schmiedehof in der Basler Altstadt an die Steinentorstrasse. "Wir liegen in unmittelbarer Nähe zum Schauspielhaus. Es gibt sehr gute Tramverbindungen und wir werden im 'Vorbeigehen' wahrgenommen. Somit ist die neue Lage ideal", erklärt Petra Kiefer.
Kohlmarkt 16 lautet die Adresse der Manz'schen Verlags- und Universitätsbuchhandlung. Und damit liegt sie in absoluter Toplage der Donaumetropole. 1912 gestaltete der streitbare Architekt Adolf Loos das Eingangsportal. "Natürlich ist es etwas ganz Besonderes, die 'Loos-Buchhandlung' zu sein", weiß Susanne Stein-Pressl. Interessant: Obwohl nur rund zwölf Prozent der Kunden Käufe oder Bestellungen direkt im Laden tätigen, zeigen Image- und Marketingumfragen ein anderes Bild: "Weit über 50 Prozent der befragten Kunden geben an, dass die stationäre Buchhandlung für sie eine große Wichtigkeit hat."
Bei den beiden anderen Marktteilnehmern verhält es sich ähnlich: Bei Schaten ist das Ladenlokal für Studenten und Dozenten sehr wichtig, den Fachkunden im Bereich Rechnungsgeschäft reicht dagegen das Internet zur Information. Beim Narrenschiff nutzen institutionelle Kunden wie Bibliotheken und die Fachklientel die digitalen Dienstleis­tungen. Wer hingegen in den Laden kommt, möchte sich inspirieren lassen, sucht das Gespräch. "Kunden wollen durchaus wahrgenommen werden, so entstehen auch Zusatzverkäufe", sagt Petra Kiefer.

Nicht nur Fachbücher 
Alle drei Buchhandlungen decken neben dem reinen Fachbuchsortiment noch weitere Warengruppen ab – allerdings mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Schaten pflegt neben dem Fachbuchgeschäft die Segmente Belletristik, Kinder- und ­Jugendbuch und Ratgeber. Alle drei populären Segmente haben jedoch an Umsatzgewicht verloren – dafür boomt im Moment der Bereich Deutsch als Fremdsprache.
Beim Narrenschiff wiederum steuern Romane, Krimis und selbst Lyrik einen nicht unbedeutenden Anteil zum Gesamtumsatz bei. Und die Manz'sche Buchhandlung wartet neben dem klassischen Recht-Wirtschaft-Steuern-Angebot mit einem kleinen Sortiment an Sachbüchern, Belletristik und Viennensia auf. Dort ist angedacht, diese Segmente zumindest im Onlinebereich auszuweiten.
Alles in allem stehen bei der Manz'schen Fachbuchhandlung die verlags­eigenen Printprodukte im Fokus – sie machen 55 Prozent des Jahresumsatzes mit Büchern und Fortsetzungswerken aus. Bei den Zeitschriften liegt der Eigenanteil sogar bei 60 Prozent. Die seit 1997 bestehende strategische Partnerschaft mit Wolters Kluwer hat nach Angaben von Susanne Stein-Pressl keinen direkten Einfluss auf das Buchhandelsgeschäft. Dennoch gilt: "Unser Partner, der selbst ja nur über wenige Buchhandlungen verfügt, weiß die Informationsquelle, die der Betrieb einer Buchhandlung in Bezug auf unsere Kunden bedeutet, zu schätzen."

Digitaler Service als Basis 
Ganz groß schreibt das Trio seine  Strategien zur Kundenbindung. "Besonders bewährt haben sich die Erstsemester-­Führungen, die auch unsere Buchhandlung miteinbeziehen", erzählt Joachim Schaten. Und Sylvia Schaten fächert die ganze Palette der digitalen Kundenbetreuung auf: "Wir bieten unseren Kunden das Onlineportal schaten.biz an, mit Schnittstellen zu SAP und Ariba." Hier können Kunden bibliografieren, Bestellungen tätigen und verwalten, sogar die Budgetierung ist nach verschiedenen Kriterien möglich. Zusätzlich wird ein individualisierter, automatisierter Neuerscheinungsdienst angeboten.
Neben einem gut funktionierenden Webshop bietet das Narrenschiff eine Reihe von Veranstaltungen an, auch literarische, aber doch in der Hauptsache zu Fachthemen wie Philosophie und Psychologie. Natürlich geht es hier um Kundenbindung, doch Petra Kiefer hat noch mehr im Blick: "Wir möchten die Buchhandlung als spannenden Veranstaltungsort etablieren und bei unseren Gästen Emotionen auslösen. Das Ganze eingebettet in eine interessante Lesung, in eine Vernissage oder Ausstellung. Dies gelingt uns ganz gut."
Die Manz Online Bibliothek gibt es seit 2005, Beratungen sowie Webinare werden für Onlinedatenbanken angeboten. Susanne Stein-Pressl hat dabei den Blick auf die Zukunft gerichtet: "Wir erwarten eine noch größere Mobilität. Es wird darum gehen, sich stärker mit den Kunden und ihren Geräten auseinanderzusetzen, um so am Puls der Veränderungen ihrer Arbeitswelt zu sein."
Manz bietet zudem Fachseminare an. Auch das ist Kundenbindung. Zusätzlich gibt es Novitätenmailings, eine zehnmal jährlich erscheinende Kundenzeitschrift, einen immer aktuellen Webshop mit Literaturempfehlungen sowie spezielle Themen-Newsletter. Doch eines ist Stein-Pressl auch klar: "Als Hauptpfeiler der Kundenbindung sehen wir das Fachwissen, das Know-how und die Beratungsfreudigkeit unserer Buchhändler."

Training on the Job 
Manz hat Buchhändler lange Zeit auf klassische Weise ausgebildet. Doch seit einigen Jahren geht die Fachbuchhandlung einen anderen Weg. "Wir haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Studierende, vornehmlich des Fachs Jura, während ihrer akademischen Ausbildung in der Buchhandlung 'on the job' auszubilden und sehen dies auch als den erfolgsversprechenden zukünftigen Weg", so Stein-Pressl.
Gegen Amazon & Co. müssen alle drei Fachbuchhandlungen antreten. Kundenberatung, Mailings und Internet­aktivitäten aller Art helfen dabei. Bei Manz lautet die Devise darüber hinaus: Bestellt der Kunde bis zwölf Uhr, erhält er seine Lieferung in der Regel innerhalb von 24 Stunden. Da ist auch Amazon nicht schneller.
Trotzdem gilt: Büchernarren als Kunden zu gewinnen und zu binden, ist keine kleine Kunst. Ihre Tradition können die drei Fachbuchhandlungen auf der Habenseite verbuchen, nur ausruhen dürfen sie sich darauf nicht. Maßgeschneiderte Angebote, stationär wie auch online, gute Beratung, Zusatz­leistungen wie Veranstaltungen oder ­Seminarangebote fördern die Kundenbindung – und damit auch das Geschäft mit den Produkten. Ob in Bochum, Basel oder Wien.

Unabhängige im Überblick

Manz'sche Verlags- und Universitätsbuchhandlung    
Kohlmarkt 16, 1010 Wien
Gesellschafter: Manz GmbH, Wolters Kluwer International
Schwerpunkte: Recht, Wirtschaft, Steuern
Verkaufsfläche: 220 Quadratmeter
Mitarbeiter: 19
Jahresumsatz: ca. 1,5 Mio. Euro (bar); der Umsatz mit Direktkunden im Printbereich liegt bei ca. 16,5 Mio. Euro.
Web: www.manz.at


Das Narrenschiff   

Steinentorstrasse 11, 4051 Basel
Inhaber: Schwabe AG; Geschäftsführerin ist Petra Kiefer.
Schwerpunkte: Philosophie, Psycho­logie, Ethnologie, Soziologie
Verkaufsfläche: 150 Quadratmeter
Mitarbeiter: 3
Jahresumsatz: keine Angaben
Web: www.dasnarrenschiff.ch


Universitätsbuchhandlung Schaten

Querenburger Höhe 230, 44801 Bochum
Inhaber: Sylvia und Joachim Schaten
Schwerpunkte: Jura, Medizin, Sprachlehrbücher
Verkaufsfläche: 300 Quadratmeter
Mitarbeiter: 5 (plus studentische Aushilfen)
Jahresumsatz: 2,5 Mio. Euro
Web: www.schaten.de