Jahrestagung Arbeitskreis Hörbuchverlage

Digital oder finanziell – Mitmachangebote für Audioproduzenten

12. Mai 2016
von Börsenblatt
Neue Ideen, alte Rechtsprobleme und das Ringen um die Finanzierung der Auszeichnungen Deutscher Hörbuchpreis und BEO: In Hamburg ist am Donnerstag die Jahrestagung des Arbeitskreises Hörbuchverlage im Börsenverein zu Ende gegangen.

Für den Frischekick zum Tagungsauftakt sorgte die Vorstellung von Boxine und AudioguideMe, zwei Unternehmen mit innovativen Ideen für die Hörbuchbranche. Die von Patric Faßbender und Marcus Stahl in Düsseldorf gegründete Boxine GmbH steht für die Toniebox, ein RedDot-prämiertes Abspielgerät für das Kinderzimmer, und die dazugehörigen, Tonies genannten, Hörfiguren.

Faßbender und Stahl wollten ein für Kinder zwischen drei und sechs Jahren geeignetes Bedienungskonzept für Hörbücher entwickeln, das Schluss macht mit zerkratzten CDs und Bandsalat. Herausgekommen ist ein softer Hörwürfel, der zum Klingen kommt, wenn auf ihn eine Hörfigur gestellt wird. In Würfel und Figur steckt jede Menge Technik – und noch viel Potenzial. Ein Tonie, der aussieht, wie die Oma?

Interaktive Möglichkeiten? Non-lineare Hörspiele? Boxine arbeitet daran – und erntete von den Hörbuchverlegern in Hamburg viel Applaus und Zuspruch für eine innovative Audioidee. Oetinger, Hörbuch Hamburg, Igel Records oder die HörCompany – viele Verlage sind bereits im Boot. Mit 15 Hörbüchern/Figuren und zwei "Kreativ"-Figuren, die individuell besprochen werden können, soll Tonie im September starten (Starterset Box mit Figur 79,95 Euro, Figuren 11,95 Euro bis 14,95 Euro). Mehr zum Tonie lesen Sie in unserem Unternehmensporträt.

AudioguideMe, das ist eine Plattform für Geschichten und lokale Information, erzählt an den Orten ihrer Handlung. Oder anders ausgedrückt: Location based Storytelling. Das Start-up des Medientechnikers und Kulturwissenschaftlers Paul Bekedorf liefert, egal wo man gerade ist, vom Stadtspaziergang bis zur Info über einzelne Sehenswürdigkeiten georeferenzierten Hörstoff, Community-Anbindung inklusive (kommentieren, Podcastern folgen usw.). Was das mit Hörverlegern zu tun hat? Die könnten AudioguideMe ganz prima als Marketingtool nutzen. Im Rhein-Main-Gebiet etwa gibt es Kostproben aus Krimis von Nele Neuhaus zu hören – mit Link zum Verlag für mehr Infos und Kaufempfehlung. Diese Idee hat Paul Bekedorf bereits mit Hörbuch Hamburg durchgespielt und umgesetzt, ebenso wie eine Hörlandkarte, die zeigt, wo überall auf der Welt Hörbücher von Hörbuch Hamburg spielen. Auch mit dem Geophon Verlag hat AudioguideMe schon ein Projekt realisiert (Werbematerialien für ein Thailand-Hörbuch). Besonders die Hörbuchverlage mit Reiseliteratur und Regionalkrimis im Programm dürften in Hamburg aufgehorcht haben. 


Den Preisen fehlt das Geld

Der Deutsche Hörbuchpreis und der Kinderhörbuchpreis BEO haben sich etabliert – und sind bei den Hörbuchverlagen dank ihrer positiven Signale an Handel und Publikum hoch willkommen. Angelika Schaack, HörCompany-Verlegerin und Vorstandsmitglied im Trägerverein des BEO, trommelte in Hamburg für Unterstützung. Als neuer Sponsor ist nun zwar Boxine dabei, aber zwei andere Sponsoren haben ihr Engagement gekündigt – eine Lücke von etwa 15.000 Euro muss geschlossen werden. In  diesem Jahr wird der BEO zum vierten Mal verliehen, "auf jeden Fall", so Schaack.  

Weitaus mehr Regelungsbedarf dürfte es beim Deutschen Hörbuchpreis geben. Über den Stand der Dinge informierte Esther Roos, die im WDR für die Auszeichnung zuständig ist, die in diesem Jahr zum 14. Mal im Großen Sendesaal des WDR verliehen wurde. Für das nächste Jahr sei die Verleihung weitestgehend gesichert, für 2018 soll jedoch über ein neues Konzept nachgedacht werden, berichtete Roos. Die erste Idee: eine engere Anbindung an das Kölner Erfolgsliteraturfestival lit.Cologne inklusive Ortswechsel der Preisgala. Auch Roos rief die Hörbuchverleger zu finanziellem Engagement auf. Diese hatten bereits im vergangenen Jahr eine Task Force Deutscher Buchpreis anberaumt, deren Ergebnisse allerdings noch nicht in großem Rahmen auf den Tisch gekommen sind. Nun heißt es wohl ersteinmal Daumen drücken für den Deutschen Hörbuchpreis 2017.

Mitmachmöglichkeiten für den Digitalvertrieb

Die Hörbuchverleger können mit ihren Produktionen schon bald bei Findaway dabei sein, einem der größten digitalen Hörbuch-Vertriebsplattform in den USA. Nina Kreutzfeld, Verlegerin und Beraterin für digitale Verlagsprodukte, stellte in Hamburg ihren Kunden vor, der seinen Katalog um fremdsprachige Titel erweitern will. Findaway ist B2B-Aggregator für 100.000 Hörbücher (Retail, Bibliotheken, Schulen; One Copy oder − zum größeren Teil − Abomodelle).

Für die meisten Hörbuchverlage ein alter Hut ist die 2005 gegründete Onleihe der Divibib/EKZ Bibliotheksservice. Frank Osswald, Gesamtleiter Einkauf EKZ und Divibib, hatte die neuesten Zahlen mitgebracht: 2.700 Bibliotheken sind der Onleihe angeschlossen, 2015 wurden rund 17,5 Millionen Ausleihen getätigt, und fast alle Verlage machen mit (wie berichtet, sind nun auch die Verlagsgruppen Holtzbrinck und Bonnier im Boot). Serielle Leihrechte, d.h. jedes E-Medium kann immer nur von einem Nutzer gleichzeitig ausgeliehen werden, sind die Regel. Aus 160.000 E-Titeln insgesamt kann der Bibliothekskunde wählen (abhängig vom Ankauf "seiner Bibliothek"), darunter sind 20.700 E-Audios. Osswald warb bei den Hörbuchverlegern für die sogenannte XL-Lizenz, eine Kombination aus einzelnen (seriellen) und parallelen Nutzungsrechten, mit der sich der Ansturm bei Neuerscheinungen besser bewältigen lässt. Bei der XL-Lizenz steht ein paralleles Nutzungsrecht mit 20 bzw. 25 Ausleihen am Anfang, wenn dieses Kontingent erschöpft ist, verbleiben zwei serielle Lizenzen. 

Verkaufen mit VLB-TIX und Phononet

Die neuesten Zahlen für VLB-TIX hatte Tom Erben dabei, Leiter Marketing und Vertrieb bei VLB-TIX. Danach nutzen 17 Wochen nach dem Start 2.500 registrierte User die Plattform, darunter 522 Buchhandlungen und 378 Verlage. In 391 Vorschauen kann recherchiert werden, 88 davon sind Herbstvorschauen. Besonders interessant für die Hörbuchverlage: Ab Juni können auch Hörproben automatisch zu den Titelinformationen hinzugefügt werden, denn, so Erben, "Sichtbarkeit verkauft Hörbücher". VLB-TIX fungiert nämlich auch als Schnittstelle zum Verbraucher. Für seine Kunden generiert der Handel aus VLB-TIX heraus Datenkataloge für seine Kunden. "Und was Sie nicht einstellen, kann der Buchhändler auch nicht weitergeben", so Erben.

Was VLB-TIX für den Buchhandel ist, ist Phononet für den Plattenhandel / die Entertainmentbranche. Phononet wurde 1991 als Tochter des Bundesverbands Musikindustrie gegründet und liefert standardisierte Schnittstellen zwischen der Entertainment Industrie, dem Handel und den Medienpartnern. 200 Händler plus Filialbetriebe sind angeschlossen, darunter Thalia, Weltbild, buch.de, Dussmann und natürlich Media Markt. Im Katalog sind 1,1 Millionen Artikel (320.000 aktive Artikel), darunter 20.534 Hörbücher (5.848 aktiv). Phononet-Vertreter David Hoga stellte einige Beispiele für gelungene – und weniger gelungene – Hörbucheinträge in Phononet vor. Einige Verlage dürften wohl noch in Hamburg ein paar Praktikantentage für die Pflege ihrer Daten einplanen.

"Trockenbrot mit Champagner"

Nicht fehlen bei der Jahrestagung der Hörbuchverlage durfte Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang. Er verstehe es "Trockenbrot mit Champagner" zu servieren, so HörCompany-Verlegerin Andrea Herzog, und hatte diesmal überwiegend Dauerbrenner wie das Kartellverfahren gegen Audible und Apple itunes und die Novellierung des Urhebervertragsrechts im Gepäck – von Ergebnissen konnte er diesmal nicht berichten. 

Mehr zum Hörbuch:

Fragen und Antworten zum Hörbuchmarkt

14. Verleihung des Deutschen Hörbuchpreises