Beziehungspflege ist der wichtigste Faktor im Job

Gut vernetzt in alle Richtungen

23. Juni 2016
von Sabine Schmidt
Wissen ist nicht Macht: Vielmehr kommt es im Berufsalltag vor allem auf die sozialen Fähigkeiten an.

Wer mit viel Aufwand und Engagement eine Aus­bildung oder ein Studium absolviert hat, der wünscht sich, dass Fachkompetenz eine entscheidende Rolle spielt, wenn es darum geht, sich im Berufsalltag durchzusetzen. ­Tatsächlich macht die Fachkompetenz aber nur zehn Prozent des beruflichen Erfolgs aus, wie Jürgen Lürssen und Marc Opresnik in ihrem Buch "Die heimlichen Spielregeln der ­Karriere" (Campus, 240 S., 19,99 Euro) betonen. 
Und die restlichen 90 Prozent? "Die Fähigkeit zur Selbstdarstellung oder die Pflege von Beziehungen geben mit 30 be­ziehungsweise 60 Prozent den Ausschlag", antworten die Autoren, die nach Tätigkeiten in Unternehmen heute an Hoch­schulen arbeiten: Lürssen ist Professor für Marketing in Lüneburg, Opresnik Professor für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Lübeck.

Kontakte auf vielen Hierarchieebenen 
Natürlich sind Ausbildung oder Studienabschluss die Eintrittskarten für den Beruf, und natürlich hilft es, nicht unbelastet von Wissen zu sein. Wer aber ein Projekt voranbringen und Kollegen zur Mitarbeit bewegen oder gar Karriere machen will, braucht mehr: gute Kontakte auf möglichst vielen Hierarchieebenen – und er sollte sich selbst immer wieder ins Gespräch bringen.
Manchem liegt das, vor allem jenen, die ihren Arbeitstag am liebsten damit verbringen, Kaffee mit Kollegen und Chefs zu trinken und E-Mails zu versenden, in denen sie ihre Erfolge feiern. Andere konzentrieren sich dagegen lieber auf ein Projekt, machen sich Gedanken darüber, wie es gut und besser werden kann. Beide Gruppen sollten an sich arbeiten, empfehlen die Autoren. Die einen sollten die Rampensau in sich in Zaum halten, weil das rechte Maß entscheidend ist und diejenigen, die als Blender gelten, auf Dauer nicht viel Boden gutmachen können. Die anderen sollten über ihren Schatten springen und Kollegen auch schon mal Honig ums Maul schmieren, weil Projekte keine One-Man-Shows sind.
Mehr noch: Die anderen im Team sind in der Regel nicht neutral, schauen sich nicht einfach an, was der Kollege will, lassen sich nicht unbedingt leicht überzeugen. Sie arbeiten an eigenen Projekten, haben keine Lust oder keine Zeit, einen anderen zu unterstützen, wollen pünktlich in den Feierabend oder den Konkurrenten am Erfolg hindern, wollen selbst die Position, die der andere anstrebt, lassen ihn auflaufen und scheuen auch üble Nachrede nicht. Unternehmen wollen Gewinn machen, Behörden ihre Aufgaben erledigen – aber ­neben den sachlichen spielen nun mal auch persönliche Ziele eine große Rolle.

Die zweite Dimension im Blick haben 
Was hilft weiter? Man solle politisch denken, sagen Lürssen und Opresnik: "Politisch denken heißt zu erkennen, dass in jeder Organisa­tion neben der sichtbaren Welt der Fakten, Entscheidungen und Ereignisse eine zweite Dimension existiert." Es heißt, die Interessen der anderen im Blick zu haben und in Machtzusammenhängen zu denken. Sich darüber im Klaren zu sein, dass jeder, auch der Vorgesetzte, in Abhängigkeit zu anderen steht, und dass vieles, was wichtig ist, im Verborgenen abläuft. Und ebenso darüber, dass Beziehungen und Netzwerke instabil sind: Kollegen und Vorgesetzte wechseln schon mal die Seite oder das ­Unternehmen.
Nicht (Fach-)Wissen ist Macht. Einfluss hat vielmehr, wer sich gut verkaufen und andere für sich gewinnen kann und dabei flexibel ist. Man kann bedauern, dass es so ist, sollte sich aber darauf einstellen.