Die aktuelle Logistikumfrage des Börsenvereins

Frisch geliefert

23. Juni 2016
von Christina Schulte
Die Lernfähigkeit der Branche hat in Sachen Logistik noch Luft nach oben. Nach wie vor wird nicht ausreichend gebündelt, zu viel remittiert und zu kleinteilig verpackt. Das zeigt die aktuelle Logistikumfrage des Börsenvereins.

Business as usal – oder war 2015 ein Logistikjahr, das aus der Reihe tanzte? Die Logistikumfrage des Börsenvereins sortiert pünktlich zu den Buchtagen in Leipzig die Zahlen der Verlagsauslieferungen. Zum dritten Mal werden bei dieser Erhebung nicht nur Print-, sondern auch digitale Umsätze erfasst. Zehn Teilnehmer haben mitgemacht, sie ver­zeichnen einen Gesamtumschlag zu Nettoabgabepreisen von 2,535 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahreswert entspricht das einem Zuwachs von 0,46 Prozent, der sich auch aus dem Printbereich speist. Auf jedes teilnehmende ­Unternehmen kommt ein Umschlag print und digital von 253,5 Millionen Euro.


Bei der Auswertung für die physischen Bücher springt eine signifikante Veränderung der Kundenstruktur ins Auge. Der stationäre Handel ist mit 51,97 Prozent zwar noch immer wichtigster Abnehmer, hat aber im Vergleich zum Vorjahr ­Federn lassen müssen und mehr als drei Prozentpunkte verloren (siehe Grafik 1). Die anderen Kundenzahlen bewegten sich weit­gehend auf dem Niveau von 2014. Der zweite Platz wird nach wie vor vom Großhandel eingenommen, der 19,53 Prozent erreicht. Ein wenig aufgeblüht ist der Online- und Versandhandel inklusive Weltbild, dessen Wert von 8,78 Prozent auf 9,49 Zähler geklettert ist. An dieser Zahl lässt sich mög­licherweise ablesen, dass der E-Commerce wieder besser dasteht.
Wie kam es zu dem Rückgang im Sortiment? Zu erklären ist er mit einer Verringerung des Inlandsumsatzes von 2,95 Prozent, der fast vollständig zulasten der Buchhändler vor Ort geht. Gleichzeitig waren die Dienste der Verlagsauslieferungen im Ausland stark nachgefragt. Fast 25 Prozent mehr als 2014 wurde in andere Länder exportiert, sodass der Ausfuhranteil von 10,93 Prozent auf 13,65 Prozent gestiegen ist. Nach Einschätzung Stefan Könemanns, Vorsitzender des Ausschusses für den Zwischenbuchhandel, könnte dies mit dem starken Schweizer Franken zu tun haben, aber auch und vor allem mit den beiden neuen Versandzentren, die Onlinehändler Amazon in Polen eröffnet hat, um von hier aus deutsche Kunden zu bedienen.
Stillstand herrscht hingegen bei der Rechnungsstruktur / Bündelung. Hier will die Branche trotz wiederholter Appelle der Logistiker einfach nicht vom Fleck kommen. Standen 2014 durchschnittlich 7,57 Positionen auf einer Rechnung, war es im vergangenen Jahr mit 7,44 Positionen sogar ein Hauch weniger (siehe Grafik 2). So gut wie keine Veränderung gab es bei den Exemplaren pro Rechnung. 50,03 sind es 2015 gewesen, ein kaum messbarer Fortschritt, denn 2014 waren es 50. Auch die Exemplare pro Position verharrten mit 6,73 nahezu auf Vorjahresniveau (2014: 6,6). "Hier sind die Sortimenter gefordert, ihr Bestellverhalten zu überprüfen", wirft Könemann den Stein ins Wasser. Denn: "Alle Marktteilnehmer ­reden viel und gern von Bündelung – systemimmanentes Verhalten wie Schnellschüsse oder viele Auslieferungstermine sorgen aber für ein Unterwandern der Bemühungen", meint er.
Ein leidiges Thema ist auch die hohe Remissionsquote: Sie erzeugt Kosten zulasten der gesamten Branche. Bei dieser Kennzahl geht es sogar wieder aufwärts: von 7,69 auf 7,99 Prozent. Damit liegt der Anteil der Remissionen am Umsatz bei acht Prozent. "Auch das ist unerfreulich, denn der Wert bleibt unter Rationalisierungs-Gesichtspunkten katastrophal." Weitgehende Regungslosigkeit herrscht ebenso beim Lager­umschlag. Er hat sich 2015 eher verschlechtert – von 1,2 auf 1,18 Prozent.

Kostenlose Versandaktionen 
Buchhändler, Blogger, Journalisten etc.: Sie alle wollen mit Büchern versorgt werden. Kein Wunder also, dass auch 2015 wieder jede Menge Rezen­sions- und Freiexemplare im Umlauf waren. Mit 10,11 Prozent aller ausgelieferten Exemplare ging jedes zehnte Buch ohne Rechnung raus (2014: 10,44). Eine Trendwende ist in der Logis­tikumfrage also nicht erkennbar.
Fortschritte lassen sich dagegen bei der Bestellstruktur konstatieren. Mehr als 80 Prozent aller Aufträge wurden im vergangenen Jahr elektronisch übermittelt (siehe Grafik 3). Zwar sind hier die Veränderungen nur marginal, aber die 80-Prozent-Hürde konnte erneut geknackt werden. Die Bestellungen, die manuell weiterzuverarbeiten sind und als fehleranfällig ­gelten (Fax, E-Mail oder Telefon), machen nur noch knapp ein Fünftel aller Order-Eingänge aus.
Nicht gerade leichter wird das Geschäft der Verlagsvertreter. Sie schrieben im vergangenen Jahr 19,21 Prozent der Aufträge (2014: 19,83 Prozent). "Dies ist der Tatsache zuzuschreiben, dass weiterhin klassische Reisekunden vom Markt verschwinden", so Könemanns Einschätzung. Filialisten und Onlinehändler würden ohne Vertreterbesuch bestellen. "Aber auch immer mehr stationäre Sortimenter reduzieren ihre Besuchstermine." Diese Zahlen zeigen für Könemann das chronische Dilemma der Verlagsvertreter. Fast alles, was die Vertreter ordern, wird elektronisch übermittelt. Lediglich ein kleiner Anteil wird noch per Bestellformular aufgenommen. Könemanns Schlussfolgerung: "Wahrscheinlich sind wir an dem Punkt, an dem die Sättigungsgrenze für den Einsatz von Software im ­Außendienst erreicht ist."
Kleine Päckchen oder große Pakete? Das ist eine der Kern­fragen bei der Sendungsstruktur. Sehr zum Leidwesen der Logis­tiker werden nach wie vor jede Menge Kleinstsendungen unter zwei Kilogramm durch die Gegend geschickt. Gut ein Drittel aller Packstücke fällt in die Kategorie unter zwei Kilo (siehe Grafik 4). Damit hat sich der Wert gegenüber dem Vorjahr nicht verändert. Auf gleicher Höhe bewegen sich auch die etwas schwereren Päckchen zwischen zwei und fünf Kilogramm (13,49 Prozent). Der Anteil der Sendungen zwischen fünf und zehn Kilo, die angenehm zu tragen und vom Porto her rentabel sind, hat sich mit 17,19 Prozent ebenfalls kaum verändert. Die Kategorie zwischen zehn und 20 Kilogramm kann einen leichten Zuwachs verbuchen.
Wer bringt die Bücher zu den Kunden? Nach wie vor werden die meisten Bestellungen via Büchersammelverkehr distribuiert (44,51 Prozent), eine kleine Aufwärtstendenz gegenüber 2014 (44,33 Prozent). Somit werden, gemessen am Gewicht ­aller Lieferungen, gut 52 Prozent über den Büchersammel­verkehr bewegt. An Einfluss verloren hat die Post, die noch 24,33 Prozent der Päckchen verteilt (2014: 25,64 Prozent) und nur 4,5 Prozent des Gewichts auf sich vereint. Etwas besser stehen die Paketdienste da, auf die gut ein Fünftel aller Packstücke entfällt. Zulegen konnten Frachtlieferungen, die die Zehn-Prozent-Marke geknackt haben und nach Gewicht 31,55 Prozent der Masse stemmen.

Aufschwung für die digitalen Umsätze 
Im Jahr 2015 haben die Verlagsauslieferungen ihre Einnahmen mit E-Books um fast sieben Prozent verbessern können. Sie wickeln mittlerweile E-Book-Bestellungen im Wert von 139,2 Millionen Euro ab. "Der digitale Markt wächst weiter, wenn auch etwas moderater", so Jens Klingelhöfer, Digitalexperte und Mitglied im Ausschuss für den Zwischenbuchhandel. Zugenommen hat auch die Anzahl der direkt belieferten Händler. Jede Verlagsauslieferung unterhält Geschäftsbeziehungen mit 25,4 Händlern (zwei Prozent mehr als im Vorjahr). Munter gewachsen ist das Titelangebot, um gut 40 Prozent oder fast 4 000 Titel ging es nach oben und liegt jetzt bei 13 377 E-Books (siehe Grafik 5). Dabei scheint sich die Erhöhung der lieferbaren Titel nicht 1 : 1 auf den Umsatz auszuwirken – vor allem Backlist-Veröffentlichungen seien für den Anstieg der lieferbaren Titel verantwortlich, meint Klingelhöfer. Mit diesen Werten verkleinert das E-Book seinen Abstand zur Anzahl der Printtitel, wenngleich die Differenz immer noch rund 70 Prozent beträgt. 46 945 Printtitel wurden im vergangenen Jahr gezählt, 3,37 Prozent mehr als 2014.
Bevorzugtes Format der Verlage bleibt mit großem Abstand EPUB, auch wenn seine Beliebtheit etwas nachgelassen hat (83,85 Prozent gegenüber 87,46 Prozent im Vorjahr). Einen Aufschwung erlebte Mobipocket, das auf einen Wert von 40,85 Prozent kommt. Im Vorjahr entfielen darauf lediglich 34,94 Prozent. Immer weniger beliebt ist das PDF, das nur 26,22 Prozent erreicht. Die proprietären, interaktiven Formate werden dagegen wenig genutzt.
Welche Kundengruppen versorgen sich mit E-Books? Größter Abnehmer ist und bleibt der digitale Handel (pay per Download / Stückverkauf) mit 91 Prozent. Allerdings ist hier eine Verschiebung zu erkennen. Hatte der digitale Handel mit 96,79 Prozent im Jahr 2014 noch eine Quasi-Monopol­stellung, so kommen jetzt die digitalen Verleihmodelle in Fahrt. Bibliotheken und Verleihplattformen konnten ihren Anteil am Umsatz von 2,75 Prozent auf 8,12 Prozent anheben. Auch Endabnehmer (Privathaushalte, Institutionen, Unternehmen) treten fast in doppelter Stärke auf, ihr Anteil bewegt sich mit 0,89 Prozent jedoch nach wie vor auf niedrigem ­Niveau. Klingelhöfer erkennt in dieser Bewegung "einen deutlichen Trend Richtung direct-to-consumer".
Beim Verhältnis zwischen berechneten und unberechneten E-Books hat der digitale Bereich die Nase vorn. Während jedes zehnte gedruckte Buch unberechnet verschickt wird, ist es bei den E-Books noch nicht einmal jedes achte. Verlage machen also immer weniger davon Gebrauch, E-Books zu Marketingzwecken kostenlos abzugeben. Im Vergleich zu 2014, als der Anteil der unberechneten E-Books noch bei fast 15 Prozent lag, ist das ein spürbarer Rückgang.
Ein interessantes Ergebnis der Logistikumfrage sind die Remissionsquoten bei E-Books. Der Anteil der Remissionen wird mit 0,71 Prozent zu Protokoll gegeben, nur unwesentlich mehr als 2014 (0,63 Prozent). Zur Erinnerung: Im Jahr 2014 wurde per Gesetzesänderung eine verbraucherfreundliche neue Rückgabereglung erwirkt. Fraglich bleibe bei den vorliegenden Resultaten, so Klingelhöfer, "ob der leichte Anstieg bei den Remissionen durch eine größere Kulanz oder häufigere Rückgaben auf Basis des neuen Gesetzes verursacht wird".
Ähnlich wie bei den gedruckten Büchern zeigt sich auch im digitalen Bereich eine Zunahme der Nachfrage aus dem Ausland (inklusive Österreich und der Schweiz). Rund 60 Prozent der Einnahmen werden mit Abnehmern aus dem Inland erwirtschaftet, ca. vier Prozentpunkte weniger als 2014. Der Export hingegen machte 2015 schon 40 Prozent aus – und verbucht damit ein Wachstum von ca. 20 Prozent, während das Inland auf ein Minus von 0,19 Prozent kommt. "Es lässt sich vermuten, dass der Export in andere Märkte ein deutlich wachsendes Geschäft für deutsche Verlage darstellt", meint Klingelhöfer.

Logistikumfrage 2016

  • Auftraggeber: Ausschuss für den Zwischenbuchhandel
  • Durchführung: Marktforschung des Börsenvereins
  • Teilnehmer: zehn Verlagsauslieferungen
  • Gesamtumschlag 2015 (print und digital zu Netto-Abgabe­preisen): 2,535 Milliarden Euro (davon digital 139,2 Millionen Euro)