Manuel Herder zum Einstieg bei Thalia

"Zweifel hatte ich keine, im Gegenteil"

12. Juli 2016
von Börsenblatt
Die Familien Herder und Kreke übernehmen Thalia, die Nummer 1 im deutschen Buchhandel. Ein dreistelliger Millionen-Deal, der unternehmerische Risikobereitschaft verrät, aber vor allem Leidenschaft für den Buchhandel. Wie es dazu kam, und welche strategische Leitlinie die Käufer mit der Übernahme verfolgen, sagt Manuel Herder im Gespräch mit boersenblatt.net.   

Welches strategische Ziel verfolgen Sie mit der Übernahme von Thalia?
Das strategische Ziel geht in zwei Richtungen. Zum einen ist es für uns als Verlagshaus Herder interessant, an Thalia mehrheitlich beteiligt zu sein. Thalia ist nach einer schwierigen Phase wieder rentabel und verspricht, in Zukunft noch rentabler zu werden. Genauso interessant ist für uns aber auch, wieder im Buchhandel engagiert zu sein. Bis vor 20 Jahren waren wir, wie Sie wissen, einer der führenden Buchhändler im deutschen Sprachraum. Wir haben uns damals von unseren Buchhandlungen getrennt, nicht zuletzt, weil wir erkennen mussten, dass Buchhandel, so wie wir ihn damals betrieben haben – im Zeichen von Konzentration und Filialisierung – sich schwer tun würde. Wir haben den Markt seither in Ruhe beobachtet. Buchhandel haben wir bei Carolus in Frankfurt weiter betrieben, um am Markt präsent zu bleiben. Jetzt gab es die große Chance, in den Buchhandel zurückzukehren. Das tun wir mit großer Begeisterung. Ich finde, Buchhandlungen und Buchhandel sind mit die schönsten Geschäfte der Welt. Ich freue mich, wieder dabei zu sein!

Ist die Übernahme auch ein Signal an Amazon?
Wenn man in den Buchhandel investiert, dann ist das zunächst die Aussage, dass man an den Buchhandel glaubt. Wir glauben, dass der Buchhandel eine gute Zukunft in den Innenstädten hat. Und wir glauben, dass der Besuch in einer Buchhandlung auch in Zukunft zum regulären Freizeitverhalten der Leserschaft gehören wird. Darüber hinaus stellt sich doch heraus, dass Onlinehandel kein Hexenwerk mehr ist, sondern solides Handwerk, das man lernen kann. Die Zahlen sind hier eindeutig: Thalia beherrscht dieses Handwerk.

Wie kam die Idee, sich auf einen so großen Deal einzulassen? Hätte es nicht Alternativen gegeben?
Wir sind mit der Unternehmerfamilie Kreke freundschaftlich verbunden, seit wir vor genau 20 Jahren, im Juli 1996, unsere Buchhandlungen an sie verkauft haben. Als klar wurde, dass sich Advent International von Thalia trennen würde, haben wir dort nachgefragt, ob Gespräche denkbar und möglich wären. Der ganze Prozess ging lang, und jetzt haben wir ihn zu einem guten Abschluss gebracht. Ich freue mich sehr.

Es geht um eine Größenordnung von mehreren 100 Millionen Euro. Hat Sie während der Gespräche mit Advent und mit den Banken mal der Zweifel beschlichen, dass das eine Nummer zu groß sein könnte?
Zum Kaufpreis haben wir Stillschweigen vereinbart. Zweifel hatte ich keine, im Gegenteil. Wir haben mit einem Team von Profis unter Führung des zukünftigen Aufsichtsratsvorsitzenden Leif Göritz das Unternehmen im Detail analysiert. Die Zahlen bei Thalia sind eindeutig und die wirtschaftliche Situation ist gut.

War es schwierig, die Banken für Ihr Finanzierungskonzept zu gewinnen? Es musste ja einiges finanziert werden …
Voraussetzung war für mich, dass die Hausbanken von Thalia die Finanzierung übernehmen und den Deal begleiten. Sie kennen das Geschäft seit Jahren von innen und wissen, wie ein solcher Deal aussehen muss, dass er für alle Seiten wirtschaftlich funktionieren wird.

Ist der Anteil Herders an der Holding so hoch, dass die Herder-Eigentümerfamilie nun insgesamt über mehr als die Hälfte der Anteile verfügt?
Der entscheidende Teil für uns ist, dass wir im Einklang mit den anderen Gesellschaftern die Mehrheit an der gemeinsamen Holding halten, und die gemeinsame Holding an Thalia die Mehrheit hält. Das war der Wunsch aller vier Gesellschafter.

Wie groß ist denn die Eigentümerfamilie?
Das ist die Familie meines Vaters Hermann Herder.

Dass Michael Busch nun auch Anteilseigner ist, steht sicher für das Bekenntnis zur Kontinuität im Unternehmen …
Michael Busch wird einen kräftigen Unternehmer-Anteil halten – also weit mehr als das, was man eine Management-Beteiligung nennt. Michael hat hier stark investiert. Das war mir sehr wichtig, denn von ihm und seinem Team wird abhängen, wie sich das Geschäft in den nächsten Jahren entwickelt.

Sie setzen also auf ihn.
Absolut.

Bei der Übernahme spielt die Smart Mobile Factory, seit 2014 in Ihrem Besitz, eine Schlüsselrolle. Soll Thalia der Vorreiter bei E-Commerce und Mobile Commerce werden?
Ihre Frage geht in die richtige Richtung, aber die Gesellschafter werden sich erst zur Frankfurter Buchmesse über die Strategie äußern, und so möchte ich der Geschäftsführung nicht vorgreifen.

Thalia soll zum „Synonym für Lesekultur im Digitalzeitalter“ werden, so die Ankündigung in der Pressemitteilung zur Übernahme. Was genau verstehen Sie darunter?
Lesen ist gut und Bücher sollen Freude machen. Überall da, wo ich Thalia-Filialen besucht habe, finde ich eine angenehme, eine herzliche, eine schöne Atmosphäre vor. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen machen einen exzellenten Eindruck und bieten freundlich guten Service. Ich habe da jedes Mal Lust aufs Lesen bekommen. Das macht mir große Freude und unseren Kunden bestimmt auch.

Sichern Sie sich für ihr Verlagsprogramm nun die besten Platzierungen in den Thalia-Läden?
Wichtig ist für uns jetzt, dass wir nach der Sommerpause das offene und partnerschaftliche Gespräch mit den neuen Kollegen von Thalia aufnehmen. Sie werden uns bestimmt viel beibringen. Darauf freue ich mich schon jetzt.

Wollen Sie den Thalia-Buchläden nun einen besonderen Herder-Akzent geben? Wird die Marke Herder auf Thalia ausstrahlen? 
Thalia ist Thalia, und Herder ist Herder, das sind zwei unterschiedliche Marken. Das bleiben sie auch. Ich bin von der Sortimentsstruktur sehr angetan, die Auswahl der Titel überzeugt mich und deshalb glaube ich nicht, dass es etwas zu ändern gibt.

Wie hoch war der Jahresumsatz der Herder Gruppe im vergangenen Jahr?
Die Branchenpresse taxiert uns immer so auf rund 30 Mio Euro Jahresumsatz.

Es gibt kleine Buchhändler, die mit Groll auf die Übernahmenachricht reagiert haben. Wie gehen Sie damit um?
Andere wiederum freuen sich, dass ein Verlagshaus, mit dem sie eine direkte und freundschaftliche Geschäftsbeziehung haben, anstelle eines amerikanischen Finanzfonds getreten ist. Thalia hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Gerade die Tolino-Allianz zeigt, dass Thalia gegenüber dem Buchhandel die Hand ausstreckt. Das finde ich schön und es ist mit einer der Gründe, die mich bewogen haben, hier einzusteigen. Viele Buchhändler wissen, dass der Verlag Herder einen sehr guten Handelsvertrieb hat, dass wir sie persönlich schätzen und sie persönlich besuchen.