Inge Kutters Lieblingsbuchhandlung

Jazz und Cheesecake

4. August 2016
von Börsenblatt
Inge Kutter über die Buchhandlung Berkelouw Books in Sydney.

Nach sieben Wochen Asien war ich reisemüde. Überall Sojasauce, Reis und Fisch, Pfahlhäuser und Stahl­beton. In Mumbai hatte mich das ständige Hupen der Taxen nahezu taub gemacht, in Saigon war ich fast an den Abgasen der Millionen Motorroller erstickt.
Im Rucksack trug ich den Kindle bei mir. Er war vielleicht nicht zum Freund geworden, aber zu einem Reisegenossen, handlich, leicht, mit praktischem Nachtlicht. Ich hatte Stieg Larsson darauf gepackt, ohne dessen Gewicht zu spüren, und mir Landeskunde auf Knopfdruck gezogen, wann immer ich das Bedürfnis hatte. Ich hatte Wolfgang Herrndorf geladen, aber ich mochte ihn dort nicht lesen. Ich hatte Sehnsucht nach der Alten Welt. Und damit kam ich zu Berkelouw Books.
Die Buchhandlung liegt mitten in Sydney, im hippen Viertel Paddington, und schon die Eingangshalle strahlte dieselbe Luftigkeit aus wie die ganze Stadt. Die hohen Wände unverputzt, auf dem Boden ein alter Perser. Und zwischen den Auslagen soviel Platz, dass man nicht sofort erdrückt wird. Ich fühlte mich freundlich hereingebeten wie in die Wohnung eines guten Bekannten. Aber als ich die Treppe erklomm, die auf die zweite Ebene führt, entfuhr mir ein Seufzer: Ich war zu Hause.

Aus den Fenstern fiel das Licht zwischen die langen Holzregale, alte Sessel aus Plüsch und Leder gruppierten sich um kleine Tische. Sie standen auf dunkel geölten Dielen, die Wohnzimmeratmosphäre wurde durch die Betonwände wieder angenehm modern gebrochen.
Und natürlich Bücher. Bücher! Nicht mehr Neuerscheinungen wie unten, sondern alte, kaputtgeliebte, die sich Rücken an Rücken drängten. Ich setzte mich zwischen sie an einen Tisch und genoss erstmal nur ihre Anwesenheit.
Mein Blick blieb an den Fotos hängen, die die Geschichte des Hauses erzählen: Sie begann tatsächlich in Europa, 1812 in Rotterdam. Solomon Berkelouw vertrieb dort theologische Schriften, sein Sohn etablierte den ersten Laden. Dessen Söhne wiederum bauten ein großes Antiquariat auf, bis ihr Lager im Zweiten Weltkrieg von den Bomben dem Erdboden gleichgemacht wurde. Damit so etwas nicht noch einmal passierte, entschlossen sich die Nachfolger dann, nach Australien auszuwandern, wo sie erneut eine umfangreiche Sammlung alter Bücher zusammentrugen. Den Laden in Paddington hat 1994 die sechste Generation aufgebaut. Paul, Robert und David Berkelouw wollten einen Ort für Leser schaffen. Inzwischen – das fand ich erst später heraus – gibt es insgesamt zehn Ableger. Das tut ihrem Charme aber keinen Abbruch, denn jeder hat seine Eigenheiten.
Berkelouw Books ist ein Ort zum Bleiben. Nachmittage kann man hier verbringen. Zwischendurch kann man sich einen Tee oder Kaffee an der Theke holen und dazu einen Brownie essen oder auch ein dickes Stück Cheesecake. Wenn man sich festgelesen hat, wird man vielleicht davon überrascht, dass abends eine Jazzband spielt, und dann kann man seine Tasse gegen ein Glas Rotwein tauschen.
Und natürlich kann man auch Bücher kaufen. Das habe ich allerdings nicht getan – in meinem Gepäck war kein Platz für sie. Ich verließ den Laden mit einer ziemlich langen Liste von Romanen, die ich mir nach und nach bestellte, als ich wieder zu Hause war. Sie auf mein Lesegerät zu laden, habe ich erst gar nicht versucht.

Inge Kutter
wurde 1980 geboren und lebt in Hamburg. Sie war Redakteurin bei der "Zeit" und ist inzwischen Chefredakteurin der Kinderzeitschrift "Zeit Leo". Ihr Debütroman "Hippiesommer" ist im Frühjahr bei Arche erschienen, ihr zweiter Roman ist bereits in Arbeit

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