Interview mit Jurymitglied Hans Frieden zum Deutschen Buchhandlungspreis

"Buchhandel in Deutschland ist großartig heterogen"

28. Juli 2016
von Börsenblatt
Die 118 Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises 2016 stehen. Hans Frieden, Verlagsvertreter und Jurymitglied der ersten Stunde, über die Juryarbeit, die Qualen der Auswahl, und das verbindende Element zwischen den ausgezeichneten Buchhandlungen.

Aus 500 Bewerbungen 118 Sieger auswählen - waren Sie froh, als die Entscheidung endlich getroffen war?
Die Qual der Wahl war sicher die gleiche wie im vergangenen Jahr. Wenn ich allein hätte entscheiden müssen, hätte ich wahrscheinlich schlaflose Nächte verbracht - es gab deutlich mehr Buchhandlungen, die preiswürdig gewesen wären, wir als Jury hätten auch gut und gerne 300 Buchhandlungen auswählen können.  

Zum ersten Mal werden 2016 auch inhabergeführte Buchhandlungen ausgezeichnet, die mehr als eine Million Euro pro Jahr umsetzen - es gab 27 Bewerber. Hatten Sie mit mehr gerechnet?
Im Vorfeld habe ich darüber gar nicht groß nachgedacht. Langfristig kann ich mir gut vorstellen, dass noch ein paar mehr mitmachen, um das Gütesiegel zu bekommen. Der Preis wäre ihnen auf jeden Fall zu gönnen.

Gab es auch jemand, den Sie unter den Bewerbern vermisst haben?
Ja, aber ich möchte da keine konkreten Namen nennen.

Wie lief die Jury-Arbeit diesmal ab?
Rein technisch gesehen, verlief der Auswahlprozess diesmal einfacher, da sich die Buchhandlungen ja elektronisch anmelden mussten und wir diesen Fragebogen dann auch elektronisch einsehen konnten - im ersten Jahr war noch bergeweise Material per Post verschickt worden. Im Juli gab es schließlich noch zwei gemeinsame Sitzungstag, bei dem wir die von den Buchhandlungen zusätzlich eingereichten Dossiers prüften. Wir haben stundenlang in stillem Studium die Ordner gewälzt, uns später auch zusammen ganz konkret Einzelheiten angeschaut. Insgesamt, schätze ich, habe ich etwa fünf Tage Arbeit reingesteckt. 

Welche Kriterien waren für Sie dabei maßgeblich?
Die, die in den Ausschreibungsunterlagen genannt werden. Allerdings muss man dabei auch sehen, dass Buchhandlungen sehr verschieden sind.

Inwiefern?
Buchhandel in Deutschland ist großartig - aber auch großartig heterogen. Buchhandlungen in ihren Aktivitäten miteinander zu vergleichen, das ist fast nicht möglich. Nehmen Sie nur mal den Faktor Lesungen: Wenn eine Buchhandlung in einer Kleinstadt eine Lesung veranstaltet, bedeutet das etwas anderes als für eine Buchhandlung in einer Großstadt - hier geht es möglicherweise um das einzige kulturelle Ereignis vor Ort, dort bewegt man sich in einer starken Konkurrenzsituation. Solche Unterschiede richtig zu gewichten, braucht Zeit und eine Jury, die aus verschiedenen Perspektiven schauen kann. Das ist glücklicherweise der Fall.

Hat es eine Rolle gespielt, ob sich jemand zum zweiten Mal beworben hat?
Nein, das hatte auf unsere Entscheidung aus meiner Sicht keinen Einfluss.

Und der Standort?
Der Preis berücksichtigt nicht nur die Top-Belletristen in den Großstädten, sondern fördert auch Buchhandlungen in der Provinz. Das hat man ja schon beim ersten Durchgang gesehen. Allerdings, und das ist wirklich wichtig, wenn man jetzt wieder auf die Liste der Nominierten schaut: Als Jury interessierte uns der Standort eher aus strukturellen Gründen - wir haben für unsere Entscheidung nicht nach Bundesländern, Städten oder Gemeinden sortiert. Der Ort als solcher war und ist kein Kriterium.

Im vergangenen Jahr gab es manche Kritik an der Wahl der Jury. Wird sich das wiederholen?
Ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung der Jury, weiß andererseits natürlich auch, dass den Preis noch mehr verdient hätten. Und was die Kritik angeht: Innerhalb der Branche gab es letztes Mal beides, große Freude und Ärger, zum Teil eventuell auch Neid. Das ist doch klar.

Wurden Sie persönlich darauf angesprochen?
Als Verlagsvertreter rede ich jeden Tag mit Buchhändlern und werde auch immer wieder auf den Preis angesprochen. Ich habe auch Buchhändler angetroffen, die keinen Preis bekommen haben, aber aus meiner Sicht durchaus einen verdient hätten. Doch es handelt sich hier um eine Juryentscheidung auf Basis einer Vielzahl von Kriterien. Keiner macht sich das leicht, wirklich nicht - es lassen sich nicht alle Erwartungen erfüllen.

Bei allen Unterschieden zwischen den Buchhandlungen, die sich beworben hatten: Haben Sie auch so etwas wie ein verbindendes Element gefunden?
Also, wenn ich ganz pathetisch sein will, dann ist das natürlich die Liebe zum Buch. Überhaupt: Was Buchhandlungen alles leisten, in dieser Fülle - das ist einfach großartig! Das war schon beim letzten Mal so, Iris Radisch hat das ja auch bei der Preisverleihung gesagt. Diesmal war ich natürlich nicht mehr ganz so überrascht, dennoch: Es ist zum Teil sehr rührend, wie sich da und dort sogar Kundinnen und Kunden für ihre Buchhandlung einsetzen. Einige Bewerber schickten zum Beispiel noch Stellungnahmen mit Referenzen sozusagen - verfasst von ihren Kunden, deren Kindern oder auch mal vom Bürgermeister. Das war wirklich eine sehr positive Erfahrung.

Was hat der Preis bislang bewegt?
Das ist je nach Stadt oder Region anders, je nachdem, wie groß lokale Medien mit eingestiegen sind. Ich habe da ganz unterschiedliche Geschichten gehört - manche Buchhandlungen konnten sich vor Gratulationen kaum retten, andere erzählten mir, dass sie neue Kunden erreichten, neugierig gemacht durch den Preis und die Berichte darüber in der Zeitung.

Wie begegnen Sie der Schlagzeile "Beste Buchhandlung"?
Mit Vorsicht, weil der Superlativ so nicht ganz stimmt. Wir in der Jury haben immer vermieden, die ausgewählten Buchhandlungen so zu bezeichnen. Denn "beste" - dazu gehören im Grunde fast alle, die sich beworben haben, nicht nur die, die eine Nominierung erhalten. Das sollte man immer bedenken.

Als nächstes steht die Preisverleihung an.
Ja, und das wird sicher wieder so eine schöne Veranstaltung wie beim letzten Mal. Ich freue mich darauf!

Deutscher Buchhandlungspreis 2016: Die Nominierungen