Thalia auf Wachstumskurs

Beacons, Whatsapp und Autoren

18. Oktober 2016
von Börsenblatt
Filialist Thalia meldet drei Prozent Wachstum über alle Kanäle hinweg, will aber weiter an der Wertschöpfungskette vom Autor bis zum Kunden feilen – auch im fachlichen Austausch mit Verlagen, wie Geschäftsührer Michael Busch deutlich macht.

Steigende Umsätze 

Zwei Prozent Wachstum stationär auf vergleichbarer Fläche in Deutschland: Mit diesem Ergebnis des Geschäftsjahrs 2015 / 2016 zeigt sich Michael Busch, der geschäftsführende Gesellschafter der Thalia Bücher GmbH, »sehr zufrieden«. Länderübergreifend hat der Hagener Buchhändler Busch zufolge immerhin noch ein Prozent im Stationsbuchhandel zugelegt. Mit weiteren Steigerungen um elf Prozent im ­E-Commerce und satten 15 Prozent im E-Reading-Markt ergibt sich für Thalia zu Ende September ein vergleichbares Wachstum über alle Kanäle von drei Prozent.

Buschs Agenda

Damit liegt der jetzt wieder in Familienhand befindliche Großfilialist auf allen Ebenen über dem Branchendurchschnitt. In einem »bewegten Marktumfeld«, so Busch, in dem auch für Europa damit zu rechnen sei, dass Amazon sein Geschäft ­irgendwann zusätzlich stationär betreiben werde, sei man für anstehende Aufgaben gut aufgestellt. Drei Handlungsfelder nannte der Thalia-Chef Anfang der Woche vor der Presse, auf die sich das Unternehmen in nächster Zeit konzentrieren wolle:

  • Vorantreiben des Omni-Channel-Handels und saubere Verknüpfung der Kanäle,
  • zunehmend individuelle, auch lokal geprägte Ansprache des Kunden,
  • ständige Pflege und Überprüfung des Sortiments.

Wachsendes Fililalnetz

Angekündigt wurde zudem ein weiterer »selektiver Ausbau des Ladennetzes, aber nicht Flächenwachstum um jeden Preis«. Aktuell betreibt Thalia über 280 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bei der Zielgröße von 400 bis 600 Quadratmetern solle es bleiben, aber auch kleinere Flächen sind in letzter Zeit hinzugekommen. „Uns ist es gelungen, Standorte zu finden, mit denen wir insbesondere ländliche Regionen mit großem Einzugsgebiet erschließen konnten – nicht nur durch die Eröffnung neuer Flächen, sondern auch durch den Erwerb eigentümergeführter Buchhandlungen“, so Busch.

Insgesamt steht Thalia mit einem Größenspektrum seiner Läden zwischen knapp 100 und 3.500 (Linz!) Quadratmetern nach Buschs Einschätzung vor »der anspruchsvollen Aufgabe, das Sortiment zu steuern und das Unternehmen zu führen«. Denn je größer eine Buchhandlung dimensioniert sei, desto mehr gebe es Sortimentsbereiche, etwa die Backlist, die »zentral nicht sinnvoll zu steuern« seien.

Neuer Whatsapp-Service

Entgegen einer jüngst durch die Bitkom veröffentlichten Studie, wonach Kaufempfehlungen von Buchhändlern an Bedeutung angeblich eingebüßt haben, setzt Thalia gerade auf die persönliche, buchhändlerische Kompetenz seiner Mitarbeiter. Denn damit steige pro Kunde die Wahrscheinlichkeit eines Kaufs, die Artikelmenge pro Bon und auch der durchschnittliche Preis, erläuterte Busch.

Die Hagener verknüpfen ihre Überzeugung mit den erweiterten digitalen Möglichkeiten. Aktuelles Beispiel: die Kampagne Thalia Whats Next. Indem sie eines ihrer Lieblingsbücher nennen, können sich Leser hier per Whatsapp von Thalia-Buchhändlern persönliche Fern-Empfehlungen für weitere Lektüren abholen. Der Service basiert auf einer Datenbank, in der Buchhändler seit dem Frühjahr 2015 Bücher besprechen, bewerten und nach inhaltlicher Ähnlichkeit miteinander verknüpfen – ein Mensch-Maschine-Hybrid-Algorithmus gewissermaßen.

Thalia wird Shopkick-Partner

Als neuer Shopkick-Partner führt Thalia rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft ein weiteres Angebot ein: Bereits beim Übertreten der Ladenschwelle kann der Kunde digitale ‚Kicks’ sammeln und diese anschließend gegen Geschenkgutscheine eintauschen. Ab 18. November werden alle Buchhandlungen deutschlandweit hierfür mit der erforderlichen Beacon-Technologie ausgestattet sein. Michael Busch sieht in der Partnerschaft große Vorteile: »Die Shopkick-App verbindet den Einkauf im stationären Handel mit spielerischer, digitaler Interaktivität. Ein Angebot, mit dem wir digitalaffinen Kunden einen Anreiz zum Besuch im stationären Handel bieten und das Einkaufserlebnis vor Ort noch attraktiver machen können. Eine hervorragende Chance, neue Kundengruppen zu erschließen.«

Die Onlinewelt ins Ladengeschäft bringen

Außerdem testet Thalia neue digitale Services für Kunden: erstes Beispiel sind Digital Signage Screens, mit denen der Kunde in aktuell vier Buchhandlungen direkt am Bücherregal alle Kunden- und Buchhändlerrezensionen zu einem Titel lesen und auf das erweiterte Sortiment im Online-Shop zugreifen kann. Entlang der Kundenfeedbacks aus den ersten Testfilialen soll das Angebot weiterentwickelt werden. Neu ist u.a. die Möglichkeit, in einer Buchhandlung vorrätige Bücher via Online-Shop zur Abholung zu reservieren. Hierfür gibt der Kunde im Online-Shop oder der App eine Reservierung auf und bekommt kurz darauf eine Bestätigung des Filialteams, dass das Buch zur Abholung bereit liegt.

Verlage und Buchhandel näher zusammenbringen

Zu einem strategischen Thema von wachsender Bedeutung erklären die Hagener außerdem die »kontinuierliche Verbesserung der Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Autor bis zum Kunden«. Mit der Verlegerfamilie Herder im Eigentümerkonsortium sieht Busch nun die Zeit gekommen »für mehr fachlichen Austausch mit den Verlagen«. Die Frage müsse lauten: »Wie können wir gemeinsam mit den Verlagen neue, junge Autoren aufbauen und zum Erfolg bringen?« Manuel Herder sei, um dieses Thema unternehmensübergreifend für die gesamte Branche voranzubringen, ein idealer Partner: »Denn in der Tradition seines Hauses wurde immer beides betrieben – Buchhandel und Verlag.« Damit schickt sich Thalia – nach der Tolino-Initiative – zum zweiten Mal an, über Belange des eigenen Unternehmens hinaus strategische Überlegungen anzustellen, die für die gesamte Branche relevant werden könnten.