Aufregende neue Backbücher

In bester Backform

3. November 2016
von Börsenblatt
Süßmäuler aller Länder: Stellt die Sahne auf den Tisch und schlemmt. Denn der Kaffeeklatsch ist zurück. Die Verlage sorgen mit vielen neuen Büchern dafür, dass Kuchen, Tartes und Torten köstlich schmecken – und klasse aussehen.

Natürlich war früher nicht alles besser. Aber eines hat man in den letzten Jahren wirklich schmerzlich vermisst: den Kaffeeklatsch. Ein Essen ohne Pflichtbewusstsein, das gar nichts muss – weder entschlacken noch das Immun­system stärken oder ewige Jugend verheißen. Das keine weitere Aufgabe zu erfüllen hat als die Lust, sich einmal gemeinsam mit anderen ein kleines Extra zu ­gönnen, hübsch, süß und lecker zu sein.

Ein Glück, für das es derzeit eine ganze Flut von Anleitungen gibt, Backbücher-Neuerscheinungen, die zeigen, dass man Traditionen gleichzeitig bewahren und ganz neu interpretieren kann. So wie es der 29-jährigen Melanie Allhoff in ihrem Buch "Backliebe. 50 süße Rezepte für jede Jahreszeit" gelingt (Edition Michael Fischer, 152 S., 19,99 Euro). Sie wandelt Klassiker wie die Schwarzwälder Kirschtorte modern – etwa als Waffeltorte – ab und senkt mit sehr gut nachvollziehbaren Rezepten die Hürden auch für die Backlaien. Weil das Auge nicht nur bei den opulent aufgeputzten Backwaren mit­essen soll, bietet sie außerdem auch Deko­ideen an.

Vergleichsweise reduziert ist dagegen das Buch von Karl Lagerfelds persönlicher Sprecherin Caroline Lebar. Ihr Buch "Jeden Sonntag eine gute Tarte" (Umschau, 88 S.) ist nichts Geringeres als Couture für den Kaffeetisch. Von leichtfüßiger Eleganz und auf das Wesentliche konzentriert: Fotos, die das Tarte-Rund – gefüllt mit Erdbeeren, Äpfel, Feigen oder Brombeeren – zeigen. "Uns hat die grafische Gestaltung fasziniert und auch die Geschichte, die dahintersteckt", so Angela Thomaschik, Umschau-Verlagsleiterin. Dass der Titel ein einziges Ausschlussverfahren ist – bloß Tartes, bloß Sonntag, sagt sie, sei ja gerade das Besondere daran. "Die Art, sich in dieser Ruhe und Intensität auf ein Thema zu fokussieren, das in allen möglichen Varianten bespielt wird, das fanden wir sehr interessant." Und dass hier jemand aus der diätbesessenen Modewelt kommt, bei dem noch "richtig" gebacken wird, nämlich mit den üblichen, dem Diät-­Planeten abgewandten Zutaten. Ungewöhnlich ist auch der "schicke Preis" von 20 Euro. Angela Thomaschick: "Wir bekommen aus dem Handel gerade den Hinweis, dass runde Preise besser ankommen."

Mit 30 Euro ist auch der Preis des Backbuchs "Naked Cakes" von Lyndel Miller (Edition Fackel­träger, 272 S.) hübsch rund, um nicht zu sagen: moppelig. "Natürlich schöne Torten" – dieses Etikett bedeutet, dass auf Zuckerguss und andere Glasuren verzichtet wird. Aber nicht nur Fondant-Hasser kommen hier auf ihre Kosten, sondern auch Ästheten. Die Torten wirken wie atemberaubende Gemälde der Romantik.
Was aussieht, als würde man mindes­tens einen Konditorenmeisterbrief brauchen, wird in Kapiteln wie "Böden", "Füllungen", "Feinschliff" und "Inszenierung" Schritt für Schritt nachvollziehbar erläutert. Vor allem die Dekoration ist ganz großes Kino – gemacht etwa aus Balsa­mico-Kirschen, karamelisierten Feigen, Orangenfilets, Blüten, Girlanden.

Eindrucks­management für Fortgeschrittene bietet ebenso der Blogger Marian Moschen mit seinen "Winterlichen Mini-Motiv­torten" (Lingen, 143 S., 7,95 Euro). Das einzige Problem: Vermutlich wird man sich bei den Miteltern mit der Schneemanntorte oder den Nikolaus-Cookies zur Kindergartenweihnachts­feier gleich als totale Streber bis mindes­tens zur Oberstufe unbeliebt machen. Obwohl die Rezepte so sicher gelingen wie Malen nach Zahlen. Aber das sieht man dem Ergebnis eben nicht an.

Der Trend zum Backbuch ist also auch einer zum Lockermachen. Und er ist Teilmenge der Do-it-yourself-Bewegung. Torten sind ja nicht mehr nur Privatvergnügen, sondern auch ein Geschenk an Zeit und Kreativität. So wie die Kuchenkunstwerke von Sandra Schumann. Ihr Titel "Das große Motiv­tortenbuch" (Gräfe und Unzer, 168 S., 19,99 Eu­ro) bietet einen fundierten Grundlagenkurs mit Schritt-für-Schritt-Anleitungen – für den Einsatz von Marzipan, den Aufbau mehrstöckiger Torten, die Herstellung von Böden, Schokoladenguss und Füllungen. 
Dazu gibt es Tipps und Tricks vom Profi. Bemerkenswert: das Kapitel "Umwerfend neue Torten", das hält, was es verspricht. Hier kommen beispielsweise ­Airbrush-Farbe, Spitzen-Technik und ­Piping Gel zum Einsatz.

Dass die Kreativität schon bei der Themenfindung grenzenlos sein kann, beweist Tobias Müller mit "Bake & The City. Süße Grüße aus 60 Städten" (BLV, 144 S., 19,99 Euro). Der 37-jährige Backblogger garniert seine kulinarische Weltreise entlang an Baklava, Shortbread, Leipziger Lerchen und vielen anderen lokalen Berühmtheiten aus der Süßwarenabteilung jeweils mit passenden Storys, etwa über die von Marcel Proust befeuerte Weltkarriere der Madeleines aus Commercy. Das ist gut gemacht, schön bebildert und abwechslungsreich.

Das Buch "Mix + Match Cakes" von Caroline Wright (Frech, 192 S., 16,99 Eu­ro) ist eine weitere Möglichkeit, sich das süße Leben leichter zu machen. Die Idee: eine Art Kuchenbaukasten. Aus der Anleitung für elf Teige, 25 Füllungen und neun Cremes lassen sich 100 verschiede­ne "kreative Kuchen" machen.
Beim Durchblättern versteht man sofort, weshalb Mirjam Buchwald, Projektleitung Backen beim Frech Verlag, sagt, "wir waren gleich verliebt in die Optik und die neue Idee, sich anhand eines Fotos für einen Kuchen zu entscheiden, den man nachbacken möchte". Ganz im Sinne der Verlagsphilosophie: "Unser Spezial­gebiet sind Backbücher mit einer besonders tollen Story, die dahintersteckt, kreativen Verpackungsideen oder einem überraschenden neuen Dreh", meint Buchwald.
Und wo bitte findet man so was? "Wir scannen den Markt, auch international und schauen, was gerade in den sozialen Medien hoch gehandelt wird. Kurz: Wir halten die Augen offen, auch bei den ­Lizenzverlagen."

Ein heimisches Produkt darf aber auch nicht fehlen. Zumal Enie van de Mei­klokjes gerade für die jüngere Generation so etwas wie die Gallionsfigur des Backtrends ist. Für Leute also, die Aufwand und Wirkung in einer harmonischen Beziehung sehen wollen. Entsprechend ist auch in ihrem neuen Buch "Sweet & Easy. Enie backt: Meine ­neuen Back­rezepte" (Tre Torri, 160 S., 19,90 Euro) daran gedacht, dass man keinesfalls seine ganze Freizeit am Backblech verbringen will. Trotzdem sind die Rezepte wunderbar anregend und vielseitig, darunter Schoko-Käsekuchen, ­Lemon Curd Tart, Energiebällchen, veganer Käsekuchen und Rote-Beete-Tarte mit Feta.

Wer ein Backbuch fürs Leben sucht – dem sei "Die GU-Backbibel" von Marline Ernzer und Karin Kerber empfohlen (400 S., 30 Eu­ro), ein Gesamtkunstwerk mit Goldschnitt und dreifachem Lesebändchen. Sozusagen das Kleine Schwarze der Backkunst, das in jede Küche gehört, ­sortiert nach Genres wie "saftige Obst­kuchen" oder "Feingebäck", mit Küchenpraxis angereichert, wie dem Einmaleins der Kruste. Ein Rezept für glutenfreies Brot fehlt ebensowenig wie eine eigene Rubrik für Pies und Flammkuchen.

Ebenfalls sehr zu empfehlen: Beate Wöllsteins "Die große Backschule. Kuchen, Gebäck und Desserts" (Christian Verlag, 320 S.). Zum stolzen, aber gerechtfertigten Preis von 39,99 Euro wird einem nicht nur das legendäre Rezept für den Pumpkin Pie geboten, den die "­Promi-Dessertqueen" einst für Glenn Close und deren Tochter Annie Maude Starke gebacken hat. Sie bringt dem Backschüler detailliert und mit Step-by-step-Bildern alle wichtigen Grundrezepte für Teige, Cremes, Meringue, Saucen, Karamell und Schokolade nahe, sodass man sein Repertoire noch rechtzeitig zum Weihnachtsmenü erweitern kann – etwa um Frankfurter Kränzchen, Prinzregentinnentorte oder Chili-Schoko-Shots. ­Außerdem verrät die Autorin Zaubertricks rund ums Backen, die einem Arbeit ersparen und vor allem: Frustration.

Diese eher technischen Aspekte nimmt die Stiftung Warentest gleich in einem ganzen Buch unter die Lupe: Der dritte Band der Reihe "Perfektion. Die Wissenschaft des guten Kochens" widmet sich ganz schlicht dem "Backen" (240 S., 29,90 Eu­ro). Leser erfahren, weshalb Brotteig ruhen muss, wie Zucker die Textur verändert, warum Wodka den Teig mürbe macht – und dass das Leben durchaus ein Zuckerschlecken sein kann. Wenigs­tens sonntags, mit einem selbst gebackenen Stück Kuchen auf dem Teller. Und noch eine gute Nachricht: Das Backen geht weiter. Denn der nächste große Trend, darin sind sich die Verlage einig, ist selbst gemachtes Brot.