Interview zur EU-Datenschutz-Grundverordnung

Ein Meilenstein

1. Dezember 2016
von Börsenblatt
Der Schutz persönlicher Daten wird ab 2018 europaweit geregelt – durch eine neue EU-Grundverordnung. Europaparlamentarier und Fachautor Jan Philipp Albrecht über die Ziele des Vorhabens.

Sie waren Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments bei der Datenschutz-Grundverordnung. Handelt es sich dabei um unmittelbar anwendbares Unionsrecht?
Mit einer EU-Verordnung wie dieser wird unmittelbar geregelt, was Recht und Gesetz ist, der nationale Gesetz­geber muss da nichts mehr umsetzen. Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gilt eine Übergangszeit bis Mai 2018. Von da an geht die Verordnung jeder nationalen Regelung vor. Damit haben wir es mit einer der ersten EU-Verordnungen zu tun, die einen grundrechtsrelevanten Bereich direkt regeln. Das stellt eine neue Dimension von gemeinschaftlicher Regulierung innerhalb der EU dar.

Ist das bisherige Bundesdatenschutzgesetz künftig nur noch insoweit gültig, als es nicht gegen die EU-­Verordnung verstößt?
Wenn es gleiche oder ähnliche Dinge regelt wie die EU-Vorschrift, dann wird es nicht mehr anwendbar sein. Es gibt aber Bereiche, die unabhängig von der Verordnung den Mitgliedsstaaten überlassen bleiben. Die entsprechenden Regelungen muss der nationale Gesetzgeber aber an die Verordnung anpassen.

Was geschieht mit den anderen Gesetzen, die Datenschutzrecht regeln?
Die neue Grundverordnung gilt für alle Bereiche, die die Verarbeitung persönlicher Daten betreffen. Für die Arbeit von Polizei und Justiz gibt es eine EU-Richtlinie, die nach wie vor in den Mitgliedsstaaten durch nationale Polizeigesetze oder Strafprozess­ordnungen umgesetzt wird. Für den Bereich der Telekommunikationsdaten gilt eine andere Richtlinie weiter, die aber im Lichte der neuen Grundverordnung reformiert und angeglichen werden soll. Dazu soll in den kommenden Monaten ein entsprechender Vorschlag der EU-Kommission unterbreitet ­werden.

Grundlage des Schutzes persönlicher Daten, der informationellen Selbstbestimmung, ist auf EU-Ebene ja die Grundrechte-Charta ...
Ja, die informationelle Selbstbestimmung, wie sie das Bundesverfassungsgericht Anfang der 80er Jahre ent­wickelt hat, hat sich nicht nur in der Rechtsprechung zum Grundgesetz, sondern auch in der Rechtsprechung zur Europäischen Menschenrechts­konvention niedergeschlagen. Spätes­tens seit dem Vertrag von Lissabon 2009 haben wir im EU-Vertrag und in der Grundrechte-Charta eine explizite Benennung des Grundrechts auf Datenschutz (in Artikel 16). Darunter fallen beispielsweise das Recht auf Auskunft und auf "Vergessen-Werden".

Ist die Datenschutzreform auch ein Baustein in der Agenda für den digitalen Binnenmarkt?
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte ja schon bei seinem Amtsantritt den digitalen Binnenmarkt der EU zu einer der Top-Prioritäten ausgerufen. Ein Meilenstein darin war die Datenschutz-Grundverordnung.

Wird sich für große Internetkonzerne und Onlinehändler etwas grund­legend verändern?
Das Wichtigste ist, dass wir Waffengleichheit auf dem Markt schaffen. Große Internetkonzerne, die meist aus den USA auf den europäischen Markt kommen und hier mit Daten arbeiten, werden künftig deutlich schärfer ins Blickfeld der Datenschutzbehörden geraten. Gleichwohl wird es auch künftig möglich sein – etwa beim Direktmarketing – auch Daten ohne vorherige Einwilligung zu verwenden.

Jan Philipp Albrecht, Florian Jotzo: "Das neue Datenschutzrecht der EU"  /  Nomos  /  339 S.  /  48 €