Interview mit Hubert Kjellberg, Brockhaus NE

"Das Ergebnis unserer Arbeit ist kein Buch mehr"

6. Dezember 2016
von Börsenblatt
Brockhaus, seit Oktober 2015 eine Marke des Verlags der Schwedischen Nationalenzyklopädie (NE), kommt mit reinen Online-Lehrwerken auf den Bildungsmedienmarkt. Geschäftsführer Hubert Kjellberg über das Konzept und die Vertriebsaussichten. Mehr zum Thema digitale Bildungsmedien im aktuellen Börsenblatt (Heft 49/2016).

Brockhaus NE hat die erste Serie von Online-Lehrwerken gestartet – für die Grundschule und das Gymnasium. Handelt es sich um rein digitale Werke, oder gibt es auch eine gedruckte Komponente?
Sie sind vollständig digital.

Wie sind diese Online-Bücher konzipiert, wie sehen sie aus?

Im Unterschied zu den anderen Verlagen sind wir nicht von einem Buch ausgegangen. Wir haben uns stattdessen gefragt, wie eine sinnvolle Unterrichts- und Nutzungsumgebung für Lehrer und Schüler aussehen könnte, und erst danach die Inhalte dafür entwickelt. Andere Verleger nutzen das Internet als eine Publikationsplattform, wir hingegen nutzen es eher als Plattform für die Kreation von Inhalten, für das Teilen und für Interaktion. Davon sind wir überzeugt.

Wenn Schüler ihre Online-Lehrwerke nutzen, machen sie also nicht mehr die Erfahrung eines herkömmlichen Schulbuchs …
Nein, das Ergebnis unserer Arbeit ist kein Buch mehr. Die Brockhaus-Unterrichtsmedien haben eine Web-Optik, andere Features als ein Buch, interaktive Elemente und Module für Wissenstests. Außerdem bieten sie zahlreiche weitere Materialien und sind mit zusätzlichen Quellen verlinkt wie etwa der Brockhaus Enzyklopädie online oder den Wörterbüchern. Ein wichtiger Unterschied ist, dass wir nicht einer linearen Struktur wie in einem traditionellen Buch folgen müssen – zum Beispiel von Kapitel 1 bis 10. Hier kann man die Unterrichts-Bausteine individuell zusammenstellen und mischen, je nach Lernstatus der Schüler. Für jeden Schüler lässt sich ein personalisiertes Unterrichtspaket schnüren.

Die Lehrer können also eine Auswahl aus dem Material treffen und festlegen, in welchen Schritten die Schüler lernen. Und sie haben die Möglichkeit, auch bestimmte Einheiten zu überspringen.
Das Online-Lehrwerk lässt sich flexibel handhaben und eignet sich daher auch gut für die Binnendifferenzierung innerhalb der Lerneinheit.

Woher kommen die Inhalte für die Online-Lehrwerke? Sind sie komplett neu entwickelt?
Ja, sie sind vollständig neu.

Es gibt also ein Entwicklerteam und eine Redaktion …
Es sind zwölf Redakteure und eine Reihe freier Mitarbeiter, die an den Inhalten aller unserer Produkte sitzen. Im Gegensatz zu gedruckten Büchern sind unsere Produkte aber nie fertig, sondern werden kontinuierlich auf den neuesten Stand gebracht. So können wir kurzfristig auch auf tagesaktuelle Themen reagieren.

In den nächsten fünf Jahren sollen alle Schulen mit IT- und Breitbandinfrastruktur ausgestattet werden. Bis Sie also Produkte in nennenswerter Zahl an Schulen verkaufen können, ist es noch ein weiter Weg. Welche Kunden erreichen sie heute?
Wir beliefern bisher vor allem Kunden im Bibliotheksbereich. Mit den auf der Buchmesse gelaunchten Online-Lehrwerken hoffen wir die rund 1.000 Schulen in Deutschland anzusprechen, von denen wir wissen, dass sie digitale Medien im Unterricht nutzen. Für den Erfolg ist entscheidend, ob den Schulen ausreichend schnelle Internetverbindungen zur Verfügung stehen. Wenn es einmal begonnen hat, geht es meist sehr rasch, wie wir in Schweden gesehen haben.

Statt einzelne Bücher zu verkaufen, werden Sie jetzt Schulen Kurs-Lizenzen anbieten. Wie teuer ist beispielsweise ein Online-Kurs für Deutsch?
Pro Schüler und Schuljahr fällt jährlich eine Gebühr von sechs Euro an, das ist deutlich günstiger als ein Schulbuch.