Jahresbilanz 12: Nina George

"Man redet mit uns, nicht mehr nur über uns"

13. Dezember 2016
von Börsenblatt
Bis zum 31. Dezember kommt auf boersenblatt.net jeden Tag eine Branchenpersönlichkeit zu Wort. Unsere kleine Jahresbilanz, verbunden mit einem Ausblick auf 2017. Heute: die Schriftstellerin Nina George über Autorenrechte und Gerechtigkeitsempfinden, Stolz und Tango Argentino. 

Wie viele Kilometer sind Sie in Sachen Autorenvertretung (Vorträge, Konferenzen) in diesem Jahr gereist? Hat sich das gelohnt?Rund 20.000 Kilometer, per Luft, Bahn zu Fuß oder Auto, meist auf eigene Kappe. Es lohnt sich immer, selbst wenn man große Durchbrüche nicht mit einer einzigen Rede erreicht oder sich mit Diskutanten einlässt, die an der Stelle, wo andere ihr Gerechtigkeitsempfinden sitzen haben, Egozentrik walten lassen. Im Vergleich zu vor fünf Jahren werden Autorinnen und Autoren nun gehört. Man redet mit uns, nicht mehr nur über uns. Und wir reden miteinander, über Geld, Verträge, Lösungen. Engagement ist ansteckend.

Wir alle arbeiten immer mehr. Ihr Tipp für die perfekte Work-Life-Balance?Da fragen Sie mich?! Ich habe wirklich keine Ahnung. Meine Erziehung war eher preußisch-pflichtbewusst und die Arbeit das Zentrum des Seins. Es hilft, sich für das ins Zeug zu legen, wofür man brennt, und einen Beruf zu leben, der wie Atmen für die Seele ist, anstatt sie zu ersticken. Dann fällt die sechseinhalb-Tage-Woche leichter. Ansonsten empfehle ich Tango Argentino. Dabei haben Sie garantiert keine Zeit, sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren als auf Musik, Umarmung und Balance.

Was ist Ihnen in diesem Jahr misslungen?Ich habe nach fünf Jahren Abstinenz wieder angefangen zu rauchen, nach einer Rede bei den Schweizer Verlegern und Buchhändlern – es ging um "Keine Angst vor der Angst", ein Plädoyer gegen Flatrates und Programmverkleinerung. Mein Rückflug wurde storniert und ich verbrachte die Nacht Lost in Translation. Bonjour, Gauloises.

Und worüber haben Sie sich gefreut?Über die Gründung des "Netzwerk Autorenrechte" im Oktober. Über mein neues Klavier, ein Petrof. Und letztlich auch über den Erfolg des "Lavendelzimmers" alias "The Little Paris Bookshop" in den USA, das kommt gerade mit Verspätung bei mir an. Ich werde dabei glücklich, demütig und traurig zugleich. Mir fehlt mein Vater, er wäre so unendlich stolz auf all das, ich selbst vermag Stolz nicht zu empfinden, er ist mir fremd.

Bald gibt es Geschenke. Was wünschen Sie sich?Alte Landkarten, Karten von magischen oder vergessenen Welten.

Was wollen Sie 2017 regeln? Für welches Anliegen wollen Sie sich insbesondere einsetzen?Frauen in der Literatur. Ich nehme an einem Runden Tisch bei Monika Grütters teil und werde mich auf die Frage konzentrieren, warum Schriftstellerinnen so eklatant weniger Preise erhalten, selten in Jurys, Gremien oder auf Podien vertreten sind und auch deutlich magerer rezensiert werden. Das ist ja eigentlich albern, an der Qualität kann es nicht liegen.

Oh, und ich werde endlich wieder schreiben, einen neuen Roman. Und dafür eine Weile von der Bildfläche verschwinden und mich an einem Ort aufhalten, nach dem sich mein Herz schon seit 30 Jahren sehnt.


Bisher erschienen:

Daniel Beskos, Marisch Verlag Hans Frieden, Vertreter
Eckhard Südmersen, Libri
Angelika Siebrands, eBuch
Jan Weitendorf, W1-Verlagsgruppe
Jörg Sundermeier, Verbrecher Verlag
Gerdt Fehrle, Louisoder Verlag Jördis B. Schulz, Tolino Publishing
Olaf Kühl, Übersetzer Ulrike Helmer, Verlegerin Ina Hartwig, Kulturdezernentin Frankfurt