Jochen Jung über Buchgeschenke

Zum Glück keine Badehosen

20. Dezember 2016
von Börsenblatt
Das Weihnachtsgeschäft ist schon anspruchsvoll. Aber seien wir froh, dass es um Buchgeschenke geht, denn Bücher meinen es gut mit uns Menschen. So gut wie keine Ware sonst. Ein Hymnus von Jochen Jung.

"April is the cruellest month", meinte einst der Dichter T. S. Eliot am Beginn seines großen Gedichts "The ­Waste Land", dessen erste Strophe immerhin mit dem Satz schließt: "I read, much of the night, and go south in the winter." Das versöhnt; wo Bücher sind, ist es warm und sonnig. Jemand, der die meiste Zeit nachts mit Lesen verbringt, hat sofort meine Sympathie, nicht zuletzt, wenn ich an die vielen denke, die mir regelmäßig versichern, dass sie gar nicht einschlafen könnten, wenn sie nicht vorher ein paar Seiten gelesen haben.

Ich frage dann lieber erst gar nicht nach, welches schöne Buch jetzt wieder als Schlafmittel dienen durfte. Der frühere österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky lobte sich gern als der einzige, der den "Mann ohne Eigenschaften" ganz gelesen habe. Womöglich als lebenslange Schlafpille? Gut, dass man ihn nicht mehr fragen kann, und darüber will ich als junger Musil-Verleger auch lieber gar nicht nachdenken.

Mehr Lust hätte ich auf eine Umfrage zu dem Thema: Bei welchem Buch schlafen Sie am besten ein? Und haben Sie da Lieblingsstellen, die verlässlich funktionieren? Für Homöopathen könnte das eine hilfreiche Auskunft sein. Vielleicht aber auch für Buchhändlerinnen, für die vermutlich Dezember der grausamste Monat ist.

Auf ihm liegen spätestens seit Januar alle Hoffnungen. Zudem wissen wir: kein Umsatz ohne Einsatz. Das heißt, kein Monat ist arbeitsreicher als der Weihnachtsmonat, Gott und dem kleinen Jesulein sei Dank. Während andere sich am späten Freitagnachmittag den Kopf darüber zerbrechen, wie sie ihr Adventswochenende verbringen wollen und ob sie es wieder mit Glühwein, Keks und Koks (pardon, kommt nicht wieder vor) gestalten oder durch das Anfertigen von Wunschlisten und das Verteilen von Bescherungseinkäufen, und so das Fest gelassen auf sich zukommen lassen, sortiert die Buchhändlerin die Bestellungen und wirft, wenn sie tapfer ist, ­einen Blick auf die Umsätze.
Und die sind ja nie so, wie man sie sich wünscht, und doch so, dass es weitergeht, was ja eh das Beste ist, was man dem Leben nachsagen kann.

Seien wir froh, dass wir nicht mit Gartenwerkzeug oder ­Badehosen handeln. Weniges ist so dicht am Zentrum des Menschen wie das Buch. Womit ich nicht nur meine, dass es nichts zweites gibt, das wir stundenlang so dicht mit beiden Händen vor Herz und Augen halten (selbst Handys werden zwischendurch doch mal beiseitegelegt, wenn man älter als zwölf ist). Wir verkaufen etwas, das es (anders als Handys) grundlegend gut mit uns meint, das uns als Ganzes im Blick hat: Bücher erzählen und informieren immer wieder über ein Leben, das auch das unsere sein könnte, und sie tun es mit Klang und Klugheit, mit Schönheit. Und das anderen vermitteln zu können, die nicht nur Kunden sind, sondern Menschen voller Fragen, auf die wir mit unseren Büchern vielleicht Antworten parat haben – das ist doch was! Und preiswert sind sie obendrein, denn Bücher sind immer ihr Geld wert. (Jedenfalls fast immer.)