Sibylle Heyn über Existenzgründer im Buchhandel

Inspiration und Ansprache

31. Januar 2017
von Börsenblatt
Wer eine Buchhandlung eröffnet, muss einen Ort schaffen, an dem Wünsche zu Hause sind. Und die Kennzahlen trotzdem sorgfältig checken. Meint Sibylle Heyn, die für Libri Gründer und Käufer berät.

Was macht eine Buchhandlung heutzutage erfolgreich? Was sollten Neugründer oder Käufer von Buchhandlungen unbedingt berücksichtigen, wenn sie ihren Wunschtraum von der eigenen Buchhandlung verwirklichen? Diese Fragen treiben nicht nur die Teilnehmer unseres Workshops um, sondern auch uns, die Berater und Partner auf diesem Weg. Schließlich wollen wir alle, dass der stationäre Handel eine Perspektive hat.

Wenn ich mir die erfolgreichen Gründungen anschaue, dann ist es vor allem ein Punkt. der sie auszeichnet: Es ist gelungen, die Buchhandlung zu einem Ort zu machen, an dem Menschen Inspiration und Ansprache finden und sich deshalb dort wohlfühlen und immer wiederkommen. Dabei spielen Ästhetik und Atmosphäre eine immer größere Rolle. Niemand muss ja mehr in eine Buchhandlung gehen, um ein Buch zu kaufen. Dass es Leser dennoch tun, liegt an dem menschlichen Bedürfnis, einen Ort zu finden, an dem sie sich richtig "verortet" fühlen, der ansprechend ist, und wo sie auf ihresgleichen treffen. Wo sie mal "aus der Zeit" fallen können und Anregungen und Bereicherungen für ihr Leben finden. Einen Ort, wo Wünsche zu Hause sind.

Das nennt man beratungstechnisch: Anziehungs- und Aufenthaltsqualität. Ersteres sorgt dafür, dass Kunden wiederkommen und durch Mundpropaganda neue Käufer animiert werden. Und die Aufenthaltsqualität sorgt für einen entsprechend hohen Bon-Umsatz. Je länger und je lieber ich an einem Ort bin, desto mehr entdecke ich und ­desto mehr gebe ich dann dort auch bereitwillig aus. Übrigens: Beratung zu diesen Aspekten im Kontext unserer Profilkonzepte ist immer wieder gefragt, auch der diesjährige Libri-Campus wird sich deshalb intensiv diesen Themen widmen.

Doch all das alleine nützt nichts, wenn zwei weitere Faktoren nicht stimmen: die Lage und die Miete. Das Konzept kann noch so gut sein – wenn die Kunden den Laden nicht finden, kann kein Konzept greifen. Dann braucht es einen langen Atem und Geld, das in den seltensten Fällen vorhanden ist. Deshalb ist die Standortwahl immens wichtig. So gesehen ist es häufig einfacher, eine Buchhandlung zu übernehmen. Sie ist am Ort bereits bekannt. Und mit einem "Fresh-up" des Ladens können alte Kunden begeistert und neue gewonnen werden. Das ist eine Beobachtung, die ich immer wieder mache, wenn ich einen erfolgreichen Inhaberwechsel erlebe.

Egal, ob Neugründer oder Nachfolger – Kennzahlen sind das A und O. In den Gründerworkshops diskutieren wir mit den Teilnehmern alle Hauptkostenarten wie Wareneinsatz, Ladenausstattung, Personal und Miete. Zwei Neugründerinnen haben sich die Miet-Kennzahlen so zu Herzen genommen, dass sie die Vermieterin ihrer Traumlage darauf angesprochen haben. Der Mut wurde belohnt: Die Vermieterin hat sich auf eine umsatzabhängige Miete eingelassen. Denn anders als oft bei Bankern, die bei der Kreditwürdigkeit von Buchhandlungen die Stirn krausziehen, ist die Branche bei Hauseigentümern gern gesehen. Das ist für mich ein ganz besonders schönes Beispiel, wie sich unser Seminar in der Praxis auszahlt.

Spannend wird es jetzt beim Gründertreff am 21. Februar in Bad Hersfeld. Hier treffen sich Buchhandlungen, die sich in den vergangenen drei Jahren selbstständig gemacht haben, und stellen sich gegenseitig ihre Konzepte vor. Wer die Kollegen am meisten überzeugt, dem winkt der Libri-Gründerpreis in Höhe von 1 000 Euro. Anmeldungen sind noch möglich: www.libri.de/gruendertreff.